Wie mir Uncharted Actionfilme für immer ruinierte

01.10.2015 - 16:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Uncharted: The Nathan Drake Collection
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Uncharted: The Nathan Drake Collection
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Uncharted ist eine der Spielereihen, die ich immer wieder spielen kann. Warum das so ist und warum Nathan Drake Actionfilme für mich für immer ruiniert hat, erfahrt ihr in meinem nicht-ganz-Review von Uncharted: The Nathan Drake Collection.

In meinem pre-Redakteurs-Leben hatte ich immer wieder Phasen, in denen ich weniger gespielt habe als in anderen. Sei es, weil ich zu wenig Zeit hatte, weil ich mich lieber mit anderen Medien beschäftigt habe oder weil ich schlicht irgendwie den Anschluss verpasst und nicht das Gefühl hatte, erneut den richtigen Einstiegspunkt zu finden. Irgendwie kamen mir dann aber immer wieder einzelne Spiele in die Finger, die mein Interesse erneut wecken und mich zurücklocken konnten, zumindest eine Zeit lang. Und dann kam Uncharted.

Greatness From Small Beginnings

Drake's Fortune traf genau den Abenteuer-Nerv, den schon Indiana Jones  und Lara Croft  Jahre zuvor zielsicher erwischt hatten und der seitdem offenlag. Nur schaffte es Nathan Drake, sich tiefer dort zu verankern als es seine beiden Vorgänger getan hatten.

Wie tief, das bemerkte ich jetzt beim Spielen von Uncharted: The Nathan Drake Collection, die mich nach jahrelanger Uncharted-Abstinenz zurück auf die Suche nach El Dorado, nach Shambhala, nach Ubar schickte und das dringende Bedürfnis nach mehr weckte.

Elena & Nate in Uncharted 3

Es ist eine Sache, sich vage daran zu erinnern, wie sehr man eine Videospielreihe trotz (oder gerade wegen) ihrer Unvollkommenheiten mag, eine ganz andere, aktiv wieder daran erinnert zu werden und sich erneut in sie zu verlieben. Vielleicht geht es mir in diesem Fall ein wenig wie Nathan Drake und Elena Fisher, die sich im Laufe der Reihe kennen und lieben lernen, nur um sich in der Zeit zwischen den Spielen zu entfremden und im nächsten Teil erneut festzustellen, dass sie doch zusammengehören.

There must be a beginning of any great matter, but the continuing unto the end until it be thoroughly finished yields the true glory

Acht Jahre sind mittlerweile vergangen, seit Nathan Drake erstmals ins Abenteuer auf der PS3 aufbrach und obwohl es für seine Rückkehr auf PS4 völlig überarbeitet wurde und in neuem Glanz erstrahlt, ist Drake's Fortune das Spiel, dem wir sein Alter am meisten anmerken. Nicht nur, weil es optisch im Vergleich zu Among Thieves und Drake's Deception einen großen Sprung macht, auch Gameplay und Narrative wurden mit jedem folgenden Teil verfeinert. Naughty Dog lernte dazu und versuchte die Uncharted-Formel immer weiter zu perfektionieren. Das gelang ihnen besser und besser, weshalb Drake's Deception noch immer mein Favorit der Reihe ist – entgegen der Meinung der restlichen gamespilot-Redaktion, die Among Thieves favorisiert.

Es ist nicht so, als könnte ich sie nicht verstehen. Gerade der Anfang von Among Thieves ist einer der besten, die ich je in einem Videospiel erlebt habe. Statt uns am Anfang beginnen zu lassen, werden wir mitten in eine Situation geworfen, die andere Spiele als eines ihrer größten Highlights in das letzte Drittel gepackt hätten. Naughty Dog hingegen beginnt bereits auf fantastischem Niveau und baute dann darauf auf.

Einer der Gründe, warum Drake's Deception mich besonders für sich gewonnen hat, ist – neben dem großartigen Wüsten-Teil und dem Ausflug auf den Schiffsfriedhof – die persönliche Entwicklung der Charaktere bis zu diesem Zeitpunkt. Kaum in einer Reihe entfaltet sie sich so realistisch. Die Beziehungen der Figuren untereinander sind komplex und flüssig. Sie sind geprägt von Geschichten, die nie erzählt werden und Ereignissen, die wir nie miterlebt haben. Dennoch kommt es uns so vor, da sie so natürlich in die Dialoge verwoben wurden, dass es schwer ist zu glauben, wir hätten Nate, Sully, Elena und Co. nicht nur über drei (bzw. mit Uncharted: Golden Abyss vier) Spiele hinweg begleitet.

But the dreamers of the day are dangerous men, for they may act their dream with open eyes, to make it possible

Nathan Drake ist weder der makellose Held, den uns viele andere Reihen präsentieren, noch der raubeinige Anti-Held, der ansonsten an dessen Stelle verwendet wird. Er ist nicht Indiana Jones, für den Schätze in ein Museum gehören und er ist nicht Max Payne auf ewigem Rachefeldzug. Er ist ein Abenteurer, ein Liebhaber von Geschichte, ein Dieb und ein Mörder.

Während er in Cutscenes ein gelassener Mann mit jugendlichem Charme ist, wird er im Gameplay zum ruchlosen Killer, der nur sein Ziel vor Augen hat und dafür über Leichen geht. Diese ludonarrative Dissonanz  wurde in der Vergangenheit bereits häufig thematisiert, gerade im Bezug auf Uncharted und es ist unter anderem Uncharted und seinen Fehlern zu verdanken, dass mehr und mehr Spiele versuchen, das Problem hinter sich zu lassen. Leider nicht immer mit Erfolg.

Nathan Drake: Held oder Killer?

Es ist ein Anzeichen der Qualität der Reihe, dass es leicht ist, diese Thematik nahezu zu vergessen und sich stattdessen im Abenteuer zu verlieren. Mit Uncharted: The Nathan Drake Collection ist das noch eine Spur einfacher, da der Explorer-Modus euch die Gelegenheit gibt, das Shooter-Gameplay zu minimalisieren und sich noch mehr auf die Handlung der Spiele zu konzentrieren.

Für viele mag dieser noch-einfacher-als-einfach-Modus eine Zweckentfremdung oder ein Eingeständnis der eigenen mechanischen Schwächen sein, ich finde die Grundidee vor allem für Spieler gut, denen nach dem vierten Deckungsshooter-Einsatz in einer halben Stunde langsam langweilig wird und die einfach nur wissen wollen, wie es weiter geht. Dank des neuen Modus wird Uncharted – für die, die es wollen – mehr als je zuvor zu einem spielbaren Film.

Uncharted ist einer der Gründe, warum ich nach und nach das Interesse an Filmen verloren habe: Weil ich gesehen habe, wie viel spannender Filme sein können, wenn ich sie selbst spielen kann. Uncharted ist, was die meisten Action- und Abenteuerfilme sein wollen, es aber nie schaffen: eine fast perfekte Balance aus mitreißender Action, spannender Handlung, großartiger und lebendiger Charaktere, humorvollen und gut geschriebenen Dialogen und fantastischem Soundtrack, die mit jedem Teil besser wird anstatt an Herzblut zu verlieren.

I did not tell half of what I saw, for I knew I would not be believed,

Als Uncharted: The Nathan Drake Collection bei uns eintraf, überlegte ich lange, was sich eigentlich noch über die überarbeitete Version einer Trilogie sagen lässt, die jeder Spieler zumindest vom Namen her kennt und deren Produktdetails sich auf der Verpackung nachlesen lassen. Denn ja, alles, womit die Uncharted-Sammlung wirbt, stimmt: Die Spiele sehen besser aus als je zuvor, spielen sich flüssiger, haben neue Features wie den Fotomodus und manuell abstellbare Unschärfe und wurden überhaupt grunderneuert.

Einer bereits unglaublich guten Reihe wurde für ihr Debüt auf einer neuen Konsolengeneration ein würdiger Feinschliff verpasst, der nicht nur neue Spieler auf Uncharted 4: A Thief's End vorbereiten, sondern auch eingefleischte Fans zurücklocken soll. Die Uncharted-Collection ist die erste Remastered-Edition, bei der ich persönlich sagen würde, dass sich die Anschaffung für beide Gruppen lohnt.

Für mich ist die Nathan Drake Collection eine Erinnerung daran, warum ich dem Medium irgendwann treu wurde, ohne den Controller wieder aus der Hand zu legen. Warum ich Abenteuer liebe, warum ich Geschichten über längst vergangene Zivilisationen spannend finde, warum Actionfilme die besten Filme sind, warum ich sie viel lieber spiele als sie zu sehen. In einer Zeit, in der es kaum noch Adventure-Filme im Kino gibt, bietet mir Uncharted alles, was ich ansonsten vermissen würde.

Danke, Nathan. Immer wieder.

Bis zum nächsten Abenteuer

Uncharted: The Nathan Drake Collection wurde uns von Sony in Form eines Presse-Musters zur Verfügung gestellt.

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