Wir sollten unendlich viele Serien schauen

25.06.2016 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Schafft Bedürfnisse: Don Draper in Mad Men
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Die TV-Sender probierten in der Seriensaison 2015/16 wieder viel aus. Wer alles sehen wollte, hatte gut zu tun. So wagemutig wie früher sind die Sender aber nicht mehr. Ihre Strategie gleicht eher einem Trial and Error-System, in dem allmählich die Treffer fehlen.

Ich rechtfertige mich nicht gerne für meinen ausufernden Serienkonsum, ich nehme halt mit, was ich so kriege. Als ich jedoch unlängst mit meiner Mitbewohnerin nach einer Serie suchte, die wir gemeinsam schauen könnten und ich alles, was uns beide interessieren würde, entweder schon durchgesehen, irgendwann mal angefangen hatte oder gerade noch anschaue, bin ich dann doch in mich gegangen. Die Anzahl aller Serien, die ich aktuell schaue oder die ich irgendwann in den letzten zwölf Monaten mal begonnen hatte zu schauen, ist geradezu beschämend. Und vielen von euch geht es ja ähnlich. Die Schwemme neuer interessanter Serien ist überfordernd und verlockend gleichermaßen.

Können wir nun unendlich viele Serien schauen? In den letzten, sagen wir mal, sieben Jahren des Serienaufschwungs waren die amerikanischen TV-Sender, Networks und Streaming-Dienste, die weltweit den Ton angegeben, dahingehend optimistisch. Die eigentlich naheliegende Antwort. Aber dass ein Tag nur 24 Stunden hat, die Menge verfügbarer Zeit begrenzt ist, sich daran wenig rütteln lässt und jeder auch irgendwann mal essen muss, wollte da niemand hören. Nicht die Zeit ist entscheidend sondern der Wille, und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Das Material (verdammt gute Serien) und die Logistik (flexibler Abruf und Flatrates) gaben die Sender uns, den Zuschauern, ja an die Hand und so veränderten sich die Marktstrukturen und die Bedürfnisse des Publikums innerhalb weniger Jahre.

Was macht der Serienüberfluss mit den Serien selbst?

Wir genossen eine Serie nach der anderen, die Sender freuten sich über den florierenden Markt und heute startet ein Pilot nach dem nächsten. Netflix zum Beispiel wird seine Eigenproduktionsrate 2016 wieder einmal erhöhen und die etablierten Networks in den USA denken gar nicht daran, dem in irgendwas nachzustehen. Irgendwann kollidierten Zeit und Serienpensum dann aber doch und das bremste das Wachstum, während der Output gleichblieb oder sogar wuchs. Zwischen 2009 und 2015 verdoppelte sich die Anzahl der US-Serien nahezu von 211 auf 408 . Nur wurden die Serien mit der Zeit immer kürzer.

Wer das alles schauen soll, war bei den herkömmlichen Sendern zunächst gar nicht die primäre Problemstellung. Die Frage war: Wann soll das alles gesendet werden? Günstige Sendeplätze sind schließlich begrenzt. Um mit den Streaming-Diensten Schritt zu halten, die dieses Problem natürlich nicht kennen, haben die Networks ihren Sende-Rhythmus umgestellt. CBS, ABC und NBC werfen jetzt das ganze Jahr über knackige Zehn-Episoder auf den Markt.

Viele kleine Serien

Was in dem aktuellen Model noch am besten funktioniert, sind Anthology-Serien wie American Horror Story, Scream Queens und True Detective, die sich sowieso jedes Jahr rebooten. Was wir als erzählerische Gattung wahrnehmen, kann durchaus auch als Symptom eines zögerlichen Serienmarktes betrachtet werden, der zwar keine langfristigen Verpflichtungen mit einem teuren Cast eingehen will, gleichermaßen aber großes Interesse an stabilen Marken hat. Die Folgen dieser zögerlichen Strategie können wir bereits jetzt erkennen. Es fehlen die neuen Big Player auf dem Serienmarkt.

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