Im surrealen neuen Lindholm-Tatort stört nur Lindholm

07.12.2014 - 20:10 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Tatort: Der sanfte Tod
ARD/NDR
Tatort: Der sanfte Tod
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Auf einen abendlichen Gulasch-Snack hat man nach dem neuen Lindholm-Tatort Der sanfte Tod sicher keinen Appetit mehr.

In ihrem letzten Doppel-Tatort hatte es Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit skrupellosen Menschenhändlern aufgenommen. Zwei Jahre ist das schon her. Mit Alexander Adolphs Tatort: Der sanfte Tod kehrt sie nun zurück. Etwas müder und spröder als zuvor ermittelt sie im niedersächsischen Fleischmilieu, trifft auf einen charismatischen Wurstbaron, der sie mit Wagner und deutschen Fahrrädern zu verführen sucht. Lindholm bleibt natürlich die Unbestechliche, aber zugute zu halten ist Adolphs im Ganzen wenig überraschendem Krimi, dass er im Gegensatz zu anderen Fällen der Kommissarin die Erschütterung der unerschütterlichen Lindholm immerhin als Möglichkeit in Betracht zieht.

Tatort: Der sanfte Tod

Im deutschesten aller deutschen Werbespots wirbt Landmann (Heino Ferch) mit saftigen Wiesen, blauem Himmel und einem blonden Jünglin, der begeistert eine neue Wurst für Kinder verschlingt. Der niedersächsische Fleischgürtel in Tatort: Der sanfte Tod hat mit diesem Bild reichlich wenig gemein. Im Windradland begutachtet Lindholm anonyme graue Schlachtanstalten und Wohnwagensiedlungen offiziell gar nicht existierender Arbeiter. Es ist das Reich der Wurstroyalen, die ihr demokratisches Gut für die Masse produzieren. Wobei "gut" nicht ganz zutrifft, gibt es nach Chef Landmann doch nur zwei Sorten Fleisch: Gut oder billig. Als Landmanns Chauffeur nach einem Platztausch im Auto erschossen wird, geraten sofort Tierschützer in Verdacht, die den Fleischmagnat seit Jahren mit Drohbriefen belästigen. Dass die Mutter des Toten mit Schweigegeld getröstet wird, macht Lindholm jedoch stutzig: Hat der Schuss nicht vielleicht doch das gewünschte Opfer getroffen?

Lindholm darf sich (nicht zum ersten Mal) mit inkompetenten Kollegen vom Land herumschlagen, flirtet mit einem Verdächtigen, muss auf eigene Faust gegen den Willen eines Vorgesetzten ermitteln und gerät selbst auf höchst dumme Weise in höchste Gefahr. Im Wurstland nichts Neues also! Wären da nicht die Namen wie "Carlito" oder "Clemenza", die keifende Dynastie-Obere und der Blinzler im Heuhaufen. Alexander Adolphs gerade auch dialogstarkes Drehbuch mag die frühe Absehbarkeit der Handlung nicht verbergen, dafür macht es in weiten Teilen mehr Spaß, als es einem Fall der außerordentlich besorgten Lindholm erlaubt sein dürfte. Schallende Kalauer sind damit zwar nicht gemeint, aber viele kleine und große Charakterskizzen, die dem für gewöhnlich blassen Teint der niedersächsischen Tatorte die nötige Farbe verleihen. Im Vergleich zu Adolphs bisher besten Tatort Der tiefe Schlaf, der seine Kommissare ebenfalls ordentlich beutelte, fehlt es Der sanfte Tod zwar an einer ruppig sympathischen Hauptfigur, wenn auch Lindholm den ein oder anderen Kollegen zusammenstauchen darf. Dafür lockert Bibiana Beglau als betont unlockere Kommissarin Bär das Geschehen ein ums andere Mal auf, genügen dazu doch bereits ihr linkischer Gang und ihr herrlich à la Rezitation im Deutschunterricht eingeübtes Autoritätsgehabe.

Wenn in diesem Schweine-Tatort jemand sich nicht so recht ins Bild fügen will, dann ist es wohl Lindholm selbst. Zwischen den Wurstkönigen mit ihren verkloppt lächelnden Neffen und großdeutschen Müttern, den Clemenzas und Carlitos, Wagners Größe und bärscher Bodenständigkeit scheint Lindholm dann doch zu ausgeglichen, zu normal, um die surrealen Tendenzen dieses Krimis ausbrechen zu lassen. Eine Lindholm mit Hochwasserhosen. Das wär' mal was für einen echten Horrorfilm.

Mord des Sonntags: Der nächtliche Gulasch-Happen wäre ihm besser bekommen als der Sitzplatztausch.

Zitat des Sonntags: "Ich sag immer: Fleisch ist für alle da. Fleisch ist demokratisch."


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