Wer sich Martin Sheens Filmographie anschaut, könnte leicht den Eindruck erhalten, es mit einem typischen B-Film-Darsteller zu tun zu haben. Über 250 Film- und Fernsehprojekte listet die IMDb auf, was trotz der Tatsache, dass Sheen schon seit Mitte der 1950er Jahre vor der Kamera steht, eine beachtliche Summe ist. Doch hätte er bei der Auswahl seiner Rollen eine Zurückhaltung wie etwa Daniel Day-Lewis an den Tag gelegt und zahlreiche zweifelhaftere Werke ausgelassen, wäre es auch auf den ersten Blick nicht zu übersehen, dass es sich bei Martin Sheen um einen der beeindruckendsten Schauspieler seiner Generation handelt.

Um bei der Suche nach ersten Rollen der ständigen Diskriminierung zu entgehen, der er als Sohn einer irischstämmigen Mutter und eines spanischstämmigen Vaters ausgesetzt war, entschied er sich als Erwachsener zunächst einmal dafür, seinen Geburtsnamen Ramón Antonio Gerardo Estévez gegen den Künstlernamen Martin Sheen einzutauschen. Eine lohnende Wahl, denn gleich für seine zweite Kinorolle als Kriegsheimkehrer Timmy Cleary in Rosen für die Lady, den er auch schon auf der Theaterbühne verkörpert hatte, erhielt Martin Sheen 1969 eine Golden Globe-Nominierung.

Für Terrence Malick spielte er einige Jahre später in Badlands - Zerschossene Träume den Außenseiter Kit, der sich mit Sissy Spacek mordend auf einen Roadtrip durch die USA begibt, für Francis Ford Coppola übernahm er in Apocalypse Now als Captain Willard 1979 seine wohl berühmteste Kinorolle. Sheens Alkoholismus zu dieser Zeit bescherte dabei nicht nur den Zuschauern eine beeindruckende, betrunken gespielte Eröffnungsszene, sondern ihm selbst auch einen Herzinfarkt im Laufe der schier endlosen Dreharbeiten.

Doch egal, ob es sich bei seinen Figuren um extreme Charaktere wie in Badlands und Apocalypse Now handelt oder um gemäßigtere Zeitgenossen: Stets macht Martin Sheen spürbar, dass sie bei ihrem Tun von tiefsitzenden Überzeugungen getrieben werden. Was wohl nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass sich Sheen auch privat seit Langem nachdrücklich in gesellschaftlichen Fragen engagiert, gegen Krieg und Todesstrafe eintritt und sich für die Teilnahme an öffentlichen Protesten nie zu schade ist. In Ungeschminkt: James Lipton im Gespräch erklärte Sheen dazu einst, dass er aber nicht meine, damit die Welt oder andere Menschen ändern zu können. Um sich selbst treu zu bleiben, müsse er aber protestieren.

Dieses Eintreten für seine Überzeugungen, das dem Katholiken Sheen schon Dutzende Verhaftungen beschert hat, fließt dann auch stets in seine Schauspielleistungen ein. Egal, ob als gewerkschaftlich engagierter Vater des von Charlie Sheen (der wie alle von Sheens vier Kindern seinem Vater in die Schauspielerei folgte) verkörperten Börsen-Yuppies in Oliver Stones Wall Street, oder als gemeingefährlicher zukünftiger Präsident in David Cronenbergs Dead Zone.

Ein anderer Staatschef sollte schließlich zu Martin Sheens langlebigster und wohl auch beliebtester Rolle werden: In Aaron Sorkins Polit-Serie The West Wing spielte Sheen ab 1999 Präsident Josiah "Jed" Bartlet, der all die Werte verkörperte, die der real bald regierende George Bush nicht vorweisen konnte. Integer, gebildet, liberal und vertrauenswürdig, wurde Martin Sheens Charakter zu einer Art Sehnsuchtspräsident vieler US-Amerikaner, und auch wenn Sheen trotz sechs Emmy-Nominierungen in sieben Staffeln die Auszeichnung nie erhielt, konnte er zumindest einen Golden Globe mit nach Hause nehmen. Den Emmy hatte er aber schon einmal zuvor für einen Gastauftritt in Murphy Brown bekommen.

Wie viele große Schauspieler seit Marlon Brando konnte sich auch Martin Sheen danach nicht der Versuchung widersetzen, in einem Superheldenfilm mitzuwirken, auch wenn sein Auftritt als Onkel Ben in The Amazing Spider-Man naturgemäß nur von kurzer Dauer war. Auch mit 75 Jahren ist Sheen gegenwärtig arbeitsfreudig wie eh und je, stand für Warren Beattys kommendes Untitled Howard Hughes Project vor der Kamera und ist derzeit in der Netflix-Comedy-Serie Grace and Frankie neben Jane Fonda und Lily Tomlin zu sehen.

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Martin Sheen zum 75. Geburtstag

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