Three Billboards ist der perfekte Film zur Award-Saison 2018

08.01.2018 - 18:30 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri20th Century Fox
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Three Billboards Outside Ebbing, Missouri gewann vergangene Nacht vier Golden Globes. Der Film wirft ein grelles Licht auf systematische Probleme und kommt so zur rechten Zeit.

Die Golden Globes 2018 liegen hinter uns und wie erwartet stand die Veranstaltung ganz im Zeichen einer Zeitenwende, die in den Dankesreden der Gewinner immer wieder beschworen wurde. Sehr dominant an diesem Abend war außerdem die Farbe Schwarz, denn durch ihre Kleidung wollten – inspiriert von der Initiative Time's Up  – viele der Erschienenen auf sexuellen Missbrauch am Arbeitsplatz aufmerksam machen. Den Hintergrund bildet natürlich jener Missbrauchsskandal, der Hollywood seit vergangenem Herbst erschüttert und mit zahlreichen Vorwürfen gegen Produzent Harvey Weinstein seinen Anfang nahm. Zwar gibt es in der Traumfabrik viel aufzuarbeiten, die Filme müssen deshalb aber nicht in den Hintergrund treten. Ganz im Gegenteil ging bei den diesjährigen Golden Globes mit Three Billboards Outside Ebbing, Missouri mit vier Auszeichnungen eine Tragikomödie als großer Gewinner hervor, in der eine Frau nach dem Mord an ihrer Tochter allein und mit (fast) allen Mitteln gegen die Ignoranz einer ganzen Gemeinde und sogar die der eigenen Familie kämpft. Es ist die perfekte Allegorie.

Drei rote Werbetafeln zieren im Film unübersehbar den Ortseingang der beschaulichen Gemeinde Ebbing, Reklamezwecken dienen sie allerdings nicht. Vielmehr will Mildred Haynes (Frances McDormand) so die Behörden in dicken, schwarzen Lettern zum Handeln bewegen – eben die tun nach Auffassung der 50-Jährigen nämlich bei Weitem nicht genug, um die Vergewaltigung und den Mord an ihrer Tochter aufzuklären. Und so prangen da nun diese drei Kästen wie ein Mahnmal in der Landschaft, das allerdings niemand sehen möchte. Auch nicht Mildred Haynes Sohn, der den Tod seiner Schwester am liebsten verdrängen würde und dem kaum daran gelegen zu sein scheint, den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Dass die Tat mittlerweile sieben Monate zurück liegt, macht die Aufklärung auch nicht unbedingt naheliegender.

Ins Visier genommen hat Mildred Hanyes bei ihrem Feldzug gegen die Ermittler vor allem den zweifachen Familienvater Bill Willoughby (Woody Harrelson) – einfach aus dem pragmatischen Grund, weil er als Sheriff nach außen die größte Verantwortung trägt. Willoughby hat jedoch Krebs im Endstadium und die Sympathien der Dorfbewohner auf seiner Seite. Zwar ist es keineswegs so, dass niemand Verständnis für die Situation der Verkäuferin aufbringt, doch hier in Ebbing kann es nicht weit führen, sich mit einem „guten Mann“ wie ihm anzulegen, der zwar selbst kein Verbrechen begangen haben mag, aber vom Status Quo profitiert. Daher schreitet er auch nicht ein, wenn beispielsweise der ihm unterstehende Officer Dixon (Sam Rockwell) permanent die afroamerikanische Bevölkerung drangsaliert. Bitte keine Veränderungen, denn letztlich ginge es ja allen gut und Tragödien wie der brutale Mord an einer Teenagerin seien schließlich auch Teil des Lebens. So zumindest besagt es ein ungeschriebenes Gesetz.

Frances McDormand trägt die kurzen Haare in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri eher notdürftig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, manchmal sorgt zudem ein Bandana dafür, dass ihr entschlossener Blick von absolut nichts getrübt wird. Als trauernde und mindestens im selben Maße wütende Einzelgängerin nimmt sie es mit jedem auf, sei es ein Zahnarzt, der sie ohne Betäubung behandeln will, ein jähzorniger Polizist, der noch bei seiner Mutter wohnt oder der eigene Ex-Mann ohne Verantwortungsgefühl. Der Zorn, aber auch die Verletzlichkeit, die die Oscar-Preisträgerin vermittelt, sind oscarwürdig und dürften den Gefühlen vieler Frauen, die sich einer ähnlichen Ohnmacht gegenüber sahen oder sehen, auf der Leinwand Ausdruck verleihen. Damit verheißt das Werk ein potentiell karthatisches Erlebnis. Das bedeutet freilich nicht, dass alle Handlungen der resoluten Filmheldin moralisch vertretbar wären, aber gerade so wird deutlich, dass einer Frau, der niemand zuhört, irgendwann die (gewaltlosen) Alternativen ausgehen können.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist nicht nur ein Film für "den Moment", genau wie Sexismus und Missbrauch nicht erst existieren, sobald jemand offen darüber spricht. Tatsächlich schrieb Autor und Regisseur Martin McDonagh seiner Hauptdarstellerin McDormand ihren Part schon vor acht Jahren  auf den Leib und die Geschichte des Films erweist sich als zeitlos. Menschen sind meist egoistisch und neigen dazu, Unangenehmes von sich zu schieben. In einer idealen Welt würden sich Personen in Machtpositionen zügeln, um ihren Einfluss wenigstens nicht zum Nachteil anderer zu nutzen, aber bis zur angestrebten Zeitenwende ist es noch ein langer Weg, nicht lediglich innerhalb der Grenzen der Unterhaltungsindustrie.

Hoffnung macht aber nicht zuletzt Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. An dessen Ende kommt es zu einer anfangs noch sehr unwahrscheinlichen Allianz (oder zumindest etwas Ähnlichem), die sich allerdings sehr richtig fühlt – wie übrigens beinahe alles an diesem ganz und gar nicht vorhersehbaren Film, der vielleicht auch bei den kommenden Oscars triumphiert. Manches lässt sich besser lösen, wenn mehrere an einem Strang ziehen. Umso mehr, wenn es gegen das Schweigen hilft.

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