Natürlich war klar, dass vor allem Chris Rock etwas zur "Oscars So White"-Kontroverse zu sagen hatte. In seiner Haut wollte man echt nicht stecken. Die riesigen Erwartungen seitens der Academy, derer er verpflichtet ist, seinen Job ordentlich zu machen, die noch größeren Erwartungen der schwarzen Community, dass er sie vor Ort lautstark vertritt, und dann noch die Verantwortung sich selbst gegenüber. Wie bleibt man sich treu, wie navigiert man all diese hochexplosiven Themen, ohne zu trivial zu sein, ohne zum Diener von anderen zu werden, und das noch unterhaltsam, entspannt und vor einen Publikum von 90 Millionen Zuschauern weltweit?
So macht man das:
Brechen wir diesen unglaublich cleveren Eröffnungsmonolog einmal runter:
Rock beginnt sofort damit, darauf aufmerksam zu machen, dass es die Kontroverse gibt und dass die Academy zwar keine schwarzen Nominierten in den wichtigsten Kategorien hat, aber im Rest des Programmes jetzt natürlich umso härter versucht, in Sachen Diversität wieder zu punkten. Der Vorspann war divers, der Moderator ist schwarz, die Präsentatoren der Preise sind es auch. Happy diversity, everybody!
Aber, und das lässt Rock gleich im nächsten Satz spüren: Die eigentlich wichtigen Rollen an diesem Abend sind trotzdem alle weiß. Rock lässt die Academy nicht damit davon kommen, dass es nach außen doch plötzlich recht divers aussieht.
Doch auch alle anderen kriegen ihr Fett weg. Rock stellt sich die Frage, wieso plötzlich so ein krasser Aufschrei wegen der Oscars stattfindet. Wieso die 88. Academy Awards, wenn mindestens 71 andere schon weiß wie Schnee waren? Seine Antwort: Weil die schwarze Community früher mit wichtigeren Sachen beschäftigt war:
We were too busy being raped and lynched to care about who won best cinematographer! You know, when your grandmother is swinging from a tree, it's really hard to care about best documentary foreign short!
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Auch die Boykottierer aus den eigenen Reihen wie Jada Pinkett Smith und Will Smith kamen nicht ungeschoren davon. Wieso boykottiert man etwas, fragte Rock, wozu man gar nicht eingeladen war? Wieso mischten sich so viele andere schwarze Stars ein und rieten Rock, auch zu boykottieren? Was hätte das gebracht?
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Die über allem schwebende Frage "Ist Hollywood rassistisch?" beantwortete er dann auch noch. Mit einem klaren Ja. Doch wie beim Rest seiner Rede, arbeitete Rock hier auch differenzierter. Es ist kein offensichtlicher, aggressiver Rassismus. Es ist mehr ein freundlich lächelnder, ein instituionalisierter Rassismus, der sagt: Wir finden dich toll aber du gehörst leider nicht zu unserem Club dazu. Sorry. Nichts für ungut. Smiley!
Und genau hier, genau an dieser Stelle schaltete Rock die viel wichtigere und effektivere Stufe seines Konzeptes für den Abend an: die hohe und effektive Kunst des Nervens.