Ich, Die Spur des Falken & zerplatzte Seifenblasen

21.09.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Die Spur des Falken
Warner Bros./moviepilot
Die Spur des Falken
Wer kennt sie nicht, die zynischen, pessimistischen Leinwandermittler. Heute widme ich Mein Herz für Klassiker deshalb ihrem Ursprung im Kino, dem stilbildenden schwarzen Detektivfilm Die Spur des Falken von John Huston mit Humphrey Bogart.

Umtriebige Detektive gehören mittlerweile zum Standardrepertoire von Hollywood. Das war nicht immer so. Ihr Archetyp ist ein Ermittler namens Sam Spade, der 1941 auf der Leinwand auftauchte. Die vom Autor Dashiell Hammett geschaffene Figur war bereits vor ihrem Kinoauftritt als Held des Romans Der Malteser Falke äußerst populär. Doch die düstere Verfilmung des damals noch unbekannten John Huston etablierte sie als Urvater einer ganzen Reihe von zynischen Detektiven bis zum heutigen Tage und machte den legendären Humphrey Bogart zum Star. Fast alle zeitgenössischen Thriller und Werke mit privaten Ermittlern orientieren sich auf die eine oder andere Weise an der Kinoadaption von Sam Spades Jagd nach einer wertvollen Vogelstatue. Für mich ist das Grund genug, Die Spur des Falken diese Woche Mein Herz für Klassiker zu schenken.

Warum ich Die Spur des Falken mein Herz schenkte
Das Regiedebüt von John Huston glänzt durch seine düstere Atmosphäre. Das San Francisco von Die Spur des Falken gleicht einem Haifischbecken. Sämtliche Figuren, die die Stadt bevölkern, sind moralisch fragwürdig. Jeder von ihnen denkt zuallererst an sich selbst und versucht, in diesem stets gefährlichen Umfeld zu überleben. Daher kann auch kein Charakter irgendeinem anderen innerhalb dieses Mikrokosmos vertrauen. Das gilt ebenso für den von Humphrey Bogart gespielten Privatdetektiv. Nie zuvor war ein Ermittler auf der Kinoleinwand so skrupellos und moralisch durchtrieben wie Sam Spade. Einerseits tritt er als Beschützer der Schwachen und Hilflosen auf. Andererseits ist er ebenso ein Antiheld wie alle anderen in seiner Umgebung. Er lügt und betrügt, was das Zeug hält und hat wenig Probleme damit, andere zu hintergehen oder ans Messer zu liefern, sofern dies seinen Interessen dient. Nur deshalb ist er im Gegensatz zu so vielen anderen bislang noch nicht zum Opfer geworden. Spade ist pragmatisch und rät einfach ins Blaue hinein, anstatt seinen (nicht vorhandenen) messerscharfen Intellekt zu gebrauchen. Damit steht er in einem krassen Kontrast zu den Meisterdetektiven à la Sherlock Holmes, aber ist zugleich sehr viel menschlicher.

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Warum auch andere Die Spur des Falken lieben werden
Der Thriller von John Huston ist herrlich unmoralisch. Unser Held ist eine Art alter Straßenköter. Seine Welt ist die der Nachtclubs und Spielhöllen. Er ist getrieben von den gleichen Sehnsüchten und charakterlichen Schwächen wie alle anderen. Sam Spade ist ein einsamer Wolf, der gerne trinkt und raucht, eine Schwäche für das schöne Geschlecht hat und für die richtige Geldsumme wohl sogar seine Seele verkaufen würde. Er verachtet die Polizei als Vertreter von Recht und Ordnung und schreckt nicht davor zurück, andere ans Messer zu liefern. Todesfälle in seiner Umgebung stören ihn kaum. Hinter dem Rücken seines Partners Miles Archer hat Spade Sex mit dessen Frau. Als sein Kollege wenig später hinterrücks ermordet wird, lässt der private Ermittler sogleich die Namensschilder der Detektei austauschen. Dass die attraktive, aber mysteriöse Brigid O’Shaughnessy (Mary Astor), auf der sich kurz darauf einlässt, alle Anzeichen eines blondes Gifts aufweist, hält ihn ebenso wenig davon ab, sogleich etwas mit ihr anzufangen. Sobald sie ihm jedoch eine potentielle Bedrohung für ihn darstellt, lässt Spade sie fallen wie eine heiße Kartoffel.

Warum Die Spur des Falken einzigartig ist
Die Spur des Falken markiert der Beginn des klassischen ‘Film noir’, der Hollywood die nächsten beiden Jahrzehnte stark beeinflussen sollte. Die Ästhetik des Asphaltdschungels war geprägt von den Gangsterstreifen wie Narbengesicht von Howard Hawks aus dem vorherigen Jahrzehnt, nur dass der Protagonist nun vordergründig auf Seiten der Guten kämpfte. Tatsächlich ist er aber bloß ein Söldner, ein Egoist mit Selbsterhaltungstrieb wie er im Buche steht. Ihn interessiert lediglich der wertvolle Malteser Falke. Hinter der Statue ist nicht nur Sam Spade her, sondern auch Brigid O’Shaughnessy, der zwielichtige Joel Cairo (Peter Lorre) sowie der sinistre Verbrecherboss Kasper Gutman (Sydney Greenstreet). Letzten Endes gestaltet sich die Suche nach der fabulösen Figur jedoch für alle Beteiligten als völlig fruchtlos, und genau darum geht es im Werk von John Huston. Es zeigt die Ausweglosigkeit der Charaktere. Keiner von ihnen kann dem Großstadtdschungel entfliehen. Der Schlusssatz von Spade fasst den Film dann auch vollkommen treffend zusammen. Er beschreibt den Malteser Falken als einen ‘Stoff, aus dem man Träume macht’. Nur dumm, dass genau diese Phantasmagorien wie Seifenblasen zerplatzen. Denn das gelobte Land ist für sämtliche der Figuren aus Die Spur des Falken ebenso wenig erreichbar wie ein paar Jahre später für die Charaktere aus Der dritte Mann von Carol Reed. Es gibt für sie keine Erlösung. Das Ende ihrer Geschichten stellt bloß einen womöglich viel schlimmeren Neuanfang dar.

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Warum Die Spur des Falken die Jahrzehnte überdauerte
John Hustons erster Spielfilm setzt ganz gezielt auf seinen Star Humphrey Bogart und dessen Präsenz auf der Leinwand. Trotz der hervorragenden Leistungen der übrigen Darsteller gibt es in der gesamten Handlung lediglich eine Szene, in der Sam Spade nicht auftaucht. Durch die Annäherung der Kamera an den Protagonisten entsteht der Eindruck, dass wir das Geschehen aus seiner Perspektive miterleben. Bis zu Die Spur des Falken war der Schauspieler normalerweise in Nebenrollen in Gangsterfilmen zu sehen. Nach dem Erfolg des Thrillers rückte Bogart in die erste Darstellerriege Hollywoods vor und blieb dort bis zu seinem Tod 1957. Zunächst erscheint uns die Figur des zynischen Detektivs unsympathisch. Er hasst seinen Partner und die Polizei und spielt ständig mit dem Feuer. Als er sich jedoch im Laufe des Films in einem Netz aus Lügen und Intrigen verfängt, wird er uns zunehmend angenehmer. Die Spur des Falken etablierte durch Brigid O’Shaughnessy die ‘Femme fatale’, das oftmals blonde Gift, in Hollywood. Wir finden sie noch häufig in zeitgenössischen Krimis und Thrillern. Ebenso hat der von Dashiell Hammett und Raymond Chandler erschaffene Typ des ‘Hard-boiled Detective’ bis heute Hochkonjunktur.

Was sagt ihr zu Die Spur des Falken?

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