Das Schräge, Morbide oder Bizarre durchzieht das Schaffen von Tim Burton wie ein roter Faden. In seinen Filmen rückt der amerikanische Regisseur vornehmlich die einsamen Außenseiter in den Vordergrund, um ihnen liebevoll ganz eigene Geschichten zu widmen. Dabei sind eher düstere Themen wie der Tod und ein mögliches Nachleben für Burton kein Grund zur Trauer, sondern vielmehr der Anlass für ausgelassenen Exzess, den der Filmemacher seit nunmehr über 30 Jahren regelmäßig im Kino zelebriert.
Nachdem er diesen Stil in frühen Kurzfilmen wie Vincent und Frankenweenie zunächst noch austestete und seine ersten Gehversuche im massenkompatiblen Kino von Spielfilmformat mit der abgedrehten Komödie Pee-Wee’s irre Abenteuer wagte, kann der 1988 erschienene Beetlejuice als stilprägender Meilenstein in Burtons Karriere angesehen werden. Erstmals bündelte der Regisseur (trotz eines fremden Drehbuchs, das er sich persönlich aneignete) all die Motive, die heute längst zu seinen Markenzeichen geworden sind, in einer turbulenten Horror-Komödie, die Sehgewohnheiten eines unvorbereiteten Mainstream-Publikums wüst durcheinander wirbelt.
Der Tod als Anfang anstatt als Ende
Die Handlung von Beetlejuice beginnt mit dem jungen Ehepaar Barbara (Geena Davis) und Adam Maitland (Alec Baldwin), die ihren Urlaub damit verbringen, ihr beschauliches Landhaus in Connecticut umzudekorieren. Als sie sich mit dem Auto auf der Rückfahrt aus der Stadt befinden, geraten sie durch einen Hund auf der Straße in einen Unfall, bei dem das Auto von der Brücke ins Wasser stürzt. Völlig durchnässt kehrt das Paar in der nächsten Szene in sein Haus zurück, um festzustellen, dass sich etwas verändert hat. Wenn sie in den Spiegel schauen, sehen sie sich dort nicht, während es Adam auf eine Art Wüstenplanet voller monströser Sandwürmer verschlägt, nachdem er vor die Haustür tritt. Als das Paar im Haus auch noch auf ein Handbuch für kürzlich Verstorbene stößt, realisieren Barbara und Adam, dass sie den Autounfall nicht überlebt haben.
Durch die Entscheidung, beide Hauptfiguren bereits in den ersten 10 Minuten des Films sterben zu lassen, legt Tim Burton umgehend den wilden, unberechenbaren Tonfall fest, von dem Beetlejuice geprägt wird. Dabei bedeutet der Tod hier keineswegs das Ende, sondern erst den Anfang einer wilden Achterbahnfahrt quer durch die Einflüsse des Horror-Kinos vorangegangener Epochen sowie kreativer, origineller Ideen, die in beinahe jeder Szene auf den Zuschauer losgelassen werden.
Eine Unterwelt zwischen Hölle und Bürokratie
Als sich Barbara und Adam gerade damit abfinden wollen, als Geister in ihrem eigenen Haus zumindest ungestört auf zu verweilen, wird ihre ewige Ruhe auch schon direkt wieder gestört. Die dreiköpfige Familie Deetz, bestehend aus der rebellischen Teenagerin Lydia (Winona Ryder), ihrer Stiefmutter Delia (Catherine O'Hara), die als Künstlerin tätig ist, und ihrem Vater Charles (Jeffrey Jones), der im Immobiliengeschäft arbeitet, zieht aus New York in das Haus der Maitlands. Vor allem Delia entpuppt sich als anstrengende, nervtötende Persönlichkeit, die das gesamte Haus zusammen mit dem Einrichtungsberater Otho (Glenn Shadix) nach ihren eigenen abstrakten Vorstellungen komplett umkrempeln will.
Um sich Rat zu holen, was sie gegen die ungeliebten neuen Mitbewohner unternehmen können, besuchen Adam und Barbara die Unterwelt. In diesem Setting, das Burton mit herrlich ausgefallenem Gestaltungswillen als Mischung aus makaberer Höllenvision voller gestrandeter Seelen und einem spröden Bürokomplex wie aus der vertrauten bürokratischen Hölle entwirft, erfährt das Ehepaar von einer Sachbearbeiterin, dass sie 125 Jahre als Geister in ihrem Haus bleiben müssen. Es bleibt ihnen überlassen, die neuen Bewohner aus dem Haus zu vertreiben.
Da ihre eigenen Versuche als Amateur-Poltergeister, die Burton in herrlich absurden Szenen voller morbider Einfälle inszeniert, ohne Erfolg bleiben, wollen die Maitlands in ihrer Not auf die Hilfe des Poltergeists und selbsternannten Bio-Exorzisten Beetlejuice (Michael Keaton) zurückgreifen. Auch wenn dieser im gesamten Film gerade einmal 17 Minuten Screentime hat, sorgt Michael Keaton in seiner Rolle dafür, dass man die Figur nicht mehr so leicht vergisst. Verborgen unter einer dicken Schicht Make-up, die ihm zurecht die deutsche Zusatzbezeichnung des Lottergeists einbrachte, spielt Keaton den völlig überdrehten Beetlejuice als real gewordene Cartoon-Figur, die jede ihrer Szenen mit Schaum vorm Mund und außer Kontrolle geratener Mimik komplett an sich reißt.
Überbordende Set-Pieces und ikonische Stil-Elemente
Mit dem Auftritt von Beetlejuice zerfällt die Handlung von Tim Burtons Film in wunderbar chaotische Einzelteile, die sich in völlig losgelösten Set-Pieces endgültig aus dem Korsett konventioneller Erzählstränge befreien und dem Zuschauer zu der fantastischen Musik von Danny Elfman den Kopf verdrehen. Auch wenn die Maitlands und Beetlejuice eigentlich das gleiche Ziel verfolgen, die Deetz-Familie aus dem Haus zu vertreiben, unterscheiden sich ihre gewählte Methoden radikal voneinander. Barbara und Adam versuchen sich beispielsweise an einem Besessenheits-Streich, wenn sie die Körper der anwesenden Tischgesellschaft rund um Familie Deetz sowie anwesende Freunde übernehmen, was diese in einer großartigen Musical-Nummer zu Harry Belafontes Banana Boat Song zum Tanzen bringt. Beetlejuice, der in einer Sequenz des Films als furchteinflößende Riesenschlange erscheint und sogar dazu bereit wäre, die Menschen zu töten, erweist sich hingegen als unberechenbares Übel, das die Maitlands zusätzlich in Schach halten müssen.
Von klassischen Szenenfolgen oder eindeutig zuordenbaren Figuren-Sympathien fehlt in Beetlejuice zu diesem Zeitpunkt schon lange jede Spur. Stattdessen regieren Set-Pieces, die Burton wie Gruselkabinette zwischen wohligem Schauer, unterhaltsamen Humor und tollen Spezialeffekten gestaltet. Darin lässt der Regisseur ein Füllhorn an unterschiedlichen Charakteren, die sich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befinden, in urkomischen Konfrontationen aufeinanderprallen. So wird Beetlejuice zum rasanten Spagat zwischen grellem Mainstream-Spektakel und abseitigen Elementen, die Sehgewohnheiten des Publikums bewusst ausreizen.
Eins stellt Tim Burton in diesem Meilenstein seines Frühwerks aber klar: Das Gewöhnliche, hier repräsentiert durch Delia und Charles Deez, könnte ihn kaum weniger interessieren im Gegensatz zu dem, was die Menschen üblicherweise als abschreckend oder andersartig bezeichnen würden. In der Figur von Lydia Deetz, die von einer jungen Winona Ryder mit bleich geschminktem Gesicht, dunklen Augen, wilder Haarmähne und schwarzer Kleidung als typisches Goth-Girl gespielt wird, findet der Regisseur in all dem chaotischen Treiben schließlich ein pulsierendes Herz. Ganz am Ende bringt er die unverstandene Rebellin, die Adam und Barbara als einzige in deren Erscheinung als Geister sehen kann, doch noch mit der Familie zusammen, die sich diese wahrscheinlich schon immer gewünscht hat. In der zweiten Musical-Einlage von Beetlejuice lässt Burton schlussendlich auch Lydia, die zuvor noch mit Suizidgedanken gespielt hat, tanzen, während sie über dem Boden als lebender Geist schweben darf.
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