Bloodline - Unser erster Eindruck

23.03.2015 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
We’re not bad people, but we did a bad thing.Netflix
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Netflix hat sich mit den kreativen Köpfen von Damages zusammengetan und ein Familiendrama in Serienform auf die Beine gestellt, namentlich Bloodline. Wir haben uns die Pilotfolge angeschaut. Ob es sich auch lohnt, am Ball zu bleiben?

Nachdem Netflix in den vergangenen Wochen mit einer neuen Staffel von House of Cards sowie dem Comedy-Neustart Unbreakable Kimmy Schmidt die Serienlandschaft dominierte, feuert der US-amerikanische Streaminganbieter gleich die nächste Eigenproduktion hinterher. Bloodline ist der Name des neuen Formates, das von niemand Geringerem als dem kreativen Gespann hinter der FX-Serie Damages – Im Netz der Macht kreiert wurde. Dreizehn Folgen aus dem Kopf von Todd A. Kessler, Glenn Kessler und Daniel Zelman stehen seit Freitag auf Netflix zur Schau bereit. Wir haben uns die erste Episode des düsteren Familiendramas angesehen, unsere Gedanken notiert und verraten euch, ob es sich lohnt, sich in den Untiefen des Bingewatchings zu verlieren.

Young man goes out. Looking for the diamond in the sea. Old man rows his boat to shore. And falls on twisted knees. And you'll drown before the water lets you in. And you'll drown before the water lets you in.

Schon die ersten Minuten von Bloodline werden von einer unheilvollen Grundstimmung begleitet. Im Zeitraffer zieht ein Sturm am Strand auf, der die vermeintliche Idylle der Florida Keys in einen apokalyptischen Ort des Grauens verwandelt. Schnell ersticken schwere Wolken den goldenen Glanz der Sonnenstrahlen, die eben noch im Meeresrauschen die Illusion des Paradieses erweckten. Jetzt öffnen sich jedoch die Schleusen des Himmels, kalter Regeln prasselt auf die Erde nieder und wirbelt gleichzeitig matschigen Sand sowie die Vergangenheit einer Familie auf, deren Bloodline sich am blutroten Firmament widerspiegelt. Die Rückkehr des verlorenen Sohnes der Rayburn-Familie kündigt sich bedrohlich am Horizont an. Wie ein Damoklesschwert schwebt sie über den Köpfen der Angehörigen, die sich in der verträumten Korallenwelt zwischen dem Golf von Mexiko und dem Atlantischen Ozean ein Leben aufgebaut haben.

Doch wer sind diese Rayburns eigentlich? Und vor was haben sie so viel Angst? Zuerst gibt es da den Familienpatriarchen Robert Rayburn (Sam Shepard), der gemeinsam mit seiner Frau Sally (Sissy Spacek) in den vergangenen Jahren einen florierenden Pensionsbetrieb auf die Beine gestellt hat. Das Geschäft könnte nicht besser laufen - ganz zu schweigen vom Ansehen, das den Rayburns im verträumten Landstrich am Meer zuteil geworden ist. Während der zweitälteste Sohn von Robert und Sally, namentlich John (Kyle Chandler), als Polizist tätig ist, hat sich Tochter Meg (Linda Cardellini) als erfolgreiche Anwältin einen Namen gemacht und selbst Kevin (Norbert Leo Butz), der sich gerne schon um drei Uhr nachmittags ein Feierabendbier genehmigt, kann auf eine bodenständige Lebensgrundlage verweisen. Und dann taucht plötzlich Danny (Ben Mendelsohn) auf, seines Zeichens ältester Sohn der Rayburns und das schwarze Schaf der Familie.

Obgleich Danny als das komplette Gegenteil seines Bruders erscheint, ist es gerade John, der ihn von der Bushaltestelle abholt - sprich, die Familie ganz praktisch zusammenhält. Die Mutter freut sich, ist erleichtert. Der Vater hingegen kann sein Unbehagen gegenüber Danny nicht einmal im Rahmen eines harmlosen Toasts unterdrücken. Auch unter den Geschwistern herrscht Uneinigkeit hinsichtlich der unerwarteten Präsenz ihres Bruders, der kurze Zeit später (zuerst ganz vorsichtig im Vieraugengespräch mit John) ankündigt, komplett auf die Florida Keys zurückzuziehen. So richtig im Kreis der Familie will Danny allerdings niemand haben. Geradezu selbstverständlich ist die Ablehnung und das Misstrauen gegenüber dem älteren Bruder und mit Sicherheit resultiert es nicht aus den finanziellen Anliegen, die der - offensichtlich - ungebetene Gast zwischenzeitlich zur Sprache bringt.

Via Voice-over lässt John regelmäßig durchblicken, dass vor langer Zeit etwas vorgefallen ist, das das Familiengefüge dermaßen erschüttert hat, dass sich sogar Jahrzehnte später der Mantel des Schweigens wie ein eiserner Vorhang um jenes verheerende Ereignis hüllt. Und genau an dem Punkt, an dem das Vergangene vergessen scheint und das Leben wieder in unschuldige Gefilde zurückgekehrt ist, tauchen die Leichen in der sumpfigen Landschaft der undurchsichtigen Familienhistorie der Rayburns auf. Das Drama verwandelt sich zunehmend in einen Thriller und mit jedem weiteren Happen, den uns die Pilotepisode in ihrer Eigenschaft als gigantischer Expositionsapparat offeriert, bahnt sich eine spezielle Fragestellung den Weg ins Zentrum der Geschehnisse: Geht die natürliche Aversion gegen die Rückkehr des verlorenen Sohnes von diesem selbst aus oder wird er vom Rest seiner Familie in jene unglückliche Position gedrängt, aus der es trotz aufrichtiger Bemühungen seitens Danny kein Entkommen gibt?

Bloodline gibt sich sichtlich Mühe, ein ungeklärtes Geheimnis zu beschwören, als Antrieb und Motor des Auftakts sozusagen. Damit einhergehend werden plotlastige Brotkrümel auf dem Weg zu den finalen Minuten der Pilotepisode rar gesät. Viel mehr geht es um das Erleben der eingangs erwähnten Grundstimmung - als hätte sich der atmosphärische Teil von True Detective in einem Korallenriff verlaufen. Quälend langsam eröffnet das familiäre Labyrinth seine Abgründe mit handfesten Ansagen. In erster Linie beobachten wir schlicht Menschen, die sich darum bemühen, mit allen Mitteln eine vom Einsturz bedrohte Fassade aufrechtzuerhalten. Vom eigentlichen Trauma wagen sowohl die Figuren in der Serie als auch die Drehbuchautoren gegenüber den Zuschauern nur sehr zaghaft zu sprechen. Gegenseitiges Schweigen ist hier die wahre Lüge - genau das, was John seinem Bruder nicht sagt, obwohl wir längst Zeugen eines größeren Teils der Wahrheit geworden sind. Erst zum Schluss bricht der Damm und das Voice-over verliert sich reuevoll im Geständnis:

I always thought the greatest thing that happened to me was being born a Rayburn. Now I'm not so sure. I'm gonna tell you everything. It's not very pleasant. But it's the truth. What we did to our brother ... we had to do. Please don't judge us. We're not bad people. But we did a bad thing.

Um was es sich bei diesem "bad thing" allerdings genau handelt, bleibt weiterhin im Dunkeln verborgen. Zwar gewähren uns das Autoren-Team sowie Regisseur Johan Renck einen genaueren Blick auf eine mehrfach angedeutete, grauenvolle Tat im endzeitlichen Regen, aber es bleibt nur ein winziger Funken in puncto Aufklärung, vorrangig werden mehr Fragen aufgeworfen und Abgründe offenbart. Der 60-minütige Appetitmacher für die darauffolgenden zwölf Kapitel ist folglich insofern gelungen, als dass er stimmungsvoll etwas Gewaltiges anteasert. Bleibt nur zu hoffen, dass Bloodline im weiteren Verlauf nicht ausschließlich auf den Schock solcher Offenbarungen baut, sondern dem reißerischen Familienmysterium ein ordentliches Gewicht in den Figuren entgegensetzt. Denn mit Kyle Chandler, Ben Mendelsohn und Co. darf die Serie selbstbewusst auf ein Ensemble zurückgreifen, das sichtlich bereit ist, sich in der idyllischen Hölle der Florida Keys zu verlieren.

Macht euch der Pilot-Check neugierig auf Bloodline? Habt ihr die Serie vielleicht schon gesehen?

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