American Gods - Unser Recap zu Staffel 1, Folge 6

06.06.2017 - 09:25 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
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American Gods schaltet in puncto Wahnsinn einen Gang hoch und hat jede Menge Spaß zwischen Nazi-artigen Waffenenthusiasten und abgetrennten Götterköpfen.

American Gods kann mit vielen Adjektiven beschrieben werden, aber spätestens nach A Murder of Gods ist eindeutig, welches nicht dazu gehört: subtil. Nun wird Subtilität in der Regel als positive Eigenschaft von Serien und Filmen, die gesellschaftliche Probleme thematisieren, gewertet, aber im Falle von American Gods ist die zunehmende Einsparung von Zwischentönen tatsächlich eine gute Nachricht. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass es stattdessen genug Platz gibt, um sich vollends an dem eigenen Wahnsinn zu erfreuen, ohne sich dabei auch nur in einem Moment zu ernst zu nehmen. Außerdem gelingt Bryan Fuller und Michael Green dabei das beachtliche Kunststück, ihre Figuren trotz aller spaßigen Spinnereien nicht ins Lächerliche zu ziehen. Sie bleiben real, greifbar, verletzlich. Auch, wenn sie sich als Leiche, Djinn und zu groß gewachsener Kobold auf einem Roadtrip quer durch die USA auf der Suche nach Jesus befinden.

Bisher nur am Rande aufgetaucht, wird Jesus, beziehungsweise verschiedene Ausführungen von ihm, plötzlich zu einer zentralen Instanz in American Gods. Die aus Mexiko illegal über die Grenzen kommenden Einwanderer haben einen mexikanischen Jesus im Schlepptau, der sie vor dem Ertrinken bewahrt, auch wenn das letzten Endes nichts nützt. Die Border Patrol hat nicht viel für ihn und seine Lebensphilosophie übrig, sie mähen ihn mitsamt seinen Anhängern mit Sturmgewehren nieder. Die Protagonisten sind damit die ersten in den Coming to America-Episoden, die ihr Ziel niemals erreichen und für den bloßen Versuch mit dem Leben zahlen müssen. An Zynismus reiht sich die Sequenz aber gut in den Gesamttenor ein. Anstatt friedvolles Coming to America warten Kugeln aus dem Hause Vulcan.

Wie sich herausstellt, sind die Mordwerkzeuge nach dem römischen Gott des Feuers benannt, der sich eine sehr treue Anhängerschaft in - wo sonst - Virginia aufgebaut hat und als Manufakturist von Patronen zu einer relevanten Gottheit der USA werden konnte. Dass sich dahinter ein Pakt mit den neuen Göttern verbirgt, muss Wednesday (Ian McShane) eigentlich schon gemerkt haben, bevor Vulcan (Corbin Bernsen) ihm offenbart, ihn und Shadow (Ricky Whittle) ausgeliefert zu haben. Schließlich lässt sich der Deal aus Kilometern riechen und scheint die selben Konditionen gehabt zu haben, wie das Angebot, das Wednesday vergangene Woche bekam. Vulcan arbeitet mit den neuen Göttern zusammen, und dafür bekommt er ein Update für 2017 und seinen Namen im ganzen Land publiziert, schön säuberlich auf jede Kugel eingraviert. Vulcan sieht darin nichts Schlechtes und weiß die Aktualisierung seiner Person zu schätzen: "The power of fire is firepower" resümiert er, nachdem er eine leidenschaftliche Rede darüber hält, wie erfolgreich er aus seinen Künsten ein Franchise gemacht hat. Der Ruhm muss ihm zu Kopf gestiegen sein - anders lässt sich seine Naivität nicht erklären, Wednesday das frisch geschmiedete Schwert in die Hand zu drücken.

American Gods

Für Wednesday und Shadow bedeutete der Ausflug nach Vulcan damit im Grunde nichts als einen überflüssigen Umweg. Sie sind ihrem Ziel nicht ein Stück näher gekommen, verschwendeten ihre Zeit stattdessen in einer Ortschaft, in der der Aufmarsch der Bewohner nicht von ungefähr an den Nationalsozialismus erinnert. Nun lässt sich spekulieren, ob Wednesday den Ablauf des Aufenthalts nicht genau so geplant hat. Ob er nicht von vornherein nach Vulcan gereist ist, um den alten Gott zu töten. Schließlich wird ihm sein Ruhm wohl kaum entgangen sein. Und dass der nicht ohne Anschub von den Feinden zustande kommen konnte, lag ebenso auf der Hand. Das einzige, was er gewonnen hat, ist ein Stückchen mehr von Shadows Glauben - und den scheint er dringend zu brauchen, wie er schon mehrfach zum Ausdruck brachte. In dieser Episode deutete er sogar an, dass er sich als Gott nicht nur vom Glauben ernährt, sondern durch ihn überhaupt konstituiert wird: "People believe in things, which means they're real. [...] So what came first, gods or the people who believed in them?"

Warum gerade Shadows Glauben in American Gods so unglaublich wichtig zu sein scheint, ist noch nicht ganz klar. Ebenso wenig, warum gerade er der Auserwählte ist. Das Verhältnis zwischen Shadow und Wednesday erinnert damit zunehmend an das zwischen Neo und Morpheus in Matrix, dessen Parallelen auf der Autobahn ihren Höhepunkt finden, als Wednesday das wurmartige Baumstück (oder das baumartige Wurmstück?) aus seinem Körper entfernt, eine ziemlich direkte Spiegelung einer entsprechenden Szene  in Matrix.

Derweil irgendwo anders in Amerika: Bryan Fuller und Michael Green versorgen uns mit dem perfekten Roadtrip-Trio, dessen Unabdingbarkeit mir bis dahin gar nicht bewusst war. Laura (Emily Browning), Mad Sweeney (Pablo Schreiber) und Salim (Omid Abtahi) haben eine köstliche Chemie miteinander, mit Salim als ausbalancierendem Ruhepunkt zwischen dem dauerangepissten Sweeney und der ihm in jeder Hinsicht überlegenen Laura. Vor allem Emily Browning und Pablo Schreiber haben einen Draht zueinander, der ihre konstant hysterischen Keifereien zum Genuss gemacht. Und doch dringen immer wieder in der Dreierkonstellation Momente tiefster Menschlichkeit nach außen. Ob es nun Lauras sanfter Blick zu Salim in Reaktion auf Sweeneys Spott ist, oder die Befürchtung, dass Sweeney irgendwo in seiner abstrusen Analsex-Metapher einen Funken Wahrheit verpackt hat, wenn er ihr erklären will, dass Shadow sehr wahrscheinlich nicht mehr das Geringste Interesse an ihr hat.

Genau wie Shadow und Wednesday nehmen auch die drei Reisenden einen Umweg, wenn auch im buchstäblichen Sinne. Anstatt nach Kentucky möchte Laura erst einmal nach Indiana, in die Heimat - sie glaubt, ihre Familie sehen zu müssen, und sei es nur, um sie zu verabschieden. Doch wenn man tot ist, dann kann man all den Pathos auch genauso gut über Bord werfen und sich stattdessen den wichtigen Dingen im (Nicht-)Leben widmen. Zum Beispiel Jesus finden. Oder irgendeinen anderen Gott, der irgendjemanden kennt, der irgendjemanden kennt, der ihr Herz wieder dauerhaft zum Schlagen bringen kann. Dank Sweeney und vor allem Salim kommt sie zu dem einzigen Fazit, das sie voran bringen wird:

"Fuck those assholes."

Notizen am Rande:

  • Bryan Fuller und Michael Green scheinen sich jetzt vollends von der Vorlage verabschiedet zu haben. Nicht eine Szene in dieser Episode entstammt dem Roman von Neil Gaiman.
  • Dass Ian McShane als Wednesday perfekt gecastet wurde, war eigentlich von Anfang an klar, doch die Zweifel dürften endgültig ausgeräumt worden sein, als er auf Vulcans Leiche pisst.
  • Apropos Vulcans Leiche: Es ist schön zu sehen, dass Shadow auf den abgetrennten Kopf trotz allem noch menschlich reagieren und völlig ausflippen darf.

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