Tatort - Unvergessene Verbrechen in Kärnten

20.05.2013 - 21:45 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Tatort - Unvergessen
ORF/ARD
Tatort - Unvergessen
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Selbst ein Kopfschuss kann Moritz Eisner in Tatort – Unvergessen nicht davon abhalten, in den Geheimnissen eines Städtchens zu wühlen, das die Vergangenheit am liebsten begraben würde.

War Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) einmal der charmante Schürzenjäger, so zeichnen ihn seit seiner beruflichen Partnerschaft mit Bibi Fellner (Adele Neuhauser) vermehrt die Abgründe seines Jobs. Die vom Leben gebeutelte, aber standhafte Bibi hat über die Jahre und Fälle auf Moritz abgefärbt, was die beiden mittlerweile zu einem einvernehmlich rebellischen Duo macht. Dessen Auflehnung hat nichts mit jugendlicher Leidenschaft und viel mit der Frustration über das Leben, das Universum und den ganzen Rest zu tun. Das ist auch Tatort: Unvergessen abzulesen, der sich wie die letzten Wiener Fälle vor einem klaren Happy End und eindeutigen Antworten scheut. In einem Tatort, in dem am Ende alles wieder gut ist, würden Moritz und Bibi aber sowieso fehl am Platz wirken.

Lokalkolorit: Von einer retrograden Amnesie betroffen, verlässt Moritz mit Narbe an der Schläfe und Bluterguss im Auge in Tatort – Unvergessen das Krankenhaus und findet sich in der Wiener Betonwüste wieder. Doch die Kärntner Wälder wirken kaum einladender. Wie zuletzt in Polizeiruf 110: Fieber und Tatort: Das Dorf färbt der Geisteszustand des geschwächten Kommissars (bzw. Oberstleutnants) auf Atmosphäre und Erzählweise des Krimis ab. Bis auf die von mal zu mal greifbarer werdenden Flashbacks, die in warmen Farbtönen gehalten sind, überwiegen in der ersten Hälfte gräuliche Bilder, als hätte sich der Staub des Steinbruchs über sie gelegt.

Plot: Moritz Eisner setzt noch einen Ruf nach Verstärkung ab, bevor bei ihm nach einem Kopfschuss die Lichter ausgehen. Was er in dem Steinbruch in Kärnten wollte, weiß er nicht mehr und so wird ihm Ruhe verschrieben. Entgegen der Anweisungen setzt sich der von Halluzinationen und Erinnerungslücken geplagte Kommissar in ein Taxi nach Kärnten, wo bekanntlich “aus allem ein Politikum gemacht wird”. Dort kommt er einer alten Liebe auf die Spur, die einen Dokumentarfilm über das Massaker von Peršmanhof drehen wollte. Über das wollen die Bewohner jedoch den Mantel des Vergessens legen, was Moritz und die ihm nachreisende Bibi schnell in Konflikt mit der örtlichen Prominenz bringt. Wollte jemand durch die Beseitigung der Journalistin einen Verantwortlichen des Massakers schützen? Oder war es doch der Ehemann, der zwei Wochen wartete, bevor er seine Frau als vermisst meldete?

Unterhaltung: In seiner subjektiven Erzählweise ist Tatort – Unvergessen weder so exzentrisch noch so radikal wie die beiden oben genannten Krimis. Wobei der halluzinierte Kopfschuss Bibis zu den schockierenderen Momenten gehört, die in letzter Zeit in einem Tatort zu sehen waren. Autor und Regisseur Sascha Bigler (Meine Schwester) arbeitet die kleinen Filmrisse seines erschöpften Helden geschickt in die Szenenübergänge ein, beispielsweise wenn Moritz mit Hilfe einer effektvollen Überblendung vom Bett in die Gaststätte versetzt wird. Die formale Annäherung an den mentalen Zustand des Ermittlers erdrückt allerdings nie die Krimihandlung, die zu einem befriedigenden Schluss findet, ohne ihre Figuren einem traditionellen Gut und Böse-Muster zu unterwerfen. Am Ende hat Moritz vielleicht auch deswegen die Faxen dicke.

Tiefgang: Wie der Titel schon andeutet, ist der neue Wiener Tatort ein Film über die zwanghafte Suche nach Erinnerung und den Frust über ausbleibende Antworten. Das zeigt sich am direktesten in Moritz’ Amnesie sowie auf einer persönlicheren Ebene in seiner Beziehung zu der Journalistin. Vor 15 Jahren habe er mal etwas mit ihr gehabt und sie dann vergessen, meint er und straft sich an ihrem Grab später selbst Lügen. Der Mörder wiederum geht über Leichen, um ein Alzheimer-Medikament zu testen, und seine Frau, die in ihrer Doku einen anderen Täter entlarven will, würde dies am liebsten aus ihrem Gedächtnis streichen. Die Gemeinde selbst mag nichts mehr zu tun haben mit dem Massaker, das einst vor ihrer Haustür stattfand.

Die Ansätze elliptischen Erzählens, die sich in Moritz’ Tagträumen äußern, finden sich auch im wohl stärksten Moment des Tatorts wieder. Da lässt der Film den authentisch wirkenden Rohschnitt der Doku sprechen, in der Wochenschau-Aufnahmen und ein Interview von den Gräueln berichten. Mehrmals jedoch verzerren Störungen das Bild, bis das Video kurz vor Verlautbarung des Täters abbricht. Im Krimi selbst kommt Moritz eher unabsichtlich auf den Täter, das Schweigen über das Massaker bleibt hingegen ungestört.

Mord des Montags: Umarmt vom Ehemann endet Maja Jancic-Herzogs Suche nach Wahrheit mit zwei Schüssen im Leib.

Zitat des Montags: “Diesmal wird nicht vergessen, das schwör’ ich dir!”

Ein erstklassiger Tatort aus Österreich war das oder was meint ihr?

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