Scarface von Brian De Palma und die Pate-Trilogie von Francis Ford Coppola kennt jeder. Die
Popkultur, vor allem der Hip-Hop, zitiert diese Filme unaufhörlich und in so vielen Jugendzimmern
hängen bis heute Poster von Don Corleone oder Tony Montana. Erwachsenwerden heißt auch, sich
mit diesen Filmen auseinanderzusetzen. Junge Männer (oder nicht erwachsen gewordene Hip-Hopper) identifizieren sich gerne mit den Omnipotenzphantasien der Gangster und nicht selten
ahmen sie deren Habitus, wenn auch in der kleinbürgerlichen Ausgabe, nach.
Bei all der Härte und
Brutalität steht immer die Familie im Vordergrund – sowohl Scarface als auch Der Pate leben von ihren kitschigen Momenten, wenn das Blut dicker als Wasser zu sein scheint. Der
jugendliche Zuschauer sieht nicht nur Exzess und Allmacht, sondern geweckt wird auch die Sehnsucht
nach einer heilen Familienwelt – mit einem männlichen Oberhaupt. Wenn man die Entwicklung der
traditionellen Familie und ihre Kollaboration mit dem Kapitalismus studieren will, ist man bei Brian De Palma und Francis Ford Coppola genau richtig. Sie zeigen die Familie als wirtschaftliches Erfolgsmodell und
zugleich auch die Grenzen dieses Modells, denn der Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte kann
alles gebrauchen, nur nicht die Kontinuität, das Statische der Familie. Der Philosoph Peter Sloterdijk
zeigt in seinem neuen Buch „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“, dass wir uns in einer Zeit der
permanenten Umbrüche befinden, die keine Tradition mehr achtet und alles Stillstehende zum
Verschwinden bringen will. Die Auflösung der Familie ist wirtschaftlich gewollt, da sich das Kapital
von den familiären Beharrungskräften nicht länger aufhalten lassen will. Herkunft, Tradition und das
Alte überhaupt gelten als Feinde von Freiheit und Fortschritt. Nur wer mit allem Gewesenen bricht,
könne, so Sloterdijk, heute erfolgreich sein.
Tony Montana ist „ein schreckliches Kind der Neuzeit“
par excellence und auch Vincent, der dritte Pate, kommt diesem Typus sehr nahe – weil sie Tradition
höchstens noch setzen, sich aber nicht mehr in ihr befinden, können sie eine rasante Karriere
hinlegen: Die globale Spekulation und der internationale Drogenhandel brauchen diese schrecklichen
Kinder. Mehr dazu erfahrt ihr im Video.
Wolfgang M. Schmitt jun. analysiert in seinem Videoblog DIE FILMANALYSE mal ideologiekritisch, mal kulturwissenschaftlich und häufig polemisch populäre Filme der Gegenwart und der Vergangenheit.