Academy, wandle dich - Regeländerung beim Oscar

31.01.2012 - 08:50 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Die Wahlprozesse beim Oscar waren jüngst einigen Änderungen unterworfen.
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Die Wahlprozesse beim Oscar waren jüngst einigen Änderungen unterworfen.
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Die Academy wählt nicht blind. Manchmal wollen wir das kaum glauben, aber es gibt tatsächlich feste Regeln bei der Auswahl der Oscars. Gerade in der jüngeren Zeit machten diese von sich reden.

Für die Auswahl der Filme gibt es ganz bestimmte Regeln. Gestern sind wir darauf eingegangen, welchen Einfluss die Festivals, Kritikerpreise und Gildenpreise auf die Entscheidungen der Academy haben können. Aber diese Entscheidungen können nicht einfach so getroffen werden. Obwohl es manchmal so aussieht, wählen die Herrschaften von der Academy nicht einfach ins Blaue.

Filme müssen ganz bestimmte Vorgaben erfüllen, um überhaupt beim Oscar berücksichtigt zu werden. Die machen nicht unbedingt auch Sinn und müssen daher des öfteren verbessert werden. Wir haben insbesondere über die jüngeren Regeländerungen nachgedacht.

Wie viele hätten Sie denn gern?
Von Anfang an war nicht immer ganz klar, wie viele Filme, Darsteller, Regisseure und Co. in das Oscar-Rennen eintreten sollen. Waren es 1929 nur 3 Nominierte für den Besten Film, gab es 1931-1932 acht fixe Nominierungen. Das war damals immer noch nicht genug, so dass die Academy die Zahl von 1936 bis 1943 auf ganze zehn Nominierte anhob. Wohl um die Exklusivität der Nominierungen zu bewahren, entscheiden sich die Damen und Herren von der Academy danach für fixe fünf Kandidaten. Doch die Oscars haben heute mehr denn je ein Interesse an einer Verjüngungskur. Vorletztes Jahr sollte diese Kur in Form von zehn Nominierten für den Besten Film kommen, womit zum ersten Mal seit 1943 wieder mehr als fünf Filme auf der Liste standen. Mehr massentaugliche Filme sollten antreten, um Spannung für ein größeres Publikum zu erzeugen. Das hat nicht geklappt, sondern zog im Gegenteil nur Kritik auf die Academy.

Mit der Einführung der 5%-Hürde wurde letztes Jahr endlich ein Kompromiss gefunden, der Puristen und Innovatoren versöhnte. Nur Filme, die auf 5% aller Listen der Jurymitglieder die Bestnote erhalten, können es auch unter die Nominierten schaffen. Auf diese Weise hält sich die Zahl zwischen fünf bis zehn Kandidaten. Dieses Jahr wurden es neun Filme. Vielleicht hätte es auch eine Teilung der Kategorie in Kömodie und Drama getan, wie es im ersten Jahr noch Uses war. Begrenzungen wie die 5%-Hürde sichern aber nicht nur (in gewissen Grenzen) die Qualität, sondern auch die Fairness.

So konnte ein legendärer Soundtrack bis 2008 noch bei der Kategorie Bester Song abräumen. Seit 1935 schafften es immer zwischen zwei und zehn Songs in die Auswahl, gern auch mehrere aus dem selben Film. 2008 wurde Verwünscht dreimal für den Besten Song nominiert, nur um am Ende (verdient) gegen Once zu verlieren. Seit diesem Jahr gibt es also nur noch maximal zwei Song-Nominierungen pro Film. Warum dieses Jahr dann nicht auch Life’s a Happy Song aus Die Muppets mit in der Liste landete, ist mir schleierhaft. Selbstverständlich der Fairness dient auch die Regel, einen Schauspieler/Regisseur nur für ein Werk pro Jahr zu nominieren. Auch das war bis zur vierten Verleihung der Academy Awards keine Selbstverständlichkeit.

Wann? Und Wie?
Ein kaum wahrgenommenes Problem für den Oscar ist tatsächlich eines seiner größten: Der Berücksichtigungszeitraum für die eingereichten Filme. In den ersten Jahren war er großzügig angelegt, mit zwei Jahren Vorlauf für die Filme. Bekanntermaßen ist das schon länger anders: Spielfilme (40 Minuten und länger) müssen vom 1. Januar bis zum 31. Dezember des Vorjahres in Los Angeles County für mehr als sieben Tage kommerziell im Kino gelaufen sein. Puh. Fremdsprachige Filme müssen selbige Kriterien für ihr Heimatland erfüllen, allerdings im Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September und natürlich spielt Los Angeles keine Rolle. The Artist ist eine Ausnahme, wegen seiner Nicht-Sprachigkeit und der Erfüllung der Kriterin zum Besten Film.

Das letzte Jahr war das Jahr der Veränderung, mit dem alte Fehler wiedergutgemacht werden sollten: 1994 wurde die ansonsten von Kritikern gefeierte Dokumentation Hoop Dreams wegen des faulen Regelapparates nicht berücksichtigt. Auch neue Reformen schufen keine Abhilfe, die den Berücksichtigungszeitraum auf ein 1 1/2 Jahre ausdehnen, gleichzeitig aber rigorose Forderungen stellen: Es müssen Werbeanzeigen mit bestimmten Abmessungen in bestimmten Zeitungen geschaltet werden, Rezensionen sollten erscheinen und der Film muss wie die Spielfilme in entsprechenden New Yorker und kalifornischen Kinos laufen. Diese Verschlimmbesserung lässt Fernsehdokumentationen außen vor und verweigert sich der Entwicklung weg vom Kino, hin zum besonders in Amerika beliebten Video-On-Demand (zum Beispiel Netflix), wie auch Kritikerlegende Roger Ebert bemerkt.

Technikscheue Academy?
Die Berücksichtigungszeiträume und die damit zusammenhängende Publikumsermüdung in der Oscar Saison ist seit langer Zeit ein so großes Problem, dass sogar eine Vorverlegung der Oscar-Verleihung in den späten Januar angedacht war. Dann könnten auch die Berücksichtigungszeiträume nach vorn verlegt werden, was es den Zuschauern eher ermöglichen würde, die von den Kritikern gelobten Film auch zu sehen. Der Vorschlag wurde zurückgewiesen, da die Academy-Mitglieder wegen des kürzeren Zeitraums die Filme auf ihren Computern streamen müssten. Ein Unding. Auch Maßnahmen, um den Kampagnenwahnsinn der Verleihe einzudämmen, wurden bereits unternommen. So dürfen sich Academy-Mitglieder nach den Nominierungen nicht mehr auf Partys oder Ehrenveranstaltungen begeben, die sie beeinflussen könnten.

Das heutige System musste sich erst über die Jahre entwickeln und verfeinern. Dabei gab es gute, aber auch schlechte Änderungen. Letztes Jahr gesellte sich zum Beispiel der Animationsfilm endgültig zu den 24 Kategorien beim Oscar. Ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Die Academy muss noch viel Zeit investieren, bis ihre Wahlprozesse allgemein Akzeptanz finden und dem Geist der Zeit entsprechen.

Denkt ihr, die Academy bessert sich so langsam? Oder handelt es sich bei allen Regeländerungen eher um Verschlimmerungen?

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