So wie sie sich vorsichtig herantastet, mit ihren nackten Füßen und den trockenen Lippen. In seinem Rücken erscheint sie plötzlich, auf dem Klettergerüst. Drumherum ist es weiß, der Schnee bedeckt alles, worauf es fallen kann. Mit ihrem Kopf schaut sie runter, doch mit ihren Augen schaut sie rauf. Er nähert sich ihr. Sie könnten, so sagt sie es, keine Freunde werden. Er weiß nicht, dass sie ihn warnt. Er weiß noch nicht, dass sie ein Vampir ist.
Als sie sich das nächste Mal treffen, ertönen sanfte Klänge, Schläge auf einem Xylophon, Streicher. Und in all der Ruhe und dem jugendlichem Frieden, da hören wir das Knurren ihres Magens; eine verstörende Kombination von Tönen, die im ersten Augenblick bedrohlich und im nächsten romantisch wirkt. Denn sie lässt ihn gehen, saugt das Blut aus seinem Körper nicht aus. Sie ist – so scheint es – verliebt.
So finster die Nacht ist keine typische Vampirgeschichte. Tatsächlich macht den Reiz dieses wunderschönen Films in erster Linie die Ruhe aus, mit der Regisseur Tomas Alfredson seine Bilder zeigt. Sie wirken genauestens komponiert, spielen nicht nur mit den Figuren, sondern auch den Klängen der Musik. Die Kamera gibt den Figuren oft, so scheint es, unendlich viel Platz, zeigt aus der Ferne, wie sie durch die Landschaft spazieren. Symmetrie begegnen wir; das Fenster des Vampirmädchens auf gleicher Höhe mit dem Fenster des Jungen. Eine dünne Wand trennt die beiden voneinander; mit ihren Fingerkuppen und dem Morsealphabet kommunizieren sie miteinander. Das Sehnsuchtsmotiv nach innen gekehrt; wenn sie aus dem Fenster schauen, dann nicht in die Ferne, sondern direkt vor ihre Haustür, auf den Spielplatz; oder sie blicken sich gegenseitig an, lugen mit ihren Köpfen zum jeweils anderen Fenster. Erstaunlich auch, wie das Blut auf ihrem Gesicht den Jungen nicht irritiert. Er weint, wenn sie tötet. Aber er verurteilt sie für ihren Überlebenswillen nicht.
So finster die Nacht ist keine Horror-, sondern eine Liebesgeschichte. Getragen wird sie vollständig von den jungen Hauptdarstellern, die in ihrer Synchronisation oftmals leider ein wenig zu laut wirken. Auch Blut gibt es und Tote. Keine Frage: Sie mordet, um zu überleben. Einen philosophischen Diskurs darüber, ob sie das darf als Vampir, wo die Menschen doch genauso morden, um ihr Fleisch abends auf dem Tisch zu haben, möchte ich hier jetzt nicht starten. Denn das wirklich faszinierende an So finster die Nacht ist nicht der Umstand, dass sie ein Vampir ist, sondern der, dass sie voneinander getrennt sein müssen, um zusammen zu sein.
„Weggehen heißt leben; Hierbleiben der Tod“, schreibt sie ihm eines Abends auf ein Stück Karton, während sie sich zum Schlafen in die Badewanne legt. Draußen fällt der Schnee; so finster die Nacht.
Hier auf DVD erhältlich. Leider ist die Scheibe nicht wirklich üppig ausgestattet. Neben Trailern gibt es noch ein paar geschnittene Szenen zu bewundern und Audio-Kommentare von Tomas Alfredson und John Ajvide Lindqvist zu genießen. Das war es dann auch leider schon.