Der eiskalte Engel - So kühl, so fesselnd

22.01.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Der eiskalte Engel
S.N. Prodis/STUDIOCANAL/moviepilot
Der eiskalte Engel
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Jean-Pierre Melvilles Film Der eiskalte Engel ist ein Klassiker. Ab und an muss an solche Werke jedoch erinnert werden. JimiHendrix hat diese Aufgabe übernommen.

Jean-Pierre Melvilles kinematografische Studie über die marklose Einsamkeit eines Auftragskillers, der maschinell und voll akkuratem Perfektionismus seine Berufung ausführt, gleicht einem eisigen Stalaktit, welcher still und präzise wie eine Guillotine auf seine Opfer niedersinkt.

Selten war Kino so kühl, so regungslos, so sprachlos und so gefühlsentleert wie in Melvilles inszenatorischer Kühlkammer und dennoch so fesselnd, ähnlich wie wenn man mit der Zunge an einem Eiszapfen leckt und an selbigem hängen bleibt. Die Kälte dringt schon in den ersten Momenten des Films langsam und tief in den Zuschauer ein und lässt ihn bewegungslos das zu Sehende aufnehmen.

Man sieht einen Mann. Er liegt in seinem spärlich möblierten Appartement und raucht – oder atmet er nur und die persönliche Kälte, mit welcher der Raum gefüllt ist, lässt die Atemluft sichtbar werden? Denn in diesem Zimmer haust nicht fassbar ein vollkommen Lebendiger. Er ist vielmehr ein Zwischenweltler, nicht stofflich tot, nicht leibhaftig lebend. Er ist eine menschliche Tötungsmaschine, die alles Menschliche abgelegt zu haben scheint, er hat keine Angst vor dem Tod, denn er verliert nie, niemals wirklich, da er schon Tod ist, zumindest in humanistischer Hinsicht ist sein inneres Feuer schon lange erloschen.

Die stoische distanzierte Erzählstruktur, die Jean-Pierre Melville in Der eiskalte Engel entwirft, ist in dieser Kontinuität – zumindest nach meinem bisherigen Wissen – einzigartig. Sein Protagonist schwebt wie geistesabwesend durch diese grau-regnerische, aber charmante Großstadttristesse von Paris.

Gerüchten zufolge soll Melville sich bei der Kreation der Rolle des Jef Costello von Alan Delons Gesicht inspirieren haben lassen und wollte ihn natürlich auch unbedingt für dessen Darstellung engagieren. Alain Delon glänzt hier in seiner Paraderolle und besticht durch das kaltschnäuzigste und eisigste Gesicht der Filmgeschichte. Die eingefrorene Mimik und die ungerührten Augen produzieren eine zerreisend-lähmende Spannung, die fast bis zuletzt aufrechterhalten werden kann. So entsteht ein Film, der vollkommen auf eine interessante Geschichte verzichtet, sondern sich erfolgreich-egoistisch dem Spiel des Hauptdarstellers verschreibt.

Abgeeckt wird dieser zuschauerfeindliche Streifen durch einen ebenso statisch-verklemmt wirkenden Soundtrack von François de Roubaix, der hier seine absolut beste musikalische Arbeit abliefert. Seine subtil bedrohliche Musik unterstreicht mit ständig wiederkehrenden Orgelklängen den alles umhüllenden Tod, der den Film fest in seinen Klauen zu haben scheint.

Letztendlich ein wirklich wichtiger Meilenstein des französischen Films und eine obligatorische Aufgabe für jeden Cineasten, der sich auch nur annähernd dem Gangster-Genre verschrieben hat, auch wenn der Film es einem durch seine ungerührte Abwesenheit schwer macht ihn wirklich zu lieben.
Doch mit Der eiskalte Engel verhält es sich ähnlich wie mit Frauen. Je abweisender und unnahbarer ihre Außenwirkung ist, desto faszinierender und spannender ist ihre Eroberung und Ergründung.

Vorschau: Ein nicht mehr ganz so populärer, aber vor allem für das Science-Fiction- und Horror-Genre bedeutender Mann wird nächstes Mal vorgestellt.

Dieser Text stammt von unserem User JimiHendrix. Wenn ihr die Moviepilot Speakers’ Corner auch nutzen möchtet, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln und schickt anschließend euren Text an ines[@]moviepilot.de

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