Palmen-Gewinner Anora: Der bisher beste Film in Cannes ist eine berauschende Jagd nach Geld und Liebe

23.05.2024 - 14:47 UhrVor 17 Tagen aktualisiert
Mikey Madison in Sean Bakers Anora
Focus Features
Mikey Madison in Sean Bakers Anora
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Wenn Netflix' Der schwarze Diamant eine RomCom wäre, sähe er so aus wie der Cannes-Höhepunkt Anora von Sean Baker: erschöpfend, aber unwiderstehlich.

Kann man Muskelkater von Filmen kriegen? Von unbequemen Kinostühlen sicherlich, aber Filmen? Ganz nah dran kommt auf jeden Fall Anora, der neue Film von Red Rocket-Regisseur Sean Baker. Als der Abspann über die Leinwand glitt, fand ich mich entkräftet und ausgelaugt in einem dunklen Saal in Cannes wieder, und bin trotzdem mit einem breiten Grinsen aus dem Kino spaziert.

Anora treibt den Puls in die Höhe, wie es sonst nur ein Der schwarze Diamant mit Adam Sandler vermag, und schreit, schlägt und tanzt sich ins Herz, bis man ihn nicht mehr loswird. Im Cannes-Jahrgang 2024 habe ich bislang keinen besseren Film gesehen.

Tarantino-Star Mikey Madison jagt Geld und einen Ehemann in Anora

Für Hauptdarstellerin Mikey Madison wird Anora sich hoffentlich ins Hollywood-Sprungbrett verwandeln, das sie sich spätestens seit ihren Auftritten in Once Upon a Time ... in Hollywood, Better Things und Scream verdient hat. Madison spielt die erotische Tänzerin Ani, die sich in einem Club in New York City mit einem einladenden Lächeln und patentierter Dienstleistungsfreundlichkeit durchschlägt. Ani geht professionell ans Werk, stets darauf bedacht, das Glück ihrer Kunden und ihre Entlohnung zu erhöhen.

Als der russische Oligarchen-Sohn Ivan (Mark Eydelshteyn) sie für eine Woche als Freundin anheuert, eröffnet sich eine neue Welt für Ani. Der liebenswerte Timothée Chalamet-Verschnitt mit einem Konzentrationsdefizit verprasst das Taschengeld der Eltern für Partys, Koks und Trips nach Vegas. Bespaßen, Story bei IG posten, schlafen, bespaßen usw. Nachdem die beiden spontan heiraten, droht dem Leben in Saus und Braus allerdings ein jähes Ende. Die Eltern wollen die Ehe annullieren lassen.

Mikey Madison als Manson Girl in Once Upon a Time in Hollywood

Anora spielt sich erst innerhalb von ein paar Tagen und dann innerhalb von etwa 24 Stunden hab. Denn Ivan macht sich davon und es bleibt an Ani, dem armenischen Fixer Toros (Karren Karagulian) und seinen beiden herrlich überforderten Helfern Garnick (Vache Tovmasyan) und Igor (Yuriy Borisov), ihn im Big Apple aufzugabeln. Toros muss den Auftrag der Eltern erfüllen, Ani möchte das unbedingt verhindern. Zusammen bilden sie ein skurriles Quartett, das sich beschimpft, aber gezwungenermaßen zusammenarbeitet.

Anora präsentiert uns ein Quartett zum Verlieben

Sean Baker, der auch das Drehbuch schrieb, spielt gekonnt mit den Erwartungen, arbeitet in seinem bis dato lustigsten Film einige Running Gags ein und profitiert von der Chemie seiner Besetzung. Die zierliche Ani weiß sich nämlich zu wehren und macht auch vor Schränken auf zwei Beinen nicht halt.

So beginnt Anora als euphorisierender Speedrun des Lebens von Superreichen und wechselt über in eine ebenso turbulente wie amüsante Reise durch die Nacht. Währenddessen lernen wir Toros, Igor und Garnick lieben, die mit dem ungeheuer willensstarken Energiebündel an ihrer Seite nicht gerechnet haben.

Die drei Männer versuchen sich auf ihre Weise im Land der unbegrenzten Möglichkeiten durchzuschlagen. Genau wie Ani werden sie dafür bezahlt Menschen zufriedenzustellen. Ihre Arbeit kostet sie gebrochene Nasen und strapazierte Nerven. So gut wie alle Beziehungen in Anora sind nämlich Teil einer Transaktion. Je länger die Achterbahnfahrt mit dem sympathischen Quartett dauert, desto schneller wächst jedoch die Hoffnung, dass das jemand ändern wird.

Anora hat noch keinen deutschen Kinostart.

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