Gestern war es zu spät für einen Artikel und heute morgen zu früh. Deshalb jetzt erst mein Wort zum Sonntag. Vier Filme standen auf dem Programm. Dabei zwei aus der Sektion Generation. Was einst als Kinderfilmfest begann heißt schon seit einigen Jahren Generation. Dabei ist vor allem die Sparte der Filme 14+ zu erwähnen. Hier kann man die Filme in Originalfassung genießen, ohne den für kleinere Menschen erforderlichen eingesprochenen deutschen Text. Gleichzeitig sticht die Sektion dadurch hervor, dass die ausgewählten Filme vor allem Geschichten erzählen. Das filmische Experiment sucht man hier meist vergeblich. Dies machte die Reihe für alle zum Muss, die es lieben, wenn eine Geschichte ohne viel Firlefanz geradeaus filmisch erzählt wird. Heute wurde dies wieder eindrucksvoll durch die beiden Filme 14+ aus Russland und Flocking aus Schweden bewiesen.
Bei 14+ aus Russland hatte ich einen Film erwartet, der mich in die hoffnungslose Welt der Plattenbausiedlungen einer russischen Großtadt führt und depressiv aus dem Kino entlässt. Stattdessen erlebte ich von der ersten Sequenz an einen locker-leichten ironischen Blick auf die heutige russische Jugend. Romeo und Julia im Plattenbau. Ein äußerst begabter junger Hauptdarsteller und zahlreiche ebenso großartig geschrieben wie gespielte Episoden sorgten für ein erstes Vergnügen auf einer sonst mit schweren Problemen beladenen Berlinale. Die Darstellerin der Mutter der Hauptfigur besorgte den ersten schauspielerischen Höhepunkt dieses Jahrganges. Laut imdb war es ihre erste Filmrolle überhaupt. In welchem Theater spielt dieses Juwel?
Schwerer wurde es mit dem schwedischen Beitrag Flocking. Eine Vergewaltigung in einer schwedischen Kleinstadt, wo jeder jeden kennt, sorgt für die Ausgrenzung des Opfers und seiner Familie. Dunkel wie so viele skandinavische Krimis und ebenso intensiv. Absolut sehenswert.
Der zweite Tag begann jedoch mit einer Enttäuschung. Ich hätte es besser wissen können und weiß auch nicht mehr, warum ich mich entschlossen habe, Diary of a Chambermaid anzuschauen. Warum wurde dieses Buch nun schon zum dritten Mal verfilmt? Der Film wusste darüber keine Auskunft zu geben. Luis Buñuel hatte dazu formale Antworten, Benoît Jacquot dagegen nur Kostümschwulst. Die Charaktäre zeichnete er holzschnittartig und für die antisemitische Figur, die Vincent Lindon spielte, fehlte die künstlerische Potenz, um die Figur für den gesamten Film ins "rechte" Licht zu rücken. Da wurde der Film dann sogar geschmacklos. Ein überflüssiger, belangloser Fernsehfilm. Ärgerlich.
Der Wettbewerb entführte mich dann wenigstens noch in die Mayawelt von Ixcanul. Dies war wieder einmal ein Film, der zeigte, warum ich jedes Jahr zur Berlinale laufe. Nur hier kann man in 10 Tagen um die Welt. Und zu den Mayas nach Guatemala komme ich mit dem Budget für meine Berlinale eher nicht.