Ein epischer Tag mit Michael Fassbender

16.02.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Ein epischer Tag auf der Berlinale
moviepilot/Berlinale
Ein epischer Tag auf der Berlinale
2
9
Die Männer hatten gestern auf der Leinwand nicht viel zu lachen. Michael Fassbender und Channing Tatum mussten mächtig Prügel einstecken und drei Chinesen wurden von einer Frau in den Ruin getrieben.

Ich würde ja unglaublich gerne sagen, dass es gestern auf der Berlinale mal nicht um Frauen-Power ging. Aber das wäre einfach absolut gelogen. Um dem Eindruck entgegenzuwirken, ich hätte etwas gegen Männer, beginne ich daher mit der Schilderung meines unvergesslichen Aufeinandertreffens mit Michael Fassbender.

Warum Haywire der einzige Film des Festivals sein sollte
„Deine blauen Augen machen mich so sentimental…“ Wer hat das noch mal gesungen? Es war bestimmt jemand, der Michael Fassbender sehr gut kannte. Um den Blick auf den Shooting Star auf keinen Fall zu verpassen, verließ ich fluchtartig die Vorführung von Haywire um ja rechtzeitig bei der Pressekonferenz einzutreffen. Bei der Platzwahl kannte ich keine Kompromisse: „Nein, ich muss genau hier sitzen, denn nur auf diesem Platz habe ich einen optimalen Blick auf Herrn Fassbender.“ Der Kollege runzelte die Stirn, gab aber klein bei. Und dann kam er rein: Michael Fassbender, der in natura wahrhaftig noch mehr Charisma und Sexappeal ausstrahlte als auf der Leinwand. Jetzt verstehe ich, warum sein Filmpferd in Jane Eyre immer so erregt war, wenn er in den Sattel stieg.

Der Star der Veranstaltung war aber natürlich Steven Soderbergh, der guter Stimmung war und für viele Lacher sorgte. Als eine Journalistin fragte, ob er wohl aufgehörte habe, ernste Filme zu drehen, antwortete er in Bezug auf Haywire ironisch: „Das ist ein sehr ernster Film. (…) Es hätte der einzige Film bei diesem Festival sein sollen.“ Nach dem das Kichern abgeebbt war, erklärte er, Haywire sei bewusst in der zweiten Hälfte des Festivals aufgeführt worden, damit die Berlinale-Besucher nach so viel schwerer Kost auch mal wieder durchatmen könnten. Außerdem war er noch so frei, die Gerüchte um seine Malereikarriere aus der Welt zu räumen. Die sind nämlich angeblich nur entstanden, weil er Matt Damon im Suff von seinen lang angelegten Plänen berichtet hatte, irgendwann später einmal Kamera gegen Leinwand einzutauschen. Grinsend gab er uns den gut gemeinten Rat mit auf den Weg, Geheimnisse und unausgegorene Pläne niemals mit Matt Damon zu teilen. Nicht, dass ich dazu jemals Gelegenheit hätte…

Haywire ist durchaus ein gelungener Film, aber ganz sicher nicht der wichtigste des Festivals. Denn letztendlich handelt es sich in meinen Augen nur um eine Spielerei mit dem Actiongenre. Das funktioniert und es macht großen Spaß, Martial Arts-Künstlerin Gina Carano dabei zuzusehen, wie sie Channing Tatum, Michael Fassbender, Ewan McGregor und Antonio Banderas die Fresse poliert. Letztendlich ist Haywire ein zwar stilistisch exquisiter, aber auch vollkommen austauschbarer Unterhaltungsfilm. Die Geschichte der Agentin Malony Kane, die auf die Abschussliste ihrer eigenen Kollegen gerät, ist alles andere als originell, auch wenn sie hier spannend erzählt wird.

Ein zoologischer Traum und verzweifelte Chinesen
In dem indonesischen Wettbewerbsbeitrag Die Nacht der Giraffe steht einmal mehr eine Frau im Mittelpunkt der Geschichte. Lana (Ladya Cheryl) wächst in einem Zoo auf, verlässt aber eines Tages mit einem mysteriösen Cowboy und Zauberer (Nicholas Saputra) dieses Refugium und versucht, in der realen Welt Fuß zu fassen. Im Grunde erzählt Regisseur Edwin hier ein Märchen. In seiner Inszenierung des Zoos und der Figur des Cowboys liegt eine Menge Magie. Ich sehe in Die Nacht der Giraffe eine Parallele zwischen den eingesperrten Tieren und dem Schicksal der Protagonistin, die selbst zu einer Art Ausstellungsstück wird. Doch Edwin will hier in meinen Augen nicht in erster Linie soziale Missstände anprangern, sondern eine im wahrsten Sinne des Wortes „zauberhafte“ Coming of Age-Story erzählen.

Das chinesische Epos Bai lu yuan – White Deer Plain dreht sich zwar um die Freundschaft dreier Männer, doch wird die Beziehung zwischen den Figuren durch das Auftauchen einer Frau (Kitty Zhang Yuqi als Tian Xiao’e) durcheinander gebracht. Regisseur n/a erzählt seine Geschichte vor dem Hintergrund einschneidender historischer Veränderungen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in China stattfinden. Ein wenig Vorwissen in Bezug auf die Geschichte Chinas hätte mir sicher geholfen, Bai lu yuan – White Deer Plain besser zu verstehen. Das langsame Erzähltempo und die schleppenden Dialoge machten es mir wirklich schwer, während der drei Stunden Laufzeit am Ball zu bleiben. Dass wir nach dem Film zu viert nicht in der Lange waren, die Beziehungen der Figuren untereinander zu rekonstruieren, ist darüber hinaus für mich ein Zeichen, dass nicht jedes gut gemeintes Epos auch gleichzeitig ein Meisterwerk sein muss.

Sophies gut gemeinte Warnung: Cherry – Dunkle Geheimnisse
James Franco ist kein Garant für gute Filme. Das lehrte mich der Panorama Film Cherry – Dunkle Geheimnisse, den ich vorab in einer Pressevorführung sehen konnte. Hier wird anhand der Karriere von Angelina (Ashley Hinshaw) die Pornoindustrie derart positiv dargestellt, dass nach dem Screening eine Journalistin trocken bemerkte, dass wir jetzt wohl lieber alle umschulen sollten. Lediglich Heather Graham als lesbische Pornoregisseurin hat mich hier wirklich begeistert. James Franco hingegen kriegt in seiner Rolle des Anwalts und gescheiterten Künstlers Frances die Zähne nicht auseinander. Da der sonst so adrette Schauspieler hier nicht mal besonders gut aussieht, ist auch sein Mitwirken kein echter Pluspunkt. Cherry – Dunkle Geheimnisse könnt ihr euch getrost sparen!

Auf meinem Blog könnt ihr noch einmal detaillierter nachlesen, wie mir die genannten Filme gefallen haben. Wer bei film-zeit.de vorbeischaut, findet außerdem noch weitere Pressestimmen zu den Berlinale-Filmen.

Was meint ihr: Macht Steven Soderbergh noch mal einen ernsten Film oder schwingt er eher den Pinsel?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News