Lassen wir das mit den Kategorien mal kurz sein. Nicht weil der neue Tatort aus Ludwigshafen diese sprengt, eher im Gegenteil. Tatort: Zirkuskind wurde nicht für Rubriken wie “Tiefgang”, “Unterhaltung” oder “Lokalkolorit” gemacht. Das verdeutlicht kein Moment besser als jener, in dem sich Odenthal (Ulrike Folkerts) und Kopper (Andreas Hoppe) eine PowerPoint-Präsentation zum Thema illegaler Antiquitätenschmuggel ansehen. Eine Expertin steht da vor ihnen in einem kleinen, kahlen Raum. Ein bisschen erinnert die Szenerie an eines dieser Hauptseminare zu Unizeiten. Da sitzen dann sieben Leute drin, aber nicht wegen des Themas oder des Dozenten. Nein, in die anderen Seminare haben sie es nicht geschafft (überhörter Wecker, überlaufene Unis, Karma). Scheine bzw. ECTS-Punkte sammeln sich nicht von allein. Da beugt sich also Odenthal wahnsinnig interessiert nach vorne (in so einem kleinen Raum kann jedes Gähnen als Beleidigung interpretiert werden) und – anerkannte Kunstschmuggelexpertin, die sie ist – haut diesen Satz raus: “Das Wertvolumen von Kunst- und Antiqutätenschmuggel ist wirklich fast so hoch wie das von Drogen- und Waffenschmuggel???”
Eigentlich kann dieses Zitat für sich allein stehen. Ulrike Folkerts betont es auch noch wie ein Schulmädchen, das gerade eine Lehrbuchweisheit vorträgt, aber dessen Inhalt nicht versteht. Es ist so ein Zitat, das viel aussagt über einen Tatort, der im Zirkus beginnt, aber bloß nichts mit dessen Vulgarität zu tun haben will, anders als zuletzt Tatort: Schwindelfrei. Das gehört zum Konzept dieses Krimis, der die Schattenseiten der Zunft zu betonen vorgibt (“das Leben ist hart”, “das ist ein scheiß Job”) und sich seiner Seriosität durch einen informativen Antiquitäten-Plot rückversichert. Diese Angst, auch nur in die Nähe der Gaukler, Clowns und Artisten zu kommen, hält den Krimi auf Kurs, der seine Heldin nur kurz auf dem Seil tanzen lässt, als Belohnung sozusagen. Immerhin wurde sie zuvor niedergeschlagen. Odenthal jedenfalls springt schnell und erleichtert wieder hinunter.
Zwei Brüder haben sich bei einer Tunesien-Tournee mit Schmugglern eingelassen. Einer endet mit eingeschlagenem Schädel in der Manege. Der andere gerät in Bringschuld, denn der böse Schmuggler (man achte auf die befremdliche, aber tatorttypische musikalische Begleitung) will seine Ware. Dazwischen steht eine junge Frau, das “Zirkuskind”, dem die Mutter einbläut, nie etwas anderes sein zu können. Vorgetragen wird das große Drama mit der Leidenschaft einer verblichenen Polylux-Folie. Ausgenommen Liv Lisa Fries als hin- und hergerissenes Zirkuskind und Fritz Roth, der seinen paranoiden Psycho so lebhaft spielt, als glaube er sich in einem anderen Film. Sobald wir seine mit ein Dutzend Schlössern verrammelte Wohnung verlassen, wartet nur wieder dieser kahle Raum. Denn es ist mit den Ludwigshafener Tatorten wie mit der Zirkusmutter: Die kann sich kein anderes Leben vorstellen. Also wagt sie den Ausbruch gar nicht erst.