Eine echte Doku hätte es auch getan

21.10.2009 - 07:01 Uhr
Der Grünschnabel Kohl
ZDF
Der Grünschnabel Kohl
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Mehr als 10 Jahre zu spät brachte das ZDF gestern Abend ein Doku-Drama über das Leben von Helmut Kohl ins deutsche Fernsehen. Nur: Wen interessiert das heute noch?

Dass Helmut Kohl kein liebenswürdiger Knuffelkanzler war, wissen diejenigen, die den Dicken 16 Jahre als Bundeskanzler erlebt haben. Dass er eine zentrale Rolle bei der Wiedervereinigung spielte, ist ebenfalls bekannt. Nun hätten die Macher des gestrigen ZDF-Abendfilms Der Mann aus der Pfalz die Chance ergreifen können, die Rolle des Bundeskanzler a.D. tiefgründiger zu durchleuchten. Stattdessen begnügten sich Regisseur Thomas Schadt und Co. damit, einen an Herrschsucht leidenden schokoladefutternden Provinzpolitiker zu portraitieren.

Foto-Show: die Bilder zu “Der Mann aus der Pfalz”

Kein Wort zum “Bimbes”, zur Spendenaffäre, der intriganten Machenschaften, derer sich Kohl (gespielt von Thomas Thieme und Stephan Grossmann) seinerzeit bediente. In Der Mann aus der Pfalz wurde das Augenmerk auf Kohls Werdegang zum pfälzischen Ministerpräsident gelegt, seine Beziehung zu Ehefrau Hannelore, seine schlechte Gesundheit und seine Rolle in der Wiedervereinigung, wobei besonders letztere lediglich an der Oberfläche kratzte. Wozu all die eingeschnittenen Zeitdokumente, in denen uns der echte Helmut Kohl präsentiert wurde, wenn sich doch die fiktionalen Teile weder zu einem klaren Statement entschließen konnten, noch den dokumentarischen Teil informativ ergänzten? Das Schauspiel blieb Schauspiel, trat im Vergleich zu den Tagesschau-Ausschnitten zurück. Man darf sich fragen, weshalb die Autoren Nico Hofmann, Thomas Schadt und Jochen Bitzer elf Jahre nach Abdanken Kohls ein Doku-Drama erschaffen, welches Kohl als aufmüpfigen Grünschnabel zeigt, anstatt zur heutzutage noch brandaktuellen Spendenaffäre Position zu beziehen. Interessiert ein neuer Aspekt zur Persönlichkeit Kohls tatsächlich? Nein, vielmehr wäre es vonnöten, die Leistungen Kohls mitsamt seinen machtpolitischen Verfehlungen abzubilden.

Die Episode mit Heiner Geißler ließ zwar die Herrschsucht des Altkanzlers deutlich erkennen, doch die Macher wahrten stets wohlwollend das Ansehen Kohls. Eine Tatsache, die offenkundig der Entstehung des Projekts geschuldet ist. Produzent Nico Hofmann konnte Kohl zu diesem Biopic überreden, da sein Vater, der Journalist Klaus Hofmann, diesem nahe steht. Die Beschränkung auf einige wenige Momente aus Kohls Amtszeit und auf die eine Erzählperspektive aus den Augen Helmut Kohls bedeuteten somit ebenso die Schwächen eines Films für Zuschauer, die sich wenig in der deutsch-deutschen Geschichte auskennen. Interessant konnte die Reise ins Innere des “Kings of Mainz” nur für diejenigen sein, die die Politik unter Kohl noch am eigenen Leibe erlebten.

Im April 2010 wird Helmut Kohl 80 Jahre alt. Vielleicht sollte dieser Tag als Anlass dienen, auch die dunklen Kapitel von 1982 bis 1998 konsequent offenzulegen.

Was meint ihr: Trug Der Mann aus der Pfalz zu einem differenzierten Bild des Bundeskanzlers a.D. bei?

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