Als Netflix als Streaming-Dienst noch in den Kinderschuhen steckte, veröffentlichte die Plattform eine ihrer ersten und besten Eigenproduktionen. Diese Woche jährt sich ihr Start bereits zum zehnten Mal ‒ und bleibt bis heute unvergessen. Die Rede ist von BoJack Horseman.
Die Animationsserie um den in die Jahre gekommenen Sitcom-Star BoJack, der unter den Schattenseiten des Ruhms in Hollywood leidet, sorgte in sechs Staffeln für jede Menge absurd-komische, melancholisch-kluge und erschütternde Momente. Ein ganz besonders denkwürdiger findet in der Folge Kostenloser Churro in Staffel 5 statt, an die ich noch heute oft zurückdenke.
BoJack Horseman-Folge Kostenloser Churro ist auf Netflix bis heute unvergessen
Ein anthropomorphes Pferd hält über 20 Minuten lang eine Grabrede und viel mehr passiert auf visueller Ebene nicht. Dieses Konzept für eine Serienfolge ‒ vor allem eine Animationsserienfolge ‒ klingt erstmal vollkommen absurd, wenn nicht sogar vollkommen langweilig. Denn Animationsserien leben doch von genau dem, was ihr Genre verspricht: der Animation, die mit Formen, Farben und visueller Eindrücklichkeit aufwartet und damit die Grenzen unserer Welten sprengt.
Dass wir in der Folge Kostenloser Churro minutenlang BoJack in der Totale, Groß- oder Nahaufnahme vor dem vermeintlichen Sarg seiner Mutter nahezu stillstehend sehen und seinen Erzählungen wie bei einem Comedy-Special oder gar Podcast lauschen, sprengt ganz andere Grenzen: die der Erwartung, die BoJack Horseman über sechs Staffeln hinweg regelmäßig untergraben hat.
Denn auch wenn nichts an dieser gewagten Entscheidung funktionieren sollte, ist die Folge genau aus diesem Grund einfach nur großartig. Mit simpler Bildgestaltung liegt der Fokus hier nicht nur auf dem, was wir sehen, sondern vor allem auf dem, was wir hören. BoJack Horseman wirft die alte Filmemacher:innen-Regel "show, don't tell" einfach mal komplett über den Haufen und schafft es auf nahezu rein auditiver Ebene vollkommen ins Schwarze zu treffen.
Zu großen Teilen ist das der Kunst des Stimmschauspiels von Will Arnett (Arrested Development) geschuldet, der BoJack im englischen Original seine Stimme leiht. Zwischen komödiantischen Höhen und tragischen Tiefen leitet er die Zuschauenden gekonnt durch die Folge. Der wahre Star ist jedoch das Drehbuch von Raphael Bob-Waksberg, das hinter Arnetts Stimme mit emotionalem Tiefgang seine volle Wucht entfaltet.
Von einem Pferd zum nächsten
Die Folge gliedert sich in die Serie wie ein Höhepunkt ein, auf den sie über viele Episoden und Staffeln hinweg zusteuert: der Tod von BoJacks Mutter, die wir vor allem aus Erzählungen und Flashbacks kennen und die dem gefallenen Hollywood-Star seit seiner Kindheit das Leben schwer gemacht hat. Welchen Einfluss das auf BoJacks Leben nahm und welche Wünsche er in dieser verschrobenen Mutter-Sohn-Beziehung über 50 Jahre mit sich trug, lässt das anthropomorphe Pferd an dieser Stelle endlich raus.
Hier findet einerseits ein tragikomischer Befreiungsschlag statt, wenn BoJack von der letzten Begegnung mit seiner Mutter erzählt, die ihn endlich das hat hören lassen, was er sich immer erhofft hat ‒ nur um wenig später zu einer schrecklichen Erkenntnis zu gelangen. Andererseits wird ein Kreislauf offenbart, der vom Beginn und Ende der Folge gerahmt wird, und ein generationsübergreifendes Trauma deutlich macht, das BoJack lebt und weiterleben wird.
Kein Wunder also, dass die Folge nicht nur für einen Emmy nominiert wurde, sondern bei IMDb eine Wertung von 9,8 von 10 Punkten trägt und damit zu einer der bestbewerteteten Serienfolgen aller Zeiten zählt.
Dass Monologe nicht nur bei Shakespeare und auf Theaterbühnen funktionieren, sondern auch in Serienformaten ‒ egal, ob animiert oder nicht ‒ und darin sogar begeistern, hat BoJack Horseman eindrücklich bewiesen. Und lässt mich auch heute noch an die Folge zurückdenken, wenn ich in anderen Serien einen ähnlichen Aufbau bemerke (looking at you, The Bear: King of the Kitchen und Rentierbaby).
Wenn ihr jetzt neugierig geworden seid, kann ich euch die Folge Kostenloser Churro nur wärmstens ans Herz legen. Damit die Folge jedoch ihre volle Wirkung entfalten kann, solltet ihr euch die vorherigen 54 zuerst anschauen. Alle sechs Staffeln von Bojack Horseman streamen auf Netflix.