Wir schauen Better Call Saul - Staffel 1, Folge 1 & 2

11.02.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Uno
AMC
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Kaum ein Serienneustart muss sich schon vor der ersten Folge derart hohen Erwartungen stellen, wie Better Call Saul. Nach monatelangem Warten geht es nun zurück nach Albuquerque, fast ohne wehmütige Erinnerungen an Walt und Jesse.

Vor gut zweieinhalb Jahren machten die ersten Gerüchte die Runde, dass Breaking Bad ein Spin-Off bekommen könnte. Bei der schier unglaublichen Masse an leidenschaftlichen Fans gab es seitdem, oder spätestens seit dem Ende von Breaking Bad, kaum noch ein anderes Gesprächsthema. Das übt natürlich vor allem auf Schöpfer Vince Gilligan und seinen Co-Showrunner Peter Gould einen enormen Druck aus, der sich zwischenzeitlich sogar darin äußerte, dass Gilligan die ganze Sache fast schon bereute.  An ein Zurück war da allerdings schon nicht mehr zu denken, sodass Better Call Saul vergangenen Sonntag in den USA überaus erfolgreich Premiere feierte und AMC die zweite Episode gleich am Folgetag hinterher schob.

Die ersten sechs Minuten von Uno sorgen zunächst einmal für Verwirrung. In einem Flash-Forward sehen wir Saul (Bob Odenkirk) bei der Arbeit in einer Cinnabon-Filiale in Omaha, bevor er eine beängstigende Begegnung mit einem Kunden hat und zuhause schließlich seine alten TV-Spots anschmeißt und an die guten alten Zeiten zurückdenkt. Nun befindet sich Saul hier in genau der Position, die er in seinem letzten Auftritt in Granite State vorausgesagt hat ("If I'm lucky, a month from now, best case scenario, I'll manage to get to Cinnabon in Omaha."), es handelt sich also um einen Flash-Forward, der nach dem Ende von Breaking Bad stattfindet. Das Ganze ist wahrscheinlich bloß ein humoristischer Wink an Sauls finales Schicksal, ein gekonntes Opening, das das Kapitel Breaking Bad endgültig schließt, um sich dann als Serie auf die eigenen Beine zu stellen. Oder sind Vince Gilligan und Peter Gould tatsächlich wahnsinnig genug, aus diesem Prequel irgendwann ein Sequel werden zu lassen?

Das ist aber erst einmal egal. Wir sind zurück in Albuquerque. Zumindest nachdem wir den Gerichtssaal verlassen und erfahren haben, wie schlecht es um unseren Saul Goodman steht: So schlecht, dass er noch nicht einmal Saul Goodman, sondern Jimmy McGill heißt. Nach einer aussichtslosen Verhandlung ("They had sex with a head!") und einem nicht besonders vielversprechendem Kundengespräch wird Jimmy auch noch beinahe von zwei Jungs ausgenommen, die alles andere als clever erscheinen ("Does this steamy pile of crap scream "payday" to you? The only way that entire car is worth 500 bucks is if there's a 300-dollar-hooker sitting in it!"). Allerdings steht es tatsächlich SO schlecht um Jimmy, dass er die beiden Leuchten um Hilfe bittet - und das muss natürlich kräftig in die Hose gehen.

Ein gleichermaßen gängiges wie fatales Problem von Spin-Offs ist ihre Unfähigkeit, als eigenständiges Werk zu funktionieren. Viel zu oft wird sich auf das Vorbild berufen, um eine Relevanz aufrecht zu erhalten, die in entsprechenden Fällen natürlich ohnehin nicht mehr gegeben ist. Vor allem, wenn das Vorbild Breaking Bad heißt, sind entsprechende Befürchtungen sicherlich gerechtfertigt. Umso erstaunlicher ist die Leichtfüßigkeit, mit der Better Call Saul genau dieses Problem umgeht. Saul, oder besser gesagt Jimmy McGill, wird uns vorgestellt und näher gebracht, als hätten wir ihn noch nie zuvor gesehen. Das mag banal klingen, ist aber letzten Endes einer der Gründe dafür, warum diese ersten beiden Episoden so gut sind - sie verzichten weitestgehend darauf, auf das Hauptwerk zu verweisen. Und wenn sie es tun, ja dann haben wir direkt den schwächsten Moment im Piloten: der Auftritt von Tuco (Raymond Cruz). Wenn Jimmy plötzlich eine Waffe vor die Stirn gehalten kriegt und sein mysteriöser Gegenüber sein Gesicht erst vor dem Abspann zu erkennen gibt, indem er sich wie ein hungriger Raptor umsieht, dann fühlt sich das mehr nach einem Fan-Service als nach allem anderen an. Es ist ein Cliffhanger, der nur für Kenner von Breaking Bad funktioniert und darauf sollte ein gutes Spin-Off verzichten können.

Ansonsten ist die Einführung von Tuco natürlich ebenso begrüßenswert wie logisch. Dieser sympathische Psychopath, der zwei Skaterjungs die Zunge aus dem Hals schneiden will, weil sie seiner geliebte abuelita unschöne Dinge an den Kopf geworfen haben, ist eine Bereicherung für das Ensemble an eigensinnigen Charakteren. Seine Beharrlichkeit, in der Wüste mit Saul die größtmögliche Strafe auszuhandeln, befindet sich irgendwo zwischen angsteinflößend und knuffig - genau der richtige Grad für einen Stammbösewicht, denn wie wir bereits wissen, wird Tuco noch eine Weile am Leben bleiben.

Bleiben wir noch einen Moment bei Tuco und Jimmy in der Wüste. Es gibt zahlreiche Gründe, diese Szene toll zu finden, einer davon ist die Art und Weise, wie Jimmy hier in einen direkten Vergleich mit Walter White gebracht wird. Das Setting samt Teilnehmer (Gangster, Opfer, Waffen, Sand und Klebeband) ist für Fans wahrlich kein neues mehr und ich war sicherlich nicht der einzige, der sich voller Vorfreude die Hände gerieben hat, als Jimmys mit dem Kopf in den Sand fiel. Die Sache geht jedoch anders aus, als gewohnt. Als Jimmy im Grunde auf freiem Fuß ist, bringt er sich in Gefahr, um die beiden Jungs aus ihrem Schlamassel zu befreien. Auch wenn die beiden das nicht so richtig zu schätzen wissen ("You're the worst lawyer ever"), handelt er trotzdem einen vergleichsweise fairen Deal aus, obwohl er ihnen ebenso wenig bedeutet wie sie ihm. Und genau in diesem Punkt unterscheidet sich Jimmy von Walter, dessen Aufopferungen sich wenn überhaupt auf seinen engsten Kreis beschränkt haben. Jimmy hingegen scheint trotz seinen Fehlern für Gerechtigkeit stehen zu wollen (mit der selben Begründung schickt er später auch Nacho weg: "I'm a lawyer, not a criminal"), er hat bloß ein gewaltiges Problem: Er ist schwach. Es wird wahrscheinlich eben jene Schwäche sein, die seine Transformation von Jimmy McGill zu Saul Goodman besiegeln wird.

Das Team hinter Better Call Saul betonte in Vergangenheit ja mehrmals und eindringlich, dass sie nicht mit der Vorlage verglichen werden möchten. Das ist insofern erstaunlich, als dass sich die Produzenten dazu entschlossen haben, den ästhetischen Stil von Breaking Bad im Grunde vollständig beizubehalten. Das ist mutig, sehr mutig sogar, weil es die Gefahr mit sich bringt, Fans nostalgisch werden zu lassen. Doch Gilligan und Michelle MacLaren, die Regisseurin von Mijo, hantieren weiterhin munter mit Weitwinkel-Objektiven, lassen ihre Kamera aus unkonventionellen Winkeln filmen, montieren dynamisch und lasten das Sounddesign-Team völlig aus. Die Verpflichtung von Stammkomponist Dave Porter tut ihr übriges, um Better Call Saul aus formeller Sicht ganz nah am Original zu halten. Das sorgt dafür, dass es sich hier deutlich spürbar um einen neuen Eintrag in das Breaking Bad-Universum handelt. Dieser Eintrag hat jedoch das Potential - ich wage es mal ganz vorsichtig auszusprechen - eines Tages ebenbürtig neben diesem anderen Eintrag zu stehen, über den wir fortan nicht mehr reden wollen.

"I just talked you down from a death sentence to six months probation. I'm the best lawyer ever."

Notizen am Rande:

- Einen der besten Gags in diesen beiden Episoden hat die Kamera gemacht: Bevor Jimmy sich mit den Kollegen seines Bruders streitet, nimmt sie die Position eines bereits ramponierten Mülleimers ein, der von Jimmy zunächst einen bösen Blick kassiert und bei seiner Rückkehr gnadenlos zusammengetreten wird.

- Das Büro der Frau im Gericht, mit der sich Jimmy am Anfang um seine Bezahlung streitet, ist bereits überfüllt mit Kuscheltieren. Offenbar war es nicht das erste Mal, dass er die Gunst der Dame mit süßen Plüschtierchen gewinnen wollte.

- "...THAT MAKES ME THE KING! WOOHOO!" Es gibt keine Möglichkeit, Tuco nicht zu lieben.

- Bei dem Song aus dem Flash Forward handelt es sich um Address Unknown  von den Ink Spots, die auch schon bei dem Videospiel Fallout 3 vertreten waren. 

- Wer einfach nicht genug von Saul Goodman bekommt, für den hat AMC einen digitalen Comic  veröffentlicht. Dort könnt ihr mehr darüber erfahren, wie Saul und seine rechte Hand Mike Walter White ausspioniert haben.

Was sagt ihr zu den zwei ersten Folgen von Better Call Saul?

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