Better Call Saul - Im Auftakt der 4. Staffel herrschen Schuld und Paranoia

08.08.2018 - 09:05 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Better Call SaulAMC
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Ein gutes Jahr ist vergangen, seitdem Better Call Saul über die Bildschirme flimmerte. Mit Smoke bekommen wir nun endlich den Auftakt der 4. Staffel zu Gesicht.

Nach dem dritten Staffelfinale von Better Call Saul hat es im wörtlichen wie im übertragenen Sinne lichterloh gebrannt: Jimmy sabotiert die Karriere seines Bruders Chuck, der wiederum sein Haus anzündet und stirbt; Kim gerät in einen Autounfall; Nacho plant, Hector Salamanca zu töten. Der von Minkie Spiro inszenierte Auftakt von Staffel 4, Smoke, schließt nahtlos an diese Ereignisse an, als hätten wir nicht über ein Jahr auf ihn warten müssen, und zieht einen weiteren logischen Kreis in der Endlosspirale moralischer Talfahrten: Die Brände mögen verglimmt sein, doch der Rauch steht über den Verantwortlichen. Ihr Tatendrang weicht hysterischen Versuchen, die eigenen Spuren zu verwischen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, den Gestank des Qualms von sich zu streifen. Und am Ende lässt er sich vielleicht einfach jemand anderem anhaften.

Ein Lüftchen Paranoia im Auftakt der 4. Staffel von Better Call Saul

Es weht ein Lüftchen Paranoia durch Smoke, der niemandem so zu Schaffen macht wie Jimmys nunmehr zweitem Alter Ego Gene Takavic. Mit der Vergangenheit als Saul Goodman im Rücken ist sein größtes Problem nicht etwa ein lebensgefährlicher Herzanfall, sondern eine Rezeptionistin, die nach Führerschein und Sozialversicherungsnummer fragt, von einem dauerstarrenden Taxifahrer mit Albuquerque Isotopes-Duftbaum ganz zu schweigen. Bob Odenkirk entfaltet dabei in seinen zögerlichen Bewegungen, seinem beschämten Zubodenschauen und seinen zittrigen Anfällen panischer Nervosität die ganze Tragik dieser Post-Saul Goodman-Figur. Sie versucht gar nicht mehr, dem Schicksal als gewiefter Kontrahent entgegenzutreten. Sie steht mitten in den Rauchschwaden und verkriecht sich, wo es nur geht, um keinen Erstickungstod zu erleiden.

Nacho und Mike nähern sich dem Breaking Bad-Territorium

In der farbigen Gegenwart dann alles ganz anders: Hier ist es vor allem Nacho (Michael Mando), der seinen Anschlag auf Hector Salamanca (Mark Margolis) vertuschen muss und dabei natürlich sofort auf dem Radar von Gus (Giancarlo Esposito) landet. Nacho kann die falschen Pillen nicht rechtzeitig loswerden, versenkt sie stattdessen später im Fluss, als er schon unter der Beobachtung von Victor (Jeremiah Bitsui) steht. Für Breaking Bad-Kenner und Freunde von Nacho ist dieser gesamte Handlungsstrang voller besorgniserregender Vorahnungen: Sowohl Victor als auch Salamanca-Partner Juan Bolsa (Javier Grajeda) werden später von Gus ermordet, Nachos Schicksal hingegen liegt für uns noch im Verborgenen. Es ist nur schwer vorstellbar, dass er dem Krieg und dem Chaos, beides von Gus gegenüber Bolsa prognostiziert, unversehrt entrinnen kann. Wir wissen nur, dass er in der Welt von Breaking Bad keinen Platz finden wird.

Ebenfalls involviert und sich dem Breaking Bad-Territorium nähernd: Mike (Jonathan Banks). Im unterhaltsamsten Teil der Episode nimmt er seine temporäre Arbeitgeberin Lydia beim Wort und legt in klassischer Mike-Manier die Sicherheitsdefizite der Madrigal Company offen. Was genau sein Plan ist, bleibt unklar. Er hätte genauso gut einfach das Geld nehmen und die Füße still halten können. Da wird wohl kaum nur ein tüchtiger Berufsethos hinterstecken, der ihn dazu zwingt, wirklich als Sicherheitsberater aufzutreten, wenn er offiziell als solcher eingestellt wurde.

Jimmy findet einen Weg, sich von seiner Schuld zu befreien

Genau wie Nacho muss auch Jimmy eine Schuld loswerden - oder sie zumindest unsichtbar machen, die Schuld, den eigenen Bruder in den Tod getrieben zu haben. Dass er einen direkten Einfluss darauf hatte, dämmert ihm schon bei der Besichtigung des niedergebrannten Hauses: Alle Elektrogeräte wurden vor dem Brand in den Garten gebracht. "Something must've happened. Somehting made him relapse", sagt er gegenüber Kim (Rhea Seehorn), im Hinterkopf mit Sicherheit seinen Besuch bei der Berufsversicherung und das Anschwärzen seines Bruders. Von da an fällt er in einen regelrechten Schockzustand, den kein Tequila-Rausch niederringen kann und der es ihm ebenso unmöglich macht, Chucks lange Liste an Lebenserfolgen anzuhören, wie auch nur eine einzige Träne auf dessen Beerdigung zu vergießen.

Zu keinem Zeitpunkt aber - und hier unterscheidet sich Jimmy gravierend von seiner zukünftigen Version in Omaha - wirft das Schuldbewusstsein ihn in ein lähmendes Loch der Untätigkeit. Die Schuld lässt ihn arbeiten. In seinen hellwachen Blicken vor der Tequila-Flasche, am Telefonhörer und in der Kirche liegt nicht etwa die existentielle Ausweglosigkeit, die in solch einer Situation zu erwarten wäre. Stattdessen wühlen seine Gedanke sichtbar nach Plänen dafür, wie es jetzt weitergehen soll. Für die schlussendliche Lösung muss er sich nicht einmal anstrengen, sie wird einfach zu ihm getragen: Howard (Patrick Fabian) schiebt die Schuld für Chucks Tod auf sich und Jimmy zögert nicht eine Sekunde, ihm diese Schuld zu lassen. Hier ist er noch davon überzeugt, sich von ihr ganz einfach befreien zu können. Die Schuld liegt da, wo der Rauch zu sehen ist, und der schwebt für alle gut sichtbar über Howard. Erst viele Jahre später, auf der Rückbank eines unheimlichen Taxis in Omaha, wird er verstanden haben, wie sehr er sich getäuscht hat.

"Well Howard, I guess that's your cross to bear."

Notizen am Rande zur 1. Folge der 4. Staffel von Better Call Saul:

  • Jimmys gut gelauntes Pfeifen am Ende und Kims irritierter Blick dazu spiegelt eine Szene aus Breaking Bad: Nach dem Tod des Jungen Drew Sharp pfeift Walter im Labor fröhlich vor sich hin, ganz zur Verstörung von Jesse .
  • Apropos Walter White: Berry, der Madrigal-Mitarbeiter, dessen Identität Mike annimmt, sieht Walter aus der Distanz ziemlich ähnlich. Sein Nachname "Hedberg" ist zufällig auch nur einen Steinwurf von "Heisenberg" entfernt.
  • Bei allem Respekt für Mike und seine Autorität, aber niemals im Leben würde Muhammad Ali einen Straßenkampf gegen Bruce Lee gewinnen.

Was haltet ihr vom 4. Staffelauftakt von Better Call Saul?

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