Roger Corman & Poe – Wahnsinn im Breitwandformat

04.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Der Wahnsinn hat viele Gesichter
MGM/e-m-s
Der Wahnsinn hat viele Gesichter
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Wer den Wahn in all seinen Schattierungen kennen lernen möchte, ist bei Roger Cormans Edgar Allan Poe-Verfilmungen genau richtig: In ihnen setzte Vincent Price dem Irrsinn und der Grausamkeit ein immerwährendes Denkmal.

Bevor Roger Corman 1960 seinen Edgar Allan Poe -Zyklus begann, hatte er sich bereits einen Namen als effektiver B-Filmer gemacht. Wie seine vorigen fast zwei Dutzend Filme, drehte er auch seine Gothik-Gruseler in Rekordgeschwindigkeit und mit verschwindend wenig Geld. Hierbei kam ihm auch zugute, dass in den vom ihm ausgewählten Poe-Geschichten die Menschen selbst die Monster sind. Aufwändige Masken wurden somit nicht benötigt. In seinen acht Poe-Verfilmungen, die von den Erzählungen des Meisters der Kurzgeschichte oft nur die Grundidee übernehmen, und auch schon mal mehrere Geschichten kombinieren, geht der Schrecken von Charakteren aus, die vom Wahnsinn gezeichnet sind, unter Phobien leiden oder schlicht und ergreifend gerne andere Menschen quälen.

Die Filme sind dabei oft in einer Art Traumwelt angesiedelt, die dem gewöhnlichen Leben entrückt scheint. Finstere Herrenhäuser, häufig von Szenenbildner Daniel Haller gestaltet, sind mehrmals Schauplatz der Ereignisse, werden selten einmal verlassen und schließlich oft zum Grab für ihre Bewohner. Die Andersweltlichkeit der Geschehnisse wird verstärkt durch gelegentliche dialoglose, komplett in eine einzige Farbe getauchte Traum- oder Wahn-Sequenzen wie einst zur Stummfilmzeit. Gefilmt wurde das Ganze meist von Floyd Crosby im extrabreiten Cinemascope, das die ausschweifenden Kulissen treffend in Szene setzte.

Zu den Bewohnern der verdammten Häuser gehörte wiederum so gut wie immer Vincent Price. In sieben der acht Filme übernahm er die Hauptrolle und zelebrierte unnachahmlich unzählige Schattierungen der geistigen Abweichung von der Norm. Mal ruhig, mal aufbrausend, lachend, weinend, flehend, schmunzelnd und folternd ist er untrennbar verbunden mit dem Poe-Zyklus. Mimik, Gestik und seine samtene Stimme verschmolzen zu einem wahren Unikum der Filmgeschichte. Aber auch die Nebenrollen waren oft hochkarätig mit vergangenen oder zukünftigen Genre-Stars wie Peter Lorre, Boris Karloff, Basil Rathbone, Hazel Court oder Jack Nicholson besetzt.

Für die Entrücktheit der Filme zeichnen schließlich nicht zuletzt die beiden Haupt-Drehbuchautoren Richard Matheson und Charles Beaumont verantwortlich. Beide waren auch für unglaubliche-geschichten-the-twilight-zone von Rod Serling tätig, bei denen die Zuschauer ebenfalls oft in eine zwielichtige Zwischenwelt entführt wurden.

Verfluchte Häuser
Im ersten Streich der Reihe, Die Verfluchten – Der Untergang des Hauses Usher, begegnen wir schon vielen Dingen, die für Roger Cormans Poe-Filme typisch werden sollten: Das Ganze spielt in einem riesigen Haus, dieses geht am Ende des Filmes unter, und Schuld daran ist Vincent Price. Hier ist er Roderick Usher, der an einer Art Universalallergie sämtlicher Sinne leidet: Alles ist zu laut, zu grell, zu scharf, zu beißend und zu rau. Und auch das Haus selbst ist irgendwie nicht ganz gesund. Damit nicht genug, ist Usher auch überzeugt, er und seine Schwester würden abstammungsbedingt unweigerlich dem Wahnsinn verfallen. Verständlich, dass es zu Problemen kommt, als ihr Verlobter vor der Tür steht. Ein Butler komplettiert die Besetzung, die somit aus nur vier Leuten besteht und dadurch trotz des riesigen Anwesens für eine klaustrophobische Stimmung sorgt.

Im sich sehr geruhsam anlassenden Das Pendel des Todes scheint Price als Inquisitorensohn Nicholas Medina dann eher Opfer als Täter zu sein. Dass er als Folge des Todes seiner Frau in den Wahnsinn abdriftet, kommt nämlich nicht allen in seiner Umgebung ungelegen. Zwar ist der Film eine äußerst freie Adaption von Poes Kurzgeschichte, wenn jedoch das titelgebende Pendel recht spät im Film zum Einsatz kommt, ist es von umso beeindruckenderer Gestalt und in eine derart grandiose Kulisse eingebaut, dass es auch beim Zuschauer einen einschneidenden Eindruck hinterlässt. Price zieht zudem in seiner Rolle, die so manche charakterliche Wendung durchmacht, alle Register seiner Wandlungsfähigkeit.

In Das Grab des Grauens, dem letzten Film der Reihe, wird dann die Behausung auch mal verlassen, wenn Price als Verden Fell die Umgebung einer verfallenen Abtei unsicher macht. Im Garten der Ruine ruht nämlich seine erste Frau. Als eine andere junge Dame vom Pferd auf ihr Grab plumpst, glaubt Fell in ihr die Tote zu erkennen. Doch wie zu erwarten, stellt sich diese Ähnlichkeit nicht nur als Segen heraus. Die Außenaufnahmen verleihen dem Film dabei eine deutlich andere, greifbarere Atmosphäre als seinen Vorgängern.

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