Stefan Raabs notwendige Polit-Talk-Revolution

20.09.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Stefan Raab talkt nun
Daniel Kruczynski/moviepilot
Stefan Raab talkt nun
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Manchmal ist es eine sehr gute Idee, die einem Menschen ein Lob einbringt, der sich durch zahlreiche Verfehlungen beinahe jede Anerkennung verbaut hat.

Politikverdrossenheit, Wahlmüdigkeit, kein Bock auf „die da oben, die ja eh machen, was sie wollen“ – unser Land scheint polit-kulturell zu darben. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn der allgemeingesellschaftliche Diskurs als Grundlage zur Meinungsbildung herangezogen wird. Ob dieser alles durchdringende Tenor denn wirklich auf Fakten beruht oder uns Elisabeth Noelle-Neumann eine ihrer Theorien noch aus dem Jenseits wärmstens ans Herz legt, sei mal dahingestellt. Es ist auch gar nicht so wichtig, ob die Unzufriedenheit tatsächlich einen Höchststand erreicht hat oder ob die Wahrnehmung auf Suggestion beruht. Entscheidend ist vielmehr, dass eine gefühlte Stimmung vorherrscht, die Teilen unserer Gesellschaft den Spaß am politischen Engagement vergällt. Besonders junge Menschen fühlen sich dem politischen Prozess nicht sehr nah. Durch den berüchtigten Entertainer Stefan Raab könnte sich das jedoch bald ändern.

Raabs Polit-Show
Ich höre schon während des Schreibens förmlich den Aufschrei der Entrüstung: Ausgerechnet Stefan Raab?! Dieser scham- und rücksichtslose Mensch soll federführend die Politisierung der bundesdeutschen Jugend vorantreiben? Wird da nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Darauf lässt sich mit einem entschiedenen „Nein!“ antworten. Vielmehr sollte vor Stefan Raab der Hut gezogen werden. Aber der Reihe nach: Seit Wochen geht die Meldung durch die Presse, dass der Moderator von TV total eine Polit-Talkshow namens Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen an den Start bringt. Das Konzept der Sendung ist denkbar einfach: Vier bis fünf Gäste, bestehend aus Berufspolitikern, Prominenten und Otto Normalverbrauchern, diskutieren über ein politisches Thema. Die Zuschauer können am Schluss per Voting entscheiden, wer am Überzeugendsten argumentiert hat. Gelingt es einem der Gäste, die absolute Mehrheit zu erreichen, bekommt er 100.000 Euro. Wenn niemand das Gros der Stimmen erhält, wandert die Summe in den Jackpot. Einfach, informativ, amüsant.

Frischer Talk-Wind
Zugegeben, der tatsächliche Wert wird sich erst mit der Zeit zeigen. Dass Unterhaltung mit politischer Meinungsbildung zusammengebracht wird, ist allerdings grundsätzlich nicht verkehrt. Sämtliche Polit-Talks im deutschen Fernsehen sind gänzlich unspektakulär, die Diskussionen meist reichlich redundant und der Unterhaltungswert der Gäste liegt meist irgendwo zwischen einem Schluck lauwarmen Wasser und einem Rosamunde-Pilcher-Film. Frischer Wind tut da ohne jeden Zweifel gut. Am wichtigsten ist jedoch die von Stefan Raab und Pro7 angepeilte Zielgruppe: Jugendliche und junge Erwachsene. Machen wir uns nichts vor, ein Mensch in jungen Jahren guckt mit Sicherheit eher den Privatsender als ZDF oder ARD. Niemandem kann ein Strick daraus gedreht werden, dass wenig Interesse am weichgespülten Talk von Günther Jauch oder der geringen Natürlichkeit einer Sandra Maischberger besteht. Die Vermittlung von Inhalten bleibt bei dröger Präsentation selbstredend auf der Strecke. Ein Polit-Talk mit Power, Energie und (hoffentlich) ohne Phrasendrescherei ist eine logische Alternative zu gängigen Formaten. Oder wie Stefan Raab es im Interview mit dem Spiegel ausgedrückt hat: “Während die anderen Talks alles völlig ergebnislos vor sich hin diskutieren, wissen Sie bei uns am Ende künftig wenigstens, welche Meinung die Masse der Zuschauer hat.” Da kann dem Kölner nur schwerlich widersprochen werden.

Streitbar & erfolgreich
Dass Stefan Raab sich in seiner Karriere nur selten als Homo Politicus präsentiert hat, steht zwar außer Frage, ist aber auch nicht von Belang. Kritik könnte vielmehr sein meist barsches Verhalten und sein von vielen Personen als grenzwertig angesehener Humor heraufbeschwören. Damit würde Stefan Raab als Person aber Unrecht getan, denn er ist mehr als die Summe seiner TV-Total-Verfehlungen. Mit Schlag den Raab hat er die gute alte Samstagabendunterhaltung wieder hoffähig gemacht und dabei auch bewiesen, dass er ein vielseitig interessierter und begabter Mensch ist. Doch vor allen Dingen hat er eines, nämlich ein Gespür für Shows, die die Zuschauer ansprechen. Kein Aas braucht eine Autoball WM, aber die Quoten sind stets prächtig. Es gilt anzunehmen, dass auch Absolute Mehrheit – Meinung muss sich wieder lohnen Erfolg haben wird. In diesem Fall jedoch unter Umständen mit nachhaltig positiven Auswirkungen – wenn auch nicht zwingend für Stefan Raab selber. Er hat vermutlich ebenso viele Sympathisanten wie Gegner. Diejenigen, die ihn ablehnen, tun dies mit jedem Recht, denn er polarisiert eben stark. Die Idee, mit einer auf ein junges Publikum zugeschnittenen Polit-Show die Meinungsbildung zu forcieren und das Interesse an politischer Partizipation zu wecken, hat trotz seiner streitbaren Persönlichkeit allerdings ein Lob verdient. Ob sein Image sich dadurch dann verbessert, wird Stefan Raab egal sein. Diese Chuzpe kann einer solchen Show nur zuträglich sein.

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