Warum Interstellar mein Herz höher schlagen lässt

13.11.2014 - 10:00 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Eine Reise ins Ungewisse - Interstellar
Warner Bros.
Eine Reise ins Ungewisse - Interstellar
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Interstellar kam, sah und siegte. Zumindest mein Herz hat der Weltraum-Epos im Sturm erobert, was dafür sorgt, dass sich andere Genre-Vertreter in Zukunft an Nolans Werk messen müssen. Ein Erlebnisbericht aus einer Nacht, in der ich wahrlich Teil einer dystopischen Welt wurde.

Der Wind wehte mir als steife Brise um die kalten Ohren und die dunkle Nacht war bereits hereingebrochen, als ich gegen 23 Uhr ungeduldig vor dem Sony Center in Berlin wartete. Der filminspektor war einmal mehr zu spät und das ausgerechnet an dem Tag, auf den ich bereits seit zwei langen Jahren gespannt wartete. Gedankenverloren hoffte ich ein letztes Mal, dass mich Christopher Nolan heute nicht doch enttäuschen wird. Zu groß war die Vorfreude und der Hype, den ich selbst noch künstlich aufgebauscht hatte, indem ich beinahe täglich den dritten Trailer zu Interstellar verschlang. Bevor ich allerdings meinen Gedanken vollenden konnte, stapfte Luis um die Ecke und es konnte losgehen. Noch wusste ich nicht, welch turbulente Reise mich in den nächsten drei Stunden erwarten wird.

Von großen Leinwänden und verdorrten Feldern
Die Kinokarte war gelöst, das Popcorn in der Tüte und die Vorfreude inzwischen unermesslich. Ich war so bereit wie nie als ich die Pforte ins sagenumwobene IMAX durchschritt und das hochmoderne Kino betrat, welches nicht mit seinen Reizen geizte und gleich zu Beginn ordentlich die Muskeln spielen ließ, indem eine kräftige Stimme, aus den lauten Boxen, die beeindruckenden Maße der Leinwand aus allen Ecken des Kinos wiederholte und bei dieser Gelegenheit auch die geniale Klangkulisse demonstrierte. Knapp 500 qm Projektionsfläche. Ich war schwer beeindruckt, als das Warner Bros-Logo erhaben auf dem schimmernden Stoff prangte und der Streifen endlich begann - doch die Zweifel blieben.

Ohne Vorwarnung warf mich Interstellar in den ersten Akt und offenbarte mir eine düstere Realität. Die Welt war von einer globalen Hungersnot gebeutelt, die Zivilisation wie wir sie kennen verschwunden und der Fortschritt in Vergessenheit geraten. Dabei ist die Flucht nach vorne, das immerwährende Streben nach mehr, doch genau das, was die Menschheit über Jahrhunderte hinweg ausmachte. Doch unsere unstillbare Gier und die rücksichtslose Ausbeutung des einst blauen Planeten führte schlussendlich dazu, dass wir nur noch schneller das Ende der brüchigen Fahnenstange erreichten und nun unsere gesamte Existenz vor einem unüberwindbaren Abgrund stand. Überwältigt von der plötzlichen Schwäche drehte sich das Machtgefüge und die Natur gewann erneut die Oberhand. Der parasitäre Mensch war nicht mehr die taktangebende Offensive, sondern verweilte im defensiven Stillstand. Die Mächtigen der Welt hielten derweil ihre Länder notdürftig am Leben, indem jegliche Ressourcen zum Anbau von Mais genutzt werden. Einem der letzten Überlebenden einer dem todgeweihten Fauna.

Dabei stellt Christopher Nolan diese schreckliche Wahrheit erschreckend nüchtern da. Es gibt keinen Präsident, der über einen flimmernden Fernseher eifrig Durchhalteparolen ausspricht und auch keinen dramatischen Höhepunkt, der dem Zuschauer auf banale Art und Weise zeigen soll, wie furchtbar diese Welt doch ist. Nein, die Gewissheit des unausweichlichen Niedergangs ist einfach da und braucht sich nicht unangenehm in den Vordergrund zu drängen. Dieser clevere Kniff verlieh der scheinbar ausweglosen Situation eine solche Authentizität, dass die im Inneren brodelnde Verzweiflung gerade deswegen beinahe greifbar war. Die verstaubten Bilder, die so fern und doch so nahe am echten Leben wirkten vereinnahmten mich von der ersten Sekunde an. In Zeiten, in welchen die Weltbevölkerungsuhr  die 7-Milliarden-Marke schon lange geknackt hat und jeden Tag über 200.000 weitere Menschen hinzukommen ist es nicht schwer, sich einen derartigen Kollaps vorzustellen.

Ein Blockbuster wie ihn nur Nolan schaffen konnte
Gleich zu Beginn flutete Christopher Nolan meinen Kopf mit derartig imposanten Bildern und tiefgreifenden Problemen, dass ich der seltsamen geisterhaften Erscheinung hinter Murphys Schrank zunächst keine größere Bedeutung zuordnete und vielmehr damit beschäftigt war, dass bereits erlebte irgendwie zu verarbeiten. Spätestens als Cooper deprimiert gestand, dass wir einst in den Himmel sahen und uns fragten, wo unser Platz in den Sternen ist und wir uns heute nur noch um den Platz hier unten im Dreck sorgten, nur um wenig später mit einem verheißungsvollen Countdown einen genialen Schnitt anzukündigen, war die übernatürliche Gestalt vorerst wieder vergessen. Der Start in den zweiten Akt und in ein Kinoerlebnis, welches ich so schnell nicht vergessen werde.

Mehr kann und möchte ich auch nicht verraten. Zu monumental ist das Folgende. Nur so viel, spätestens als die Crew der Endurance (dt. Ausdauer) in den dunklen, unendlichen Weiten angekommen war, wurde mir klar, dass nicht Steven Spielberg, sondern Nolan, der perfekte Mann für den Job war. Die kühle Inszenierung, welche dem Briten häufig vorgeworfen wird, passte perfekt zu der sterilen und leblosen Atmosphäre im All. Auch seinen Hang zum Perfektionismus stellt der Regisseur gleich mehrmals unter Beweis, was seinen Höhepunkt in einem dramatischen Andock-Manöver findet. Während die Raumstation in schwindelerregender Geschwindigkeit unkontrolliert rotierte, versuchte der tollkühne Pilot Cooper trotz aller Widrigkeiten anzudocken, indem er sein Schiff ebenfalls in eine rasante Drehung versetzte. Als die beiden freischwebenden Objekt sich schlussendlich simultan bewegten, schienen sie eine perfekte Einheit zu bilden, während die zahlreichen Sterne im Hintergrund weiter wild kreisten.

Begleitet von einem orchestralen Soundtrack - der zu Hans Zimmers besten Arbeiten gehört - wurde diese Szene zu einem absoluten Gänsehaut-Moment. Gekürt wird diese Leistung von einem Schauspiel-Ensemble, welches über weite Strecken eine beeindruckende Leistung vollbringt. Allen voran Matthew McConaughey und Jessica Chastain schaffen es als gespaltenes Vater-Tochter-Duo, die stellenweise triefend kitschige Story zu jeder Zeit glaubhaft in den Kinosaal zu transportieren. All diese einzelnen Elemente münden in einem buchstäblich traumhaft in Szene gesetzten Finale, welches uns mahnend daran erinnert, dass es in diesem Universum noch vieles gibt, was wir mit unserem eingeschränkten Verstand noch lange nicht verstehen werden. Interstellar ist ein abenteuerlicher Trip, welcher die Grenzen unseres Verstandes weit hinter sich lässt und den Schritt in das scheinbar Unmögliche wagt. Eine fantastische Erinnerung daran, dass es noch viele Geheimnisse für uns zu entdecken gibt und der Beweis dafür, dass es noch Blockbuster-Kino mit Anspruch gibt.

Ich bin zurück aus dem All, direkt in dem ledernen Kinosessel, von dem ich meine Reise aus antrat. Es ist kurz nach 3 Uhr, als der Abspann über die riesige Leinwand läuft. Ein stilles Schweigen liegt im Raum. Wirklich jeder scheint das Gesehene erst einmal verarbeiten zu müssen. Ein Gefühl, das mich auch in den darauf folgenden Tagen nicht verließ. Alle Zweifel waren verschwunden, denn mehr konnte ich von Interstellar nicht erwarten.

Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light.

Was haltet ihr von Christopher Nolans Interstellar?

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