Better Call Saul - Wir schauen Staffel 2, Folge 2

23.02.2016 - 10:10 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
CobblerAMC
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Der neu gewonnene Status als erfolgreicher Anwalt kann natürlich nichts daran ändern, dass Jimmy sich immer noch zur Kriminalität hingezogen fühlt. Lest, was das in Folge 2 der 2. Staffel von Better Call Saul für Auswirkungen hat.

Jimmy will's wissen. Letzte Woche war es nur ein kleiner Schalter, den er trotz eindeutiger Warnung umgelegt hat, woraufhin ganz einfach gar nichts passiert ist. Ein zutiefst beruhigendes Gefühl: etwas Verbotenes tun, die Regeln missachten, eine kleine Grenze überschreiten, keine Konsequenzen fürchten müssen. Diese Woche zeigt uns Better Call Saul mit Cobbler, wie sehr Jimmy (Bob Odenkirk) nicht nur Gefallen an dieser kleinen Missachtungen der Legalität findet, sondern auch, dass ihm potentielle Konsequenzen weder Angst einjagen noch überhaupt von nennenswerter Bedeutung sind.

Es kam, wie es kommen musste. Wormalds (Mark Proksch) Überzeugung, sich bezüglich des Einbruchs an die Polizei wenden zu dürfen ("Just because I occasionally sell some pharmaceuticals I no longer have a right to protection from crime?") entpuppte sich als überaus schlechte Idee und sorgte kurzerhand dafür, dass seine Karriere als Drogendealer vorerst ihr Ende gefunden hat, zumindest möchten Mike (Jonathan Banks) und Nacho (Michael Mando) nicht länger mit ihm Geschäfte machen. Dass die Polizei ihm nicht länger auf den Fersen ist, hat er jedoch Jimmy zu verdanken, der in ganz klassischer Manier seine Fähigkeiten als obskurster Märchenonkel der Rechtswelt an den Tag legt und Wormald aus der Affäre lügt. Das Einzige, was er dafür tun muss: ein kleines Video drehen.

Das wiederum bedeutet, dass Jimmy Beweise fälschen muss, was ihm natürlich erstaunlich leicht fällt. Das Ausmaß dieser Leichtigkeit demonstriert eindrucksvoll, dass die Kriminalität so tief in Jimmy verankert ist, dass sie ganz von selbst funktioniert und keine weitere Reflexion benötigt. Es ist nicht nur so, dass er keinen Moment innehält, um darüber nachzudenken, dass er gerade die Grenzen des Gesetzes überschreitet und ihn das seinen Job kosten könnte; ein Job, der ihm gerade scheinbar alles beschert hat, wonach er sich schon immer gesehnt hat. Im anschließenden Gespräch mit Kim (Rhea Seehorn) plaudert er über die Beweisfälschung, als sei ihm gar nicht bewusst, dass es sich um eine Straftat handelt und das auch noch, obwohl er ganz genau weiß, dass Kim von solchem Vorgehen überhaupt nichts halten würde."Mmmmh, I think you're splitting hairs" ist zunächst seine einzige Reaktion auf ihre Entrüstung. Ihrem späteren Nachfragen kann er dann überhaupt nichts mehr entgegnen. "For what, Jimmy? What is the point?", will sie wissen. Ja, warum eigentlich?

Dass Better Call Saul sich so sehr für diese Frage interessiert, ist einer der Gründe, warum sie sich von der Mutterserie gelöst hat und schon lange als völlig eigenständiges Werk funktioniert, das bis zum Ende ihrer Laufzeit zweifellos den Spin-off-Status abgelegt haben wird. Sie gibt sich nicht mit einer fandienstleistenden Aufzählung von Ereignissen zufrieden, die uns bestenfalls zeigen könnten, wie Jimmy McGill zu Saul Goodman geworden ist. Die eigentlich spannende, menschliche Frage, also die nach dem warum, könnte dabei völlig unbeantwortet bleiben, doch den Fehler machen Vince Gilligan, Peter Gould und ihr Autorenteam nicht. Sie umkreisen und erforschen jeden Einfluss, der bei Jimmys Entscheidungen eine Rolle spielt und lassen sich genug Zeit, um diesen Einflüssen ihr angemessenes Gewicht zu verleihen. In Cobbler wird die Motivation für die Annahme von Mikes Anliegen in einen direkten kausalen Zusammenhang mit dem Auftreten von Chuck (Michael McKean) gesetzt. Jimmy ist sichtlich genervt davon, dass sein Bruder wieder Präsenz in seinem Leben zeigt, weil er ganz genau weiß, dass er ihn niemals ernst nehmen wird und er, wie Kims Kaffeebecher ihn noch eine Weile erinnern wird, höchstens der zweitbeste Anwalt der Welt sein kann. Das Telefon klingelt, Mike ist dran. "Where and when?" Mehr will Jimmy gar nicht wissen. Es hat sich genug Frust angestaut, um sich der süßen Verlockung der Kriminalität für einen Moment hinzugeben.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Zwar mag Chuck der ausschlaggebende Punkt für Jimmys Entscheidung gewesen sein, doch im Grunde drängen sich durch seine Person nur dieselben existentiellen Fragen auf, mit denen Jimmy sich schon immer herumquälen musste und deren Aufkommen in dieser Episode so gekonnt vorbereitet wurden: Ist die ehrliche Arbeit für eine große Anwaltskanzlei wirklich das, was er haben will? Ist es nicht, das wissen wir bereits, und zwar ganz einfach aus dem Grund, weil es kein Teil von Jimmys Identität ist. Er mag in einem Luxus-Benz sitzen, doch er wird trotzdem einfach über den Bordstein heizen. Er mag genau die Leute beeindruckt haben, die er sein ganzes Leben lang beeindrucken wollte und dann doch feststellen, dass er das eigentlich gar nicht wollte. Denn, das dürfte Jimmy so langsam dämmern, er wird sich auch an seinem Cocobolo-Tisch als Fremdkörper fühlen. Die großen Anwälte, so scheint es, spielen Klavier und Gitarre, um sich zu entspannen. Jimmy hat schon vor langer Zeit festgestellt, "that there were easier ways to get girls."

Dieser Kampf um die eigene Identität ist es auch, der Kim so gefährlich für Jimmy und seine Zukunft macht. Sie spielt eine derart wichtige Rolle in seinem Leben, dass sie eigentlich eine Person sein sollte, vor der er sich zur Abwechslung mal nicht verstellen muss. Vor ihr sollte er eigentlich der Mensch sein können, der er glaubt, zu sein, doch der finale Dialog deutet eher darauf hin, dass das nicht mehr gegeben sein wird. Es scheint, als wolle sie über dieses eine Mal seiner kriminellen Tätigkeiten hinwegsehen, doch sie stellt auch klar: "I cannot hear about this sort of thing. Ever again, okay?" Und auch er macht ihr unmissverständlich klar, dass das nicht passieren wird. Was natürlich nicht heißt, dass er vorhat, damit aufzuhören. Aber wenn er jetzt auch noch Kim etwas vorgaukeln muss - warum dann überhaupt noch das Leben in dieser Form weiterführen?

"This must be what heaven looks like."

Notizen am Rande:

- Heißt das jetzt eigentlich, dass wir Mark Proksch als Daniel Wormald nicht mehr wiedersehen? Irgendwie traurig.

- Mikes Reaktionen auf die Fragen seiner Gesprächspartner sind unbezahlbar. Sowohl Wormald ("Really? Is that something you do?") als auch Nacho ("How did you find me?") bekommen nicht mehr als ungläubiges Schnauben und Kopfschütteln, als wäre es nicht offensichtlich, dass er a) alles macht und b) alles kann.

- Nachos Papa: ein Fleisch gewordenes Geschäftsmannideal.

- "You think I'd be driving that thing? It looks like a schoolbus for 6-year-old pimps."

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