Better Call Saul - Wir schauen Staffel 2, Folge 6

23.03.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Bali Ha'iAMC
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Nach zwei Episoden, die wir kaum mit Jimmy verbracht haben, geht es immer noch nicht zurück zum titelgebenden Helden der Serie. Stattdessen bleiben wir bei Kim. Und das ist gut so.

Fans von Better Call Saul dürften vor allem in den letzten Wochen eine ziemlich gute Zeit gehabt haben, immerhin manifestiert sich die Serie mit der zweiten Staffel immer mehr zu einem echten Schmuckstück in der TV-Landschaft. Die Gründe für diesen - seien wir ehrlich - überraschenden Erfolg werden Woche für Woche aufs Neue ausdiskutiert und dass solche Diskussionen immer wieder möglich sind, darin liegt eine von Better Call Sauls größten Stärken. Nach den vergangenen beiden Episoden konnten wir uns darüber freuen, dass das Scheinwerferlicht nicht nur auf Jimmy (Bob Odenkirk) liegt, sondern auch genug Platz für die Nebencharaktere eingeräumt wird, insbesondere für Mike (Jonathan Banks) und Kim (Rhea Seehorn). Diese Woche können wir uns darüber freuen, dass Vince Gilligan und Peter Gould offenbar noch viel mehr wollen als "nur" lebhafte Figurenzeichnungen in der zweiten Reihe: Sie erheben Kim zu einer zweiten Protagonistin.

Emma Dibdin von IndieWire schrieb kürzlich einen Artikel  darüber, dass Better Call Saul aktuell eine der feministischsten Sendungen sei. Nun kann man von derartigen Superlativen halten, was man will und eigentlich sollte ein liebevoll ausgearbeiteter weiblicher Charakter Anno 2016 kein Grund für Standing Ovations mehr sein. Leider ist es das, also stellen wir mal kurz anerkennend fest, dass es sich bei Kim um eine kinderlose Frau im mittleren Alter handelt, die Single ist und trotzdem nicht jeden Morgen mit einem panischen Blick auf ihre biologische Uhr aufwacht. Wie Emma Dibdin richtig feststellt, gibt es solche Charaktere eigentlich nur, wenn sie stattdessen eiskalte Karrierejägerinnen sind, die von Zwischenmenschlichkeit nichts verstehen und sowieso alles meiden, was sexuelle Aktivitäten mit sich bringen könnte - zumindest wenn dort Emotionen im Spiel sind. Kim ist jedoch auch das nicht.

Letztere Option hätte nach der letzten Woche problemlos gewählt werden können. Jimmy versaut ihr den Job, schickt sie in ihrer Karriere zwei Schritte zurück, sie erstarrt, schießt ihn ab, fertig. Doch Kims Problematik lässt sich - wow, wie im echten Leben! - nicht dadurch lösen, sich einfach für einen Pfad zu entscheiden, also entweder an Jimmys Seite zu stehen oder Karriere zu machen. Ihre Mühen, sich einen dritten Pfad in der Mitte zurecht zu trampeln, werden in Bali Ha'i mit charakteristischer Wortkargheit bebildert. Aufblende, Kim schaut in den Spiegel, putzt sich die Zähne. Unweigerlich kommen Erinnerungen an die knuffige Episode mit ihr und Jimmy bei der morgendlichen Hygiene hoch. Schnitt, Anrufbeantworter: Kim hört sich, offenbar wie jeden Morgen, ein Lied von Jimmy, der romantischen Drecksau, an, verlässt die Wohnung jedoch, ohne die Nachricht zu Ende zu hören. Zeit für die Arbeit.

Dort darf sie ein neues Büro beziehen, doch die Euphorie hält sich in Grenzen. Sie hält ihr eingerahmtes Diplom in der Hand, zögert einen Moment und beschließt, es nicht aufzuhängen. Es ist nur eine kurze Einstellung, doch sie spricht Bände über Kims Gefühle zu ihrem Arbeitgeber. Sie hat den Job bekommen, den sie die ganze Zeit (wieder)haben wollte, doch von Glück kann keine Rede sein, denn wer weiß, wie lange sie dieses Mal bleiben darf. Die Rettung könnte in Form von Rick Schweikart (Dennis Boutsikaris) bereits auf sie warten. Der würde sie gerne für Schweikart & Cokely abwerben. Ihre erste Reaktion ist natürlich völlige Abwehrhaltung, doch da winkt sie nunmal, die Chance auf die Erfüllung eines langjährigen Traums. Außerdem: Moscow Mule, richtig vintage mit frischem Ingwer und echtem Kupferbecher vs. "that new fancy salad place", den ihr HHM im Tausch gegen ihre Mittagspause bietet. Nachdenken kann hier eigentlich nur Formalität sein.

Auf der anderen Seite winkt Jimmy. Oder springt und schreit. Hin und wieder kann die berechtigte Frage gestellt werden, was genau es eigentlich sein soll, was Kim so anziehend an ihm findet, doch sie gibt die Antwort selbst: "I keep thinking of you floating in that pool", moralisch flexibel hin oder her, "you knew what you wanted." Kim scheint sich da noch nicht so sicher zu sein, so als realisiere sie mit diesem No-Brainer an Jobangebot, dass sie die ganze Zeit ein vernebeltes Ziel gejagt hat. Jetzt, wo sich der Nebel lichtet, sieht es so aus, als ob sich dieses Ziel nie darin verborgen hätte. Das Deprimierende daran ist, dass es nicht an einem anderen Ort wieder auftaucht, sondern einfach weg ist. "Yeah, what's not to love?" Schock. Orientierungslosigkeit. Oder vielleicht sogar Misstrauen gegenüber Rick Schweikart? Ist es tatsächlich ein aufrichtiges Jobangebot, oder will er bloß eine gute Anwältin der Gegenseite loswerden? Für Jimmy lassen sich solche Unstimmigkeiten ganz einfach regulieren. Radmutterschlüssel aus dem Kofferraum holen, Hindernis abreißen, den runden Kaffeebecher in die eckige Halterung stellen. Kann ganz einfach sein. Für Kim wahrscheinlich zu stumpf. Zu einfach. Schlichtweg nicht richtig.

In diesem Umgang mit Problemen liegt die zerstörerische Vorahnung, die die Anziehung zueinander mit sich trägt. Immerhin sitzt Mike parallel dazu in einem Café und will fünfzigtausend Dollar von Hector Salamanca haben. Ewig kann die Beziehung zwischen Jimmy und Kim nicht unbeeinflusst von Mikes Treiben im Untergrund von Albuquerque bleiben. Denn auch, wenn er sich ganz klassisch aus jeder noch so gefährlichen Situation mit konventionellem Badass-Dasein herausmanövrieren kann und sogar die verlangte Summe bekommt (ironischerweise hat Salamanca dank Mikes Abgabe der Hälfte an Nacho letzten Endes sogar den "Anschlag" auf seinen Neffen mitfinanziert), sieht es nicht so aus, als ob er noch sehr lange die Kontrolle über die Situation behalten wird. Sofern er sie überhaupt jemals besessen hat. Andererseits ist Hector Salamanca ganz offensichtlich von Mike beeindruckt. Und irgendwer muss ihn ja an Gus Fring vermitteln.

"Try harder next time."

Notizen am Rande:

- Jawohl, der mühevoll erarbeitete blaue Strudel der Davis & Main-Werbung ("nebulous, but not too nebulous") ist wieder da und leistet ganze Arbeit. Welcher Rentner den jedoch mitten in der Nacht sehen soll, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

- Das inszenatorische Highlight dieser Episode: Kim und Howard schreiten schweigend durch das Büro. Vollkommen Anti-Aaron Sorkin.

- Zum weiterhören: "Sleep Walk"  von Johnny & Santo, sowie "Henna Henna"  von Bombay Royale.

- Klar, die Zwillinge auf dem Dach sind angsteinflößend und bedrohlich und überhaupt. Aber was muss das für ein logistischer Aufwand gewesen sein, auf das Dach zu klettern, auf Mikes Aufmerksamkeit zu warten und wieder runterzuklettern? Die beiden nehmen ihren Job wirklich ernst.

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