Scheiße und Pisse und Hunger im IRA-Gefängnis

13.08.2009 - 10:00 Uhr
Hunger
Fugu Filmverleih
Hunger
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Hunger ist ein körperbetonter Film, der schonungslos die Verhältnisse im Maze Prisons in Nordirland aufdeckt, in dem in den 1980er Jahren IRA-Aktivisten inhaftiert waren.

Hunger des Briten Steve McQueen kommt endlich in unsere Kinos. Preisgekrönt auf diversen Festival erzählt er vom IRA-Aktivist Davey Gillen (Brian Milligan), der in den berüchtigten H-Block des Maze Prisons in Nordirland eingeliefert wird, wo der “Blanket”- und “No Wash”-Protest der Gefangenen das Leben für Wachpersonal und Häftlinge bereits zur Hölle macht. Die Streikenden weigern sich Gefängniskleidung zu tragen und waschen sich nicht mehr. Als einziges Kleidungsstück dient ihnen eine Decke, die sie um ihren Leib wickeln. Die Gefangenen sehen sich nicht als normale Kriminelle, sondern als Freiheitskämpfer, und verlangen ihre Anerkennung als politische Gefangene. Um diese Forderung durchzusetzen und gegen die grauenvolle Behandlung durch das Gefängnispersonal zu protestieren, treten sie schließlich, angeführt von Bobby Sands (Michael Fassbender), in den Hungerstreik.

Für die einen ist er ein Held und Märtyrer, für die anderen ein Terrorist oder ein gewöhnlicher Krimineller. Hunger zeigt Leben, Leiden und Sterben der inhaftierten IRA-Mitglieder im nordirischen Maze Prison und interpretiert auf intensive Weise die Vorgänge rund um den Hungerstreik im Jahre 1981.

Für Michael Althen von der Frankfurter Allgemeine Zeitung ist der Film von einer schwer erträglichen Schönheit. “Oder andersherum: von einer überraschend poetischen Unappetitlichkeit. Es geht um den Decken-, Wasch- und dann Hungerstreik von IRA-Häftlingen im Belfaster Gefängnis The Maze, mit dem sie 1981 ihre Anerkennung als politische Gefangene von Thatchers Regierung erkämpfen wollten. Es werden also mit Exkrementen verschmierte Zellenwände, uringetränkte Gefängnisflure, wundgelegene Körper gezeigt. Dass die Körperlichkeit von Hunger aber fast mit Händen zu greifen ist, liegt nicht nur daran, dass der Film auch vor Ausscheidungen nicht haltmacht, sondern an seinem faszinierenden Blick für kleinste Gesten und unmerkliche Rituale in diesem Klima roher Gewalt.”

Hunger ist beinahe ein ritueller Film, meint Bert Rebhandl in der Berliner Zeitung. “Im ersten Drittel herrscht Stellungskrieg zwischen Insassen und Wärtern; im zweiten Drittel gibt es einen langen, philosophischen Dialog zwischen Bobby Sands und einem Priester; im Schlussdrittel beginnt der Hungerstreik, und damit nehmen die Dinge ihren Lauf. Die strenge künstlerische Geschlossenheit des Films trägt wesentlich zu dessen Qualität bei, bildet aber auch ein Problem: Das Sterben wird bei Steve McQueen beinahe zu einer ästhetischen Übung, und der Widersinn prallt von den sorgfältig geschminkten Wundmalen von Bobby Sands ab. Nur den Gestank der Pisse, den wird man nicht so leicht wieder los.”

Das Ausmaß der Gewalt war für Andreas Busche beim Freitag ein “Schock, aber der erfüllt eine wichtige Funktion. So marginal Steve McQueen die unmittelbaren politischen Zusammenhänge interessieren, umso genauer richtet sich sein Blick auf die Mechanismen der staatlichen Zurichtung, in der persönlicher Sadismus und strukturelle Gewalt auf perfide Weise zusammenfallen. Einen der Wärter hebt er exemplarisch hervor, verleiht ihm so etwas wie eine Persönlichkeit – die aber aus nicht mehr als Routine besteht. An diesem Punkt kommt der Film leider nicht weiter.”

Wenn Ihr wissen wollt, ob Hunger in Eurer Nähe läuft, dann schaut doch in unser Kinoprogramm.

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