Der Schädel dröhnt schmerzhaft, es ist plötzlich unfassbar heiß und ich knöpfe mir mühsam einen weiteren Knopf am ungebügeltem Hemd auf. Kevin Spacey starrt mich scheinbar vorwurfsvoll aus dem Bildschirm heraus an, ein Blick, der mich mahnend daran erinnert, welche Aufgabe noch vor mir liegt. Meine Augen wenden sich ab von Frank Underwood und schielen vorsichtig in die untere Ecke des Desktops - 14:32 Uhr. Um mich herum geschäftiges Treiben, vorsichtiges Flüstern und das laute, hektische Klackern von klappernden Tastaturen. Da ist er wieder, der kurze Gedanke an diesen einen Text, der aus meinem Kopf heraus in die digitale Welt drängt. Doch die Hände zögern, trauen sich nicht, die von der Denkzentrale geforderten Lettern zu tippen - das Papier bleibt weiß.
Was ist deine Lieblingsszene? Eine simple Frage. Sofort schießen tausende Bilder in mein Kopf. Das erste Mal in der Cantina auf Tatooine, die blutige Befreiung des Aliens aus seinem Wirt, der schockierende Sturm der Normandie. Es gibt so unfassbar viele Szenen, die sich in mein Gehirn gebrannt haben. Die simple Aufzählung von all diesen Erlebnissen würde den Artikel füllen, vielleicht ja eine Möglichkeit? Ich kommentiere diese schwachsinnige Idee mit einem kurzen Seufzer und verdränge sie sofort wieder. Das Problem bleibt. Ich entschließe mich, in Verzweiflung meinen Gedanken freien Lauf zulassen. Angespannt öffne ich einen weiteren Tab, dieser gesellt sich, begleitet von einem kurzen Aufschnauben des Lüfters, stumm zu seinen zahlreichen Kollegen. Nach ein paar geübten Eingaben sehe ich sie, diese eine Szene, welche sich aus unerfindlichen Gründen über all die anderen genialen Momente stellt. Ich lasse mich auf die von mir selbst erdachte Dummheit ein und drücke, ohne groß nachzudenken, den gewohnt dreieckigen Play-Button.
Da ist er, der große rote Vorhang. Erhaben prangt riesig das berühmte Warner Bros. Logo auf dem vermodernden Stoff. Die Kamera nimmt mich ohne weitere Vorwarnung führend an die Hand, packt mich fest in ihren Griff und zieht mich abrupt in die Szene. Plötzlich bin ich mittendrin, das alte Theater ist jäh verschwunden und ich bin nicht mehr nur bloßer Zuschauer. Im Hintergrund ertönt mit sanfter Stimme Sweet Dreams, gesungen von dem Mädchen (Emily Browning), das nun nervös auf seinem Bett sitzt und plötzlich geschockt aufspringt. Wieder spüre ich den unsanften Ruck der Kamera, als diese hastig die Verfolgung aufnimmt. Im Schlafzimmer angekommen, erblicke ich zwei Gestalten, die trauernd auf dem Boden knien und nicht fassen können, dass ihre Mutter den Kampf gegen die Krankheit verloren hat. Der Regen prasselt unaufhörlich gegen die Fenster und triste Trauer legt sich über das noble Anwesen. Schnell wird es jedoch wieder turbulent, als der zwielichtige Stiefvater erfährt, dass die Töchter alleinige Erben des wohl großen Vermögens sind. Von da an gleicht die Szenerie einer Achterbahnfahrt. Der starke Griff der Kamera löst sich und von nun an werde ich, wie an einer unsichtbaren Schnurr angebunden, durch das Geschehen gezogen. Fließende Übergänge und bedeutungsschwere Bilder fluten meinen Kopf und lassen mich unentwegt staunen. Die Darstellungen, Klänge und perfekt getimten Schnitte verschmelzen zu einem wahren visuellem Feuerwerk, das mich durch seine unverkennbaren Film Noir-Einflüsse unweigerlich an alte Klassiker erinnert. Dann ist es soweit, die letzten Sekunden laufen und die Regentropfen formen langsam den Titel eines meiner größten Guilty Pleasures - Sucker Punch.
Das Video ist zu Ende, etwas widerspenstig nehme ich die Kopfhörer ab - hallo Realität - da bin ich wieder. Selbst darüber erstaunt, dass mich eine Szene mit so wenig Inhalt und eigentlich kaum Bewandtnis immer wieder so mitreißt, muss ich selbst kurz grinsen. Ich schwelge noch kurz in längst vergangenen Erinnerungen an den damaligen Kinobesuch und nehme dann all meinen Mut zusammen, öffne ein neues Dokument und schreibe los, denn ich kann es nicht weiter leugnen, das Intro von Sucker Punch ist meine liebste Szene.
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