Sie versuchen mich zu verführen, Mrs. Robinson!

16.02.2019 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Do you want me to seduce you?
MGM/Kinowelt/moviepilot
Do you want me to seduce you?
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Es war ein Skandal, als das erste Mal im Film ein junger Mann von einer älteren Frau verführt wurde. Das ist aber nicht der einzige Grund, weswegen Die Reifeprüfung ein echter Kultfilm wurde, den ihr unbedingt gesehen haben solltet.

Alle paar Jahre kommt ein Film daher, der genau den Nerv einer Generation trifft. Der genau das ausdrückt, was diese eine Generation gerade empfindet. Ein Film, der ihr Lebensgefühl, ihre Ängste, ihre Gedanken ausdrückt, in dem sie sich wiederfindet. Ein Film, bei dem alles so wahnsinnig gut passt: Drehbuch, Besetzung, Regie, Bilder, Soundtrack ... So ein Film wird zum Kultfilm. Und wir meinen hier nicht dieses Werbegesülze, das mittlerweile auf jeden erfolgreichen Film geschmiert wird: Ein RICHTIGER Kultfilm, so wie es in Wirklichkeit nur ein paar Handvoll gibt.

Solch ein Film, der WIRKLICH die Bezeichnung Kultfilm verdient hat, der eine ganze Generation geprägt und auch heute noch nicht nur Ioosh698, unseren Kommentator der Woche begeistert, ist Die Reifeprüfung. Und solltet ihr ihn noch nicht kennen, merkt ihn euch sofort vor, denn diese Verführung ist es definitiv wert, ihr zu erliegen!

Der Kommentar der Woche von Ioosh698 zu Die Reifeprüfung

Die Reifeprüfung ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie eine romantische Komödie mit Hirn, Verstand, Herz und Tiefgang auszusehen hat. Mike Nichols zeitloser Geniestreich ist, und das hätte ich vorher tatsächlich nicht für möglich gehalten (trotz zahlreicher Lobeshymnen), ein wirklich meisterhaft inszenierter, mit unglaublich köstlichen Dialogen vollgepackter und herrlich wohltuender Film.

Die Reifeprüfung ist ein Film, in dem man sich sofort bestens aufgehoben fühlt. Mike Nichols weiß durch seine Bildästhetik und die daraus resultierende Atmosphäre von Beginn an zu begeistern, versteht es, WIE man einen Soundtrack stimmig und vor allem passend einzusetzen hat, und erzählt die Geschichte des jungen Benjamin Braddock so locker und luftig, dass es über die gesamte Laufzeit ein Fest ist, diesem Film beizuwohnen.

Dreh und Angelpunkt des Filmes ist der eben erwähnte Benjamin (Dustin Hoffman). Dieser hat gerade seinen College-Abschluss gemacht, und das mehr als glänzend, und sich wieder im heimischen Elternhaus eingenistet.
Nun, nach dem Abschluss, stellt sich natürlich die altbekannte Frage: Was tun?

Studieren? Ausschweifende Partys? Die fortschreitende Jugend genießen? In den Tag leben? Oder vielleicht doch ernsthaft Gedanken über die Zukunft machen?

Genau DAS ist Benjamins Problem. Er weiß es nicht, will im Moment vielleicht auch noch gar nicht drüber nachdenken.
Dem ständigen Erfolgsdruck seiner Eltern ausgesetzt, seinen Platz im Leben suchend und in gewisser Weise vielleicht schon fast in seinem eigenen Ich gefangen, lässt sich der orientierungslose Benjamin, wenngleich am Anfang etwas zögernd, auf ein Abenteuer ein, dass endlich den Ausbruch seiner selbst einleiten soll...

Da kommt SIE in's Spiel, eine Freundin von Benjamins Eltern und das eben besagte Abenteuer: Mrs. Robinson (Anne Bancroft), älter als Benjamin, verheiratet, verführerisch. Kurz gesagt: eine Augenweide!

Mit ihr beginnt Benjamin eine Affäre, ohne über die möglichen Folgen nachzudenken.

Sie versuchen doch jetzt, mich zu verführen, nicht wahr?

Was es dann zwischen Benjamin und Mrs. Robinson bzw. Hoffman und Bancroft für kongeniale Momente zu bestaunen gibt, ein Gemisch aus perfekten Dialogen (ein wirklich grandioses Drehbuch!), verdammt gut getimter Situationskomik, und natürlich einem herausragenden Schauspiel der Akteure, ist filmisches Können auf ganz hohem Niveau!

Im weiteren Verlauf der Geschichte spielt das Leben Benjamin mehrmals einen Streich.
Als es zwischen ihm und Mrs. Robinson zum Zerwürfnis kommt, ist es ausgerechnet ihre Tochter Elaine (Katharine Ross), in die sich Benjamin verliebt.

Und Elaine ist für Benjamin mehr als nur eine weitere Affäre oder ein One Night Stand. Sie bedeutet ihm so viel, dass er Elaine sogar die vergangene Affäre mit ihrer Mutter beichtet, später auch um ihre Hand anhält.

So spinnt sich die ganze Geschichte weiter und weiter zu, der Kampf Benjamins, seine Elaine doch noch für sich zu gewinnen, seine früheren Fehler ruhen zu lassen und sein großes Abenteuer, der endgültige Eintritt in die Welt des Erwachsenseins, endlich abzuschließen...

Die Reifeprüfung funktioniert in seiner Rolle als vermeintliche Gesellschaftssatire auch heute immer noch astrein, auch wenn dies im Erscheinungsjahr des Filmes wahrscheinlich noch stärker spürbar war als es heute ist.
Damals, vor etlichen Jahrzehnten, war das was Mike Nichols in Die Reifeprüfung zeigte etwas noch nie Vorhandenes in einem Film. Eine verheiratete Frau beginnt eine erotische Beziehung zu einem viel jüngeren Mann? Was heute in zahlreichen Filmen Standard für manch eine Geschichte ist, war damals schlichtweg neu, komplett neu. Sicherlich sorgte es für Furore, doch so wie Nichols die ganze Thematik inszenierte, und wie fantastisch es auch heute immer noch funktioniert, ist absolut genial!

Auch sonst, sei es die wunderbar angenehm erzählte Geschichte, die wundervolle Bilder, die guten Charaktere, die ganze Thematik des Erwachsenwerdens oder die großartigen Schauspieler, Die Reifeprüfung hat ein wirklich tolles Gesamtbild.

Außerdem ist es vor allem der Soundtrack von Simon & Garfunkel, welcher den Film nochmal gehörig aufwertet und heute schon einen Bestandteil darstellt, ohne den man sich Die Reifeprüfung gar nicht mehr vorstellen möchte... Die Songs "The Sound of Silence", "Scarborough Faire/ Canticle" und natürlich "Mrs. Robinson" passen wie die Faust auf's Auge in den Film und unterstreichen die jeweiligen Szenen wirklich perfekt!

Dustin Hoffman passt in die Rolle des Benjamin wie kein Zweiter. Die leicht unsichere Art, das unverwechselbare Auftreten und die leicht desillusionierte Ader dieser Figur bringt Dustin Hoffman mit einer solchen Leichtigkeit und doch perfekten Leistung rüber, wie es damals wahrscheinlich kein anderer Schauspieler hätte tun können. Das Hoffman für die Rolle des Benjamin eigentlich schon zu Alt gewesen ist, stört mich persönlich überhaupt nicht.

Daneben, natürlich ebenfalls ganz fantastisch, Anne Bancroft als Mrs. Robinson, ebenfalls eine Idealbesetzung! Ihr unwiderstehliches Schauspiel, die Verführung steht ihr in's Gesicht geschrieben, und ihre unvergleichliche Ausstrahlung scheinen für die Rolle der Mrs. Robinson wie geschaffen zu sein...
Und natürlich noch Katharine Ross, als Elaine ebenfalls ein wahrer Glücksgriff und neben Hoffman und Bancroft eine mehr als passende Ergänzung...

Die Reifeprüfung ist ein wirklich großartiger Film, ein zeitloser und längst zum Klassiker avancierter Streifen eines tollen Regisseurs. Benjamins, wie ich es so gerne formuliere, Abenteuer auf der Suche nach der eigenen Identität wird, vor allem durch die Affäre zu Mrs. Robinson, niemals an Aktualität oder Zeitgeist verlieren und für viele wahrscheinlich mehr Identifikationspotential bieten, als man eigentlich zugeben will...

Ein wunderschöner Film!

Am Ende der Odyssee, in der letzten Szene, nachdem Benjamin seine Elaine doch noch für sich gewinnen konnte, ist es der "Klang der Stille", der auf den beiden jungen Menschen lastet, da, wo Blicke mehr als tausend Worte sagen...

Den Originalkommentar findet ihr hier.

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