Claudia, das Monster mit dem Engelsgesicht

13.10.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Claudia in Interview mit einem Vampir
Warner Bros.
Claudia in Interview mit einem Vampir
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Wir suchen wieder nach euren Texten! Dieses Jahr heißt die Aktion: Lieblingsmonster. Aus der Redaktion gibt es heute sanahimes Interpretation des Themas mit ihrem ultimativen Lieblingsmonster.

Wir kriegen nur selten die Gelegenheit zu sehen, wie aus einem Menschen ein Monster wird. In Interview mit einem Vampir bekommen wir genau eine von diesen Gelegenheiten, als wir Zeuge davon werden, wie die etwa 10-jährige Claudia (Kirsten Dunst) erst von Louis (Brad Pitt) gebissen und dann von Lestat (Tom Cruise) in einen Vampir verwandelt wird. Gerade lag da noch ein sterbendes Kind auf dem Bett, das vom Leben gezeichnet ist, einen Moment später sehen wir, wie sich ihr fahler kränklicher Teint in ein makelloses Weiß verwandelt und sich ihr krauses Haar zu perfekten Locken dreht. Wie ihre Sterblichkeit legt Claudia in diesem Moment auch ein Gewissen ab und ist von jetzt an kein unschuldiges Kind mehr, sondern ein Killer. Dennoch verraten uns auf den ersten Blick nur ihre spitzen weißen Eckzähne, dass Claudia nicht einfach nur ein ungewöhnlich hübsches Kind, sondern ein Wesen der Nacht ist.

Mit ihrem engelsgleichen Äußeren ähnelt sie eher einer Porzellanpuppe als einem Monster, aber von Anfang an stellt Regisseur Neil Jordan klar, dass Lestat mit ihrer Verwandlung ein unersättliches Monster in die Welt gesetzt hat. Schon ihre ersten Worte nach der Verwandlung I want some more lassen keinen Zweifel daran, dass Claudia ab diesem Zeitpunkt Lestats eifrigste Schülerin sein wird und von ihrem Erschaffer alles lernt, was es über das kunstvolle Töten von Menschen zu wissen gibt – und so zu einer Meisterin ihres Fachs wird, denn gerade den Widerspruch ihres Äußeren nutzt sie, um ihre Opfer heranzulocken und sich an ihnen zu laben.

Während wir Zuschauer bei ihren ersten Beutetouren und den Maßregelungen von Lestat noch ins Schmunzeln geraten, nimmt ihre Existenz bald eine Wende. Denn während ihre Monströsität hier noch mit ihrer Unschuld und ihrer Kindlichkeit korrespondiert und sie im Gegensatz zu Louis gerade so gewissenlos handeln kann, weil sie noch so jung war, als sie verwandelt wurde und mit einer gewissen Naivität ihr Spiel mit ihren Opfern treibt, wird Claudias Existenz selbst zu etwas Monströsem und Widernatürlichem.

Denn das Geschenk der ewigen Jugend wird für Claudia bald zum Fluch, wir sehen in ihrem Auftreten und ihrem Gebaren, dass in ihrem kindlichen Körper kein kleines Mädchen, sondern eine erwachsene Frau steckt, die an sich selbst leidet und der dieses Dasein aufgebürdet wurde. Wie jeder Jugendliche begehrt auch Claudia gegen ihre Autoritätspersonen auf, sie stellt Louis und Lestat zur Rede und verübt am Ende das Unverzeihliche: Sie bringt ihren Vater Lestat um, der sie zu dieser Existenz verdammt hat.

Die Szene, in der sie ihn richtet, hat nichts von der Schwarzhumorigkeit und Verspieltheit ihrer früheren Auftritte mehr, denn um Lestat auszulöschen, mit dem sie und Louis Jahrzehnte lang eine glückliche kleine Familie bildete, lockt sie ihn in eine Falle und richtet ein Massaker an. Nach dem Mord an ihrem Schöpfer klebt das erste Mal Blut an ihren Händen und Claudias ganze Existenz wird von Abscheulichkeit, aber auch Tragik bestimmt. Als sie an einem späteren Zeitpunkt der Sonne ausgesetzt wird, empfinden selbst wir es fast als Erlösung, dass diese Kindfrau endlich von ihrem ewigen Leben befreit ist.

Claudia sieht überhaupt nicht so aus, wie ich mir ein Monster vorstelle, und genau das ist es, was sie so monströs macht. Denn diesem engelhaften Aussehen mit dem Porzellanpuppengesicht steht sein gewissenloses, blutiges Treiben diametral entgegen und daraus entwickelt sich eine neue, fürchterliche Spannung, da ihr Handeln und ihr Aussehen sich so unvereinbar gegenüberstehen. Selten habe ich einem Wesen gegenüber so eine Faszination empfunden, da ihre Kindlichkeit nicht nur für sich steht, sondern zum Motor der Geschichte und ihres unaussprechlichen Verhaltens wird, durch das sich Claudia so deutlich von anderen Monstern abhebt – und die Existenz von Vampiren aus einem ganz neuen Winkel beleuchtete.

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