American Gods - Unser Recap zu Staffel 1, Folge 5

30.05.2017 - 09:25 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Lemon Scented YouStarz
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American Gods entscheidet sich endlich dazu, die Motivationen der Charaktere zu erklären. Das mag lang sein, aber dafür bekommen wir David Bowie und Marilyn Monroe.
American Gods hat sich bislang große Mühe gegeben, den Kern der Handlung schleierhaft zu halten. Für Nichtkenner des Buches kann das sehr frustrierend sein, immerhin dauerte die enigmatische Verweigerung, den Plot zugänglich zu machen, ganze vier Episoden an, also die Hälfte der Staffel. In Lemon Scented You wird nun endlich reiner Tisch gemacht. Bryan Fuller und Michael Green nehmen sich tatsächlich eine ganze Episode Zeit, um fast ausschließlich Erklärungen vorzunehmen, ohne die Story nennenswert voranzutreiben. Das mag hilfreich sein, um den Rest der Staffel am Ball zu bleiben. Letzten Endes fühlt sich die Folge aber eben genau danach an, was sie ist: Eine Rekapitulation des bisher geschehenen, inklusive Anmerkungen zum Verständnis. Ein paar spielfreudige Auftritte von den Gastschauspielern und ein netter Showdown zwischen Laura (Emily Browning) und Mad Sweeney (Pablo Schreiber) machen das Beste draus, retten Lemon Scented You jedoch nicht davor, die bislang schwächste Episode der Staffel zu sein.


Es beginnt mit einer Coming to America-Sequenz. Erstmals wird sich hier irritierenderweise für eine gekonnte, aber letzten Endes nach Playstation 4 aussehende Animation entschieden, für deren Existenz es eigentlich keinen plausiblen Grund gibt - außer die Produktionsschwierigkeit, die Szenen mit echten Schauspielern vor echter Kulisse zu drehen. Die Entscheidung könnte man sich natürlich damit zurechtargumentieren, dass hier die Geschichte eines längst und restlos vergessenen Gottes erzählt wird, der über die Jahre nicht mehr als Simulacrum seiner selbst geworden ist und somit so weit von der Realität entfernt, dass nur eine sichtbar künstliche Bebilderung seines Schicksals dem gerecht werden kann. Dazu ist die vertane Chance jedoch zu schmerzhaft: American Gods hatte hier die Gelegenheit, einen bisher nur angedeuteten aber für die amerikanische Geschichte nicht unerheblichen Fakt greifbar zu machen: Das Land war bewohnt, bevor es zu einem Kontinent aus Immigranten gemacht wurde. Die Animation mystifiziert die ziemlich realen Ureinwohner Amerikas und macht sie zusammen mit dem vergessenen Gott zu einer Fantasie, die sie nicht sind.

Das Opening zeigt aber auch einen entscheidenden Unterschied zwischen den alten und den neuen Göttern auf, der auch Mr. Wednesday (Ian McShane) sehr am Herzen liegt. Die alten Götter mögen blutrünstig sein und grausam erscheinen, aber sie geben ihren Anhängern eine Belohnung für die Opfer. Das sind nicht nur handfeste Gaben wie Wind oder eben der Zutritt zu einem fruchtbaren Land, es ist auch die Einhaltung des Versprechens auf ein Leben nach dem Tod. Die neuen Götter hingegen haben für den Tausch nichts anzubieten - sie schlagen bloß die Zeit für sie tot. "That's all you do, occupy their time. We gave back. We gave them meaning", erwidert Wednesday auf den Einwand Medias (Gillian Anderson), die Leute hätten eben einen anderen Weg gefunden, ihre Zeit zu verbringen. Genau aus diesem Grund lässt er sich nicht auf den Deal von Mr. World (Crispin Glover) ein, er hält die neuen Götter schlichtweg nicht für ebenbürtig. Die lassen sich davon jedoch nicht beleidigen, im Gegenteil: Mr. World drückt explizit seinen Respekt für Wednesday aus und ist nicht bereit, ihn einfach umzubringen. Er will ihn einverleiben und ihn zum Teil des großen Ganzen machen. Ob wirklich nur aus Respekt oder auch aus Angst, wird sich noch herausstellen.

Im Gegensatz zu Media und Technical Boy (Bruce Langley) ist es nicht ganz eindeutig, wofür Mr. World eigentlich steht. Seine Rede - die Wednesday davon überzeugen soll, sich den neuen Göttern anzuschließen und streckenweise so klingt wie aus einem Slavoj Zizek-Essay übernommen - lässt ihn ein bisschen wie die personifizierte Globalisierung und freie Marktwirtschaft klingen. Er redet von den alten Göttern wie von ausgelaufenen Marken, die eine Sanierung brauchen, um für die Konsumenten wieder attraktiver zu werden. Wednesday aber will sich nicht verkaufen. Zu sehr glaubt er an die Macht der alten Götter, den Gläubigen Geschenke zu geben. Ihm geht es nicht nur ums blanke Überleben auf einem aus dem Ruder gelaufenen Markt - er möchte seine Identität behalten. Kurz darauf wird angedeutet, dass nicht alle alten Götter seine Einstellung teilen: Beim Fliehen aus der Polizeistation wird Shadow (Ricky Whittle) von einem lebendigen Baum angegriffen. Dabei könnte es sich um Yggdrasil  handeln, einer Gottheit aus der nordischen Mythologie. Nun scheint sie für Mr. World zu arbeiten. Hat sie ein ähnliches Angebot wie Wednesday bekommen, es aber nicht ablehnen können?

Besonders enttäuschend fällt aus dramaturgischer Sicht das Wiedersehen zwischen Shadow und Laura aus. Es ist zwar amüsant, dass Shadow ähnlich wie Audrey (Betty Gilpin) nicht genug von Lauras Zombiekram beeindruckt sind, um sie nicht direkt für ihre Affäre mit Robbie (Dane Cook) an die Wand zu nageln, doch darauf folgt lediglich ein viel zu langer, unpointierter Dialog über Dinge, die wir eh schon wissen: Ja, Laura hat mit Robbie gevögelt, ja, es ist aus der Trauer heraus geschehen, ja, sie würde Shadow niemals verlassen und liebt ihn immer noch. Emily Browning kann den langweiligen Zeilen mit ihrem zögerlichen Spiel immerhin ein paar Facetten abgewinnen. Sie wirkt unterkühlt, aber darum bemüht, sich Gefühle wieder neu anzutrainieren, hat noch nicht das Mindestmaß an menschlichem Taktgefühl wieder erlangt, aber arbeitet daran.

Ihr Aufeinandertreffen mit Mad Sweeney hingegen läuft deutlich unterhaltsamer ab. Der Pechvogel stößt wie immer auf eine Verkettung von Unglückseligkeiten, als er seine kostbare Münze zurück haben möchte. Laura ist ihm mit ihren Superkräften meilenweit überlegen und denkt gar nicht daran, ihm die Münze zurückzugeben, was aber die Bedingung ist. Sie muss sie ihm freiwillig zurückgeben, Diebstahl funktioniert nicht. Einen entscheidenden Unterschied macht diese Kleinigkeit aber ohnehin nicht, schließlich könnte Sweeney ihr die Münze nicht einmal abnehmen, wenn es was bringen würde. Besonders bemitleidenswert ist der arme Kerl, als die Polizei ihn dabei überführt, Laura unter Wasser zu drücken ("She's not dead!"), diese es ihm aber nicht gönnt, ein Lebenszeichen von sich zu geben, sondern sich tot stellt. Da Sweeney sich letzten Endes aber doch - wenn auch schmerzhaft - aus der Gefangenschaft befreien konnte, dürfen wir wohl auf mehr von ihm hoffen. Das ist eine gute Nachricht.

Lemon Scented You hat die Fronten klar gemacht. Zum ersten Mal wissen wir ganz genau, was die Figuren wollen. Laura will ihre Liebe zurück, auch, weil sie ihr zu echtem Leben verhelfen kann. Mad Sweeney will einfach nur seine verdammte Münze zurück. Wednesday möchte die alten Götter rekrutieren, um einen Krieg gegen die neuen zu gewinnen. Was Shadow will, interessiert eigentlich niemanden, er steckt eh schon viel zu tief drin, als dass er einen Rückzieher machen könnte. Hoffentlich bedeutet diese Klarstellung der Motivation, dass American Gods in den nächsten Folgen ein bisschen an Geschwindigkeit aufnimmt und sich dem deutlichen höheren Tempo des Buches annähert.

“You know what they say about grief. Next to every cemetery there’s a motel.”

Notizen am Rande:

  • Wednesday antwortet auf die Frage nach seinem Namen mit den ersten vier Zeilen des Gedichts Madam Life's A Piece in Bloom  von William Ernest Henley - passenderweise ein Gedicht um Verführung, falsche Freunde und Verrat.
  • Gillian Anderson ist immer eine Bereicherung, aber als David Bowie und Marilyn Monroe ist sie ein besonders großer Spaß. Ihr aufgeregter Vergleich zwischen der Kombination Wednesday - neue Götter mit Champagner - Kartoffelchips ist eine Anlehnung an Monroes ikonische Szene in Das verflixte 7. Jahr.
  • Apropos popkulturelle Referenz: Media scheint einen großen Einfluss auf Mr. World zu haben. Sein erster Auftritt sieht sicherlich nicht von ungefähr so aus, als käme er grade aus dem Musikvideo zu Billie Jean .

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