Totale Vernetzung und leider total unterschätzt

29.04.2014 - 00:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Die Filmanalyse zu Transcendence
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Die Filmanalyse zu Transcendence
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Transcendence ist kein Meisterwerk, aber auch kein schlechter Film. Es gab dieses Jahr weitaus schlechtere Filme, die bessere Kritik bekommen haben. Da fragt sich der Analytiker: “Warum?”

Der hervorragende Kameramann Wally Pfister hat nun mit Transcendence seinen ersten Kinofilm als Regisseur gedreht und wird dafür von der Kritik und vom Publikum gerügt. Schaut man sich den Film allen Unkenrufen zum Trotz an, muss man doch mit großer Verwunderung auf diese einseitige Rezeption blicken, denn Transcendence ist zwar kein Meisterwerk, doch es ist ein guter und wichtiger Film, der sich nicht feige vor den brennenden Fragen unserer Gegenwart duckt. Im Gegenteil: Wally Pfister legt den Finger in die offene Wunde. Er reißt das Pflaster ab, das von den vielen beschwichtigenden Fortschrittsgläubigen immer wieder notdürftig angebracht wird.

Was heißt es, wenn ein Transhumanist und Futurist wie Ray Kurzweil nun als „Director of Engineering“ bei Google angestellt ist? Was bedeutet es, wenn Vertreter des Silicon Valley sich auf hoher See eigene rechtsfreie und demokratiefeindliche Staaten bauen? Wie wird der Mensch der Zukunft aussehen und wird er dann überhaupt noch Mensch sein? Wally Pfister geht mit Verve an diese Frage, die er freilich nicht endgültig beantworten kann. Doch an den Punkten, an denen man filmkritisch betrachtet, von Logikfehlern, Inkohärenz und Plattheit sprechen würde, ist er vielleicht besonders wahrhaftig.

Transcendence ist genau dann ein guter Film, wenn er nach filmkritischen Maßstäben ein schlechter ist. Wir leben in einer Zeit, in der die Wirklichkeit nur noch einen Schritt von der Science-Fiction entfernt liegt. Transcendence hat seine Schwächen wohl deshalb, weil er einfach zu nah dran ist. Das liegt jedoch keineswegs an der Schwäche des Plots, sondern daran, dass man der digitalen Vernetzung einfach nicht mehr distanziert begegnen kann. Bei diesem Sujet ist ein gewisser Abstand, den eine gute Erzählung braucht, unmöglich, eben weil die Macht des Digitalen überall ist. Johnny Depp jedenfalls erweist sich als Idealbesetzung, fungiert er doch lange schon nur noch als das omnipräsente Antlitz eines Starsystems, das nicht mehr an schauspielerische Leistungen gekoppelt ist. Ihn sterben und virtuell auferstehen zu lassen, ist daher nur konsequent.

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