Ich, Purple Rose of Cairo und die Liebe zum Kino

05.10.2012 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
He's fictional, but you can't have everything
20th Century Fox
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Das Herz für Klassiker geht heute an Woody Allens Purple Rose of Cairo. Wie könnte ich auch anders bei einem Film, der so liebevoll das Thema Kino behandelt?

Mein Herz für Klassiker vergebe ich heute an Purple Rose of Cairo von Spaßvogel Woody Allen. Er reiht sich einerseits hervorragend in seine Filmographie ein, schließlich geht es mal wieder um Liebe und Beziehungen und die ganze Story driftet relativ früh in die Allen’sche Absurdität ab. Auf der anderen Seite ist er, für mich zumindest, doch etwas ganz besonderes. Ein durch und durch wundervolles Werk mit einer bezaubernd naiven Mia Farrow in der Hauptrolle. Dass er damals an den Kinokassen floppte (bei einem Budget von 15 Millionen Dollar wurden nicht einmal 11 Millionen wieder eingenommen), ist ja bei der eher speziellen Thematik durchaus zu verstehen, warum er aber immer und immer wieder auf sämtlichen Kritikerlisten übergangen wird, ist mir ein Rätsel. Für mich ist Purple Rose of Cairo Woody Allens beste Arbeit. Für das Drehbuch zeichnete er natürlich selbst verantwortlich: Kellnerin Cecilia (Mia Farrow) nutzt das Kino, um aus ihrem tristen Alltag und der grauenhaften Ehe wenigstens für wenige Momente zu fliehen. Während sie dort zum wiederholten Male den selben Film anschaut, wird sie vom Protagonisten Tom Baxter (Jeff Daniels) bemerkt, woraufhin dieser kurzerhand aus der Leinwand in den Kinosaal und somit in Cecilias Leben tritt.

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Warum ich The Purple Rose of Cairo mein Herz schenke
Purple Rose of Cairo will nicht größer sein als er ist, er spielt sich nicht mit pompöser Inszenierung und durchkomponierter Bildgewalt auf, er gibt sich einfach genau so, wie er ist: Eine kleine, bescheidene Liebeserklärung an einen Ort, an dem die größten Gefühle und aberwitzigsten Abenteuer Hand in Hand gehen: Das Kino. Dabei schafft er es, nachdem das Hauptthema durch die Liebesgeschichte zwischen Cecilia und Tom etwas in den Hintergrund gerückt wurde, zum Ende hin einen großen Bogen zu schlagen, der den Kreis nicht nur stimmig schließt, sondern mit einer wundervollen letzten Einstellung den Film in seiner Vollkommenheit erblühen lässt.

Warum auch andere The Purple Rose of Cairo lieben werden
Ich behaupte einfach mal, dass jeder, der ein Herz hat, diesen Film zumindest mögen wird. Die Geschichte dreht sich um eine einsame Frau, die sich bloß danach sehnt, geliebt zu werden. In ihrer Realität bekommt sie dies kaum, ihr Mann ist ein arbeitsloser Trinker, der sich nicht sonderlich für sie interessiert. Ihr einziger Zufluchtsort ist das Kino, in dem sie eintauchen und sich verlieren kann, fernab jeglicher Sorgen. Cinephile werden sich somit ohnehin ein Stück weit in dem Film wiedererkennen und mitfühlen können und wenn Tom Baxter aus der Leinwand tritt, um ein echtes Leben mit Cecilia zu verbringen, werden auch alle anderen Zuschauer Zeuge einer fantastischen Liebesgeschichte, die ihren Weg ins Herz des Betrachters schnell findet. Zudem ist das ganze Geschehen mit gewohnt punktgenauem Humor nach Woody Allen-Art bespickt, was es dem Film nur noch erleichtert, gemocht zu werden.

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Warum The Purple Rose of Cairo einzigartig ist
Bei jeder Sichtung halten mich nicht etwa eine fesselnde Story oder außergewöhnliche Charaktere vor dem Bildschirm, sondern das simple Gefühl, dass in jeder Sekunde Herzblut steckt. Ein Gefühl, das authentischer nicht hätte sein können, auch oder vor allem, weil es von Woody Allen inszeniert wurde. Welchem Regisseur würde man diese Emotionen abkaufen, wenn nicht ihm? Allen machte sich nie etwas aus Preisverleihungen und dass er seit Beginn seiner Karriere immer wieder “den selben Film dreht” zeigt doch nur, wie egal ihm Kritikermeinungen und Einspielergebnisse sind. Und wenn ihm Kritiker eine Sache nicht vorwerfen können, dann ist es die Tatsache, dass er keine Leidenschaft in seine Projekte steckt. Ein Film über Filme, von einem Mann, der Film liebt und lebt – großartig.

Warum The Purple Rose of Cairo die Jahrzehnte überdauert
In einer Zeit, in der erfolgreiche Autoren und Regisseure sich immer mehr zu Auftragsarbeitern entwickeln und der Leidenschaft, die sie einst in die Branche gebracht hat, den Rücken zukehren, ist es für einen Film wie The Purple Rose of Cairo nicht sonderlich schwer, ein paar Jahrzehnte zu überdauern. Es ist ein Film, der keineswegs darauf ausgelegt ist, für den durchschnittlichen Kinogänger zugänglich zu sein, sondern ganz konkret seine Zielgruppe anspricht. Das ist vielleicht auch der Grund, dass The Purple Rose of Cairo vermutlich auf ewig unsichtbar im großen Schatten anderer Werke seines Regisseurs stehen wird, wie Der Stadtneurotiker oder Manhattan. Diejenigen, die ihn zu schätzen wissen, werden ihn allerdings immer mögen, denn an Aktualität wird er auch in 100 Jahren nicht verlieren.

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