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Ein persönlicher Nachruf auf Anton Yelchin

20.06.2016 - 10:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Verstehen kann ich es immer noch nicht.
Columbia Pictures
Verstehen kann ich es immer noch nicht.
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Nach all den Todesfällen, die dieses Jahr uns bislang gebracht hat, dachte ich eigentlich, ich wäre langsam vorbereitet. Die Tatsache ist und bleibt aber, man ist nie vorbereitet. Und schon gar nicht auf den Tod eines Menschen, zu dem man, trotz der Distanz von tausenden Kilometern und dem Untergehen in der Fanmasse doch eine persönliche Bindung hatte. Ich habe das hier noch nie gemacht, und Gott sei Dank bislang noch nie machen müssen ... aber ich versuche es.

Als ich gestern nach Hause kam und die Nachricht las, ist in mir etwas zusammengestürzt. Alan Rickman war schlimm, war ein Stück Kindheit, was ging. David Bowie machte mich traurig. Aber bei Antons Tod saß ich zum ersten Mal bei einer Todesnachricht dieses Jahr da und weinte und weinte.

Anton Yelchin war 27, nur 6 Jahre älter als ich, und immer noch in den Startlöchern für so viel mehr. Soll ich hier jetzt seine Karriere zusammenfassen? Die kann man doch nachlesen. Was ich aber sagen kann, ist, dass er ein unglaublich begabter junger Darsteller war. Nach seinem Schauspieldebüt mit nur 11 Jahren hat er sich langsam, aber sicher stetig weiter vorangearbeitet, und das mit einer leichten, bescheiden-sympathischen Art, die ich bei Jungschauspielern selten so gesehen habe. Richtig groß wurde er – und da habe ich auch erstmals von ihm gehört – mit seiner Rolle als Pavel Chekov in J.J. Abrams Neuauflage Star Trek von 2009.

Ich habe den neuen Star Trek erst kurz vor Erscheinen des zweiten Teils mit 17 Jahren gesehen. Der Film schaffte es irgendwie, meine Liebe zu Star Trek nach 10 Jahren wiederzubeleben. Und daran war vor allem Anton nicht ganz unschuldig. Neben Scotty und Bones war er der Charakter, zu dem ich am meisten Bezug fand, und der mir unglaublich ans Herz wuchs. Ich war genauso alt wie Pavel Chekov, und konnte mich dank seiner Darstellung so richtig mit ihm identifizieren, auch wenn ich nicht halb so clever war. Anton machte aus dem vormals immer eher im Hintergrund stehenden Chekov eine liebenswerte, smarte Bereicherung der Crew der Enterprise und wurde mir zu einem Freund auf diesem Schiff. Und das, ohne seine oder Chekovs russische Herkunft ins Lächerliche zu ziehen.

Anton spielte immer mit dieser Liebenswürdigkeit und seine Art, den smarten, aber irgendwie etwas verpeilt-nerdigen Typen von nebenan zu geben, machte ihn irgendwie besonders. Und das, ohne klischeehaft zu werden. So fühlte es sich zumindest für mich an. Und genau dadurch brachte er mir, dem Horrormeider und Angsthasen, ein neues Genre nahe, in dem er zwei wunderbar sympathische Rollen übernahm: Trashigen Splatter-Rom-Com-Salat. Ich kann es schlecht anders ausdrücken. Die Neuauflage Fright Night mit ihm und Colin Farrell überraschte mich sehr positiv, obwohl sie total dämlich ist. Und Burying the Ex war meiner Meinung nach ein ziemlich geniales Stück Arbeit. Nur Terminator: Salvation konnte er nicht alleine tragen und für mich attraktiv machen. Wie auch. Da konnte selbst er nichts ändern.

In den nicht ganz so liebenswerten Rollen hatte er trotzdem eine frische, angenehme Art, zu spielen. Darum steht Green Room seit den ersten Informationen dazu auf meiner Liste. Aber ich glaube nicht, dass ich mich in nächster Zeit dazu überwinden kann, ihn mir anzusehen.

Wenn ich meinen Freunden erkläre, warum ich so niedergeschlagen bin, ist die erste Frage nach der Erklärung fast immer: „Wie ist das denn passiert?“ Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, was das für eine Rolle spielt. Wie er gestorben ist, ändert doch nichts an der schrecklichen Tatsache selbst. Es ist ein gewisser Trost und spricht für den Menschen Anton Yelchin, dass es nicht schon wieder eine Drogenüberdosis oder ein Suizid war. Aber letztendlich bleibt die unumstößliche Tatsache dieselbe.
Bei fortlaufenden Reihen und gerade im Filmgeschäft beschleicht einen manchmal dieses seltsam sichere Gefühl, dass manche Rollen für immer diese eine Person sein werden. Man hat ein Stück heimelige Gewissheit in dem Glauben, dass jemand wie Anton Yelchin auf ewig seine Rolle des Pavel Chekov sein kann, egal wie viele Star Trek-Filme noch kommen werden. Aber dieses Für Immer ist nicht selten ein Trugschluss.
Vor Schicksalsschlägen bleibt gerade die Traumfabrik nicht verschont. Eigentlich eher im Gegenteil. Aber trotzdem wünsche ich mir so sehr, Anton hätte noch länger spielen können, hätte noch mehr von sich zeigen können, und hätte einfach ein richtiges Leben führen können.
Und dass er ein Mensch war, von dem ich mir nie anmaßen würde, ihn gekannt zu haben, der technisch gesehen ein Fremder war, für alle von uns – das ändert nichts daran, dass ich wirklich um ihn trauere.

Ich wünsche seiner Familie alle Kraft der Welt, um diesen Horror zu bewältigen und verabschiede mich von einem meiner liebsten Jungschauspieler. Und das wird er auf immer bleiben.


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