Better Call Saul - Wir schauen Staffel 2, Folge 10

20.04.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
KlickAMC
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Den ganz großen Knall für diese Staffel gab es schon letzte Woche, jetzt wird nur noch die kommende Apokalypse vorbereitet. Wir schauen das Staffelfinale von Better Call Saul: Klick.

In der ersten Hälfte dieser 2. Better Call Saul-Staffel bettelte Jimmy (Bob Odenkirk) seinen Bruder (Michael McKean) förmlich an, sich doch endlich von seinem moralischen Starrsinn zu verabschieden und sich, wenigstens für eine Weile, auf Jimmys Niveau herab zu begeben. "Come on down Chuck, roll around in the dirt with me!", plädierte er. Vergebens. Jetzt, sechs Episoden später und in einem denkbar unerwarteten Moment, bekommt er genau dieses Geschenk präsentiert, ebenso hübsch wie pompös eingepackt in Dutzenden Quadratmetern Space Blanket. Es hat eine ganze Reihe von Vorfällen gebraucht, um Chuck so weit zu treiben, eine derart aufwendige Maskerade inklusive vermeintlichem Ruhestand und frisch tapeziertem Wohnzimmer zu veranstalten und das Ergebnis fällt dementsprechend schmutziger aus als alles, was Jimmy je getan hat.

Chuck hat nämlich ein Problem: Er ist eine Maschine. Sein Handeln und sein zwischenmenschliches Verhalten orientieren sich an Formeln. Und wenn die, wie es in der Natur des Menschen üblich ist, mal nicht aufgehen, dann hagelt es Kurzschlüsse (passenderweise albert Jimmy im finalen Dialog herum, dass Chuck vor seinem Tod noch eine Diskussion mit einem Roboter führen wird). In Chucks Realität gibt es keine Erklärung dafür, warum er bei seinen Mitmenschen nicht so beliebt ist wie Jimmy. Er macht doch alles richtig: Einen moralischen Codex rigide befolgen, die Arbeit fehlerfrei erledigen, zuverlässig sein, ganz einfach rundum wie ein Schweizer Uhrwerk funktionieren. Und trotzdem ruft die sterbende Mutter nach Jimmy, bevor sie abtritt. Er versuchte es mit Imitation, versuchte, Jimmys Humor anzuwenden - Menschen allerdings zeigen sich von derartigen Mimikry-Spielchen nicht nur nicht beeindruckt, sie sind verschreckt.

Genau darin liegt der eine Unterschied zwischen diesen Brüdern, der es ihnen für immer verbieten wird - egal wie vehement Jimmy dagegen ankämpfen mag - jemals auf einen Nenner zu kommen. Von Jimmys Aktionen in Better Call Saul kann man halten, was man will, doch sie sind immer von Menschlichkeit motiviert. Er steigt all die juristischen Abgründe vor allem in einer Schlacht um Anerkennung hinab, die er allerdings nicht ausschließlich egoistisch austrägt: Wie seinem Bruder geht es auch Jimmy um Gerechtigkeit, allerdings möchte er sich nicht diktieren lassen, wie Gerechtigkeit aussieht - er entwickelt lieber ein eigenes Verständnis. Chuck hingegen lässt sich nicht von seinem Glauben an bestehende Regeln abbringen. Für ihn ist die Welt eine komplexes Zahnradsystem, das so lange rund läuft, wie jedes Teil sich an die festgelegten Funktionen hält. Jimmy ist eine unerklärliche Irritation in diesem Weltbild. Er macht nicht das, was er soll, und trotzdem funktioniert er gut, vielleicht sogar besser als die meisten anderen Teile. Das darf nicht sein.

Um das zu ändern, macht Chuck, was er am Besten kann. Er kalkuliert. Er stellt eine ebenso simple wie effektive Gleichung auf: Jimmys bedingungslose Familienliebe + Tape Recorder = intaktes Universum. Natürlich geht der Plan auf, denn Chuck weiß, dass Jimmys Gewissen nicht damit klar kommt, den eigenen Bruder zugrunde gerichtet zu haben. Schließlich hat er Chucks Akten keineswegs aus reiner Zerstörungslust und Böswilligkeit sabotiert (zwei Faktoren, die für Chuck durchaus treibende Kräfte sein können), sondern aus Liebe zu Kim (Rhea Seehorn), wie er ausdrücklich betont. Jimmy hat versucht, die positiven und negativen Folgen seines Handelns abzuwägen und ist ganz einfach zu dem Entschluss gekommen, dass mehr aufgebaut als zerstört wird. Hätte er geahnt, wie weit daneben er damit liegt, hätte er so nicht gehandelt ("I thought you'd say 'oh crap, I made a mistake' and go on with your life, like a normal person! But oh no, wishful thinking!"). Chuck interessiert das alles natürlich nicht. Er weiß nur, dass etwas falsch ist, und er wird es geradebiegen, koste es was es wolle.

Auch Mike (Jonathan Banks) muss in Better Call Saul aufgrund moralischer Bedenken dabei zusehen, wie sein Plan zerfällt. Er hat sich zwar dazu bereit erklärt, einen Schritt weiterzugehen, als er es üblicherweise tun würde und kauft sich eine Waffe, um Hector Salamanca (Mark Margolis) auszuschalten, allerdings nicht um jeden Preis. Er tötet Hector nicht, weil Nacho (Michael Mando) im Weg steht und nimmt dafür sogar in Kauf, dass ein Unschuldiger von Salamancas Männern hingerichtet wird. Dabei ist es nicht einmal so, dass Nacho besonders wichtig für Mike wäre. Im Gegenteil. Sein Verschwinden würde ihm letzten Endes zugute kommen. Doch der Mord an ihm wäre schlichtweg nicht richtig und damit ist die Diskussion für Mike auch beendet. Dieses Mal könnte Mike von seinem zögerlichen Verhalten jedoch profitieren, denn offenbar steht er unter Beobachtung durch eine dritte Instanz und die hat offenbar etwas dagegen, Salamanca sterben zu sehen. Hinter der Notiz auf Mikes Windschutzscheibe sollte mit ziemlicher Sicherheit Gus Fring stecken, der in der nächsten Staffel seinen großen Auftritt bekommen sollte und damit Fanherzen höher schlagen lässt.

Sowohl Mike als auch Jimmy haben sich in eine Position gebracht, aus der sie voraussichtlich nicht mehr hinausgelangen werden. Mike steuert (wahrscheinlich) ziemlich direkt auf eine Zusammenarbeit mit Gus Fring zu und wäre damit in der Position, in der wir ihn aus Breaking Bad kennen. Auch für Jimmy sieht es düster aus. Sobald Chuck das Audiomaterial gegen ihn verwendet, wird es mit der familiären Liebe vorbei sein. Noch folgenreicher dürfte jedoch der Umstand sein, dass er Kim als Motivation exzessiv in sein "Geständnis" eingebunden hat. Es wäre doch schon sehr verwunderlich, wenn sich das nicht auch in einer denkbar schädlichen Form auf ihre Karriere auswirkt. Das interessante dabei ist: Vince Gilligan und Peter Gould deuten mit diesem Finale noch mehr als sonst daraufhin, dass sowohl Mike als auch Jimmy mehr oder weniger in ihre zukünftige Position gedrängt werden. Mike möchte seine Bindungen zum Kartell trennen und wird jetzt noch tiefer hineingeraten - ein Angebot von Gus wird wohl kaum abzulehnen sein. Jimmy steht dem beruflichen und persönlichen Ruin gegenüber und wenn der eintritt - was bleibt einem dann noch anderes übrig, als das Handtuch zu schmeißen und sich solange sein Mantra vorzubeten, bis es Realität wird: It's all good, man.

"You didn't start World War II, but you sure as heck finished it."

Notizen am Rande:

- Fun Fact: Aus den Anfangsbuchstaben aller Episodentitel dieser Staffel lässt sich FRINGS BACK bilden.

- Ernesto! Chucks Assistent sorgt für einen überraschend herzerwärmenden Moment, als er für Jimmy lügt, um ihn aus der Schusslinie seines Bruders zu ziehen. Warum? "I don't know, you're my friend." Wieder geht Jimmy als Sieger der Sympathien hervor, doch Ernesto hat trotzdem keinen Bock auf diesen Familienkrieg - "I miss the mailroom", murmelt er beim Nachhausegehen.

- Klick ist die erste Better Call Saul-Folge seit dem Serienpiloten, die von Vince Gilligan inszeniert wurde und er trumpft gleich ordentlich auf: Die auf dem Kopf stehende Kamera und das dazugehörige Lichtspiel bei Chucks Einlieferung ins Krankenhaus sorgen für pures Herzrasen.

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