Beim letzten Mal ging es um den Einfluss des Pentagons auf den Kriegsfilm Act of Valor. Dass die potenzielle Instrumentalisierung von Filmen durch die Politik auch subtiler vonstatten geht, bewies vor wenigen Tagen die Obama-Administration. Auf Drängen einiger Republikaner wurde bekannt, dass Regisseurin Kathryn Bigelow (Tödliches Kommando – The Hurt Locker) zwecks Recherche für ihren neuen Film Zero Dark Thirty exklusive Hintergrundinformationen über die gezielte Tötung des al-Quaida-Gründers Osama bin Laden erhalten hatte. Der Aufschrei unter den Obama-Kritikern war natürlich groß. Gefährliche Sicherheitslücken seien in Kauf genommen worden, um für ein bisschen gute PR zu sorgen. Abseits dieser parteipolitisch angehauchten Querelen rückt dieses Prozedere der Recherche das Scheinwerferlicht jedoch auf die gern diskutierte Unabhängigkeit der Kunst.
Hier steht niemand über dem Gesetz
Schon Anfang des Jahres haben wir berichtet, dass Kathryn Bigelow womöglich sensible Informationen von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums erhalten hat. Bigelows neuer Film handelt bekanntlich von der jahrelangen Suche und höchstwahrscheinlich auch der Tötung des Terroristen Osama bin Laden. Der Republikaner Peter King hatte im Januar eine Untersuchung der Vorgänge im Pentagon angestrengt und deren Ergebnisse sind nun zu Tage getreten. Die Organisation Judicial Watch (Wahlspruch: Because no one is above the law!) veröffentlichte Dokumente von Pentagon und CIA, die den Informationsaustausch zwischen Regisseurin, Drehbuchautor und hochrangigen Sicherheitsbeamten festhalten. So haben Bigelow und Autor Mark Boal letztere getroffen, außerdem sollen sie Zugang zum Kommandeur des Navy SEAL-Teams bekommen haben, das den Angriff auf Bin Ladens Unterschlupf am 2. Mai 2011 durchgeführt hatte. Die Besonderheit: Die Namen der SEALs werden in der Regel nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben. Außerdem, so Judicial Watch, hätte Kathryn Bigelow gar das geheime CIA-Gebäude “The Vault” von innen gesehen, in dem die umstrittene Aktion geplant worden war (ich stelle es mir ungefähr so vor).
Die konservativen Kritiker der Obama-Administration bemängeln nun natürlich deren leichtsinnigen Umgang mit Top Secret-Informationen. Das Weiße Haus wiederum hat zugegeben, dass die Filmemacher sich mit Sicherheitsbeamten getroffen haben. Das Ziel sei gewesen, dass diese die “Fakten korrekt abbilden sollten und keine geheimen Informationen nach außen dringen” (Slate). Bestritten wird dagegen das Meeting mit dem SEAL-Teamleiter.
Kostenlose Wahlkampfwerbung
Das pikante an der Situation rund um Kathryn Bigelows neuen Film ist nun, dass der Informationsaustausch zu einem Zeitpunkt geschah, als der Starttermin von Zero Dark Thirty (so der neue Titel des Streifens) noch im Oktober 2012 lag, also vor den Präsidentschaftswahlen, die am 6. November über den Verbleib von Barack Obama im Weißen Haus entscheiden werden. Da die Tötung Osama bin Ladens als wichtiger Pluspunkt im sicherheitspolitischen Wahlkampf der Demokraten verkauft wird, wurde der Obama-Administration schon Ende letzten Jahres eine Instrumentalisierung des Films als Image-Kampagne vorgeworfen. Immerhin sind die Filmemacher, sofern sie um einen wie auch immer gearteten Realismus bemüht sind, von Informationen aus Regiserungskreisen abhängig. Die Frage lautet jedoch, ob das Pentagon überhaupt an einer wahrheitsgemäßen Abhandlung der Jagd nach Osama bin Laden interessiert ist oder Barack Obama das Image eines eisern durchgreifenden Präsidenten verschaffen will.
Wie viel Raum den Geschehnissen vom 2. Mai 2011 in Pakistan in Zero Dark Thirty gegeben wird, ist noch unklar. Die Vorproduktion des Films wurde durch den Tod bin Ladens letztes Jahr überrascht und umfangreiche Änderungen am Drehbuch können schon vom neuen Arbeitstitel abgelesen werden. Zero Dark Thrity ist nämlich Militär-Sprech für 30 Minuten nach Mitternacht, der ungefähren Zeit, in der Navy SEAL Team Six in Abbottabad zuschlug. Es darf also bezweifelt werden, dass sich der Streifen, wie ursprünglich geplant, auf die Jagd nach Osama bin Laden zu Zeiten der Clinton-Adminstration beschränkt. Immerhin aber wurde der Kinostart von Sony in der Zwischenzeit auf Mitte Dezember verlegt, so dass der Vorwurf der Wahlkampfhilfe nun ins Leere zielt.
Ist der Realismus das wert?
Die grundsätzliche Zwickmühle, in der sich Kathryn Bigelow und ihre Kollegen befinden, aber bleibt. Um die Inhalte des Films auf den neuesten Stand zu halten, ist die Produktion von Informationen aus Regiserungskreisen abhängig, so lang entsprechende Dokumente nicht an die Öffentlichkeit weitergegeben oder durch investigative Recherchen ans Tageslicht befördert werden. Die Gratwanderung, die insbesondere Filmemacher in den USA immer wieder unternehmen müssen, ist eine, die nur schwer ohne Opfer vollbracht wird. Jede Zusammenarbeit mit der Politik, ob es nun um die Weitergabe von Informationen oder die Bereitstellung von militärischer Technik geht, birgt die Gefahr in sich, zum Handlanger bestimmter Institutionen zu verkommen. Das fängt bei der gezielten Streuung von beschönigenden Informationen an und hört im schlimmsten Fall bei Eingriffen in Drehbücher auf. Der Wunsch nach Authentizität kann hier sehr schnell auf Kosten der künstlerischen Integrität erfüllt werden.