Indiefilme aus dem Niemandsland

31.03.2011 - 08:50 Uhr
Zwei starke US-Indie-Filme
Lighthouse Home Entertainment/ Ascot Elite Home Entertainment
Zwei starke US-Indie-Filme
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Heute läuft bei uns Winter’s Bone an, der erstaunlich große Parallelen mit Frozen River hat. Wir schauen auf US-Independentfilme aus dem Niemandsland.

Es gibt Filme, die seltsam verwandt miteinander scheinen, so als ob ihre Macher sich abgesprochen oder voneinander abgekupfert hätten. Winter’s Bone und Frozen River sind so ein Fall. Beide liefen sie auf dem Sundance Festival und wurden dort ausgezeichnet, beide Hauptdarstellerinnen waren für den Oscar nominiert, beide wurden von talentierten Nachwuchsregisseurinnen verfilmt und spielen in einem Teil der USA, der rein gar nichts mit New York oder L.A. zu tun hat. Den heutigen Start des ausgezeichneten Dramas Winter’s Bone nehme ich hier zum Anlass, um euch auch den exzellenten Frozen River vorzustellen, der hierzulande als DVD-Titel vorliegt. Karg und rauh erinnert der aktuelle Kinofilm vom Setting her an Frozen River, den ähnlich niederschmetternden Indiefilm, der im US-Niemandsland spielt, wo sie Bewohner nichts besitzen, nichts hoffen, nichts erträumen.

Während Winter’s Bone in den Ozark Mountains von Missouri spielt, führt uns der Film von Courtney Hunt nach North County, den nördlichsten Part des US-Staats New York an der kanadischen Grenze. Dort leben Menschen, die mit wenig auskommen müssen, die ohne Auto ein Nichts sind und deren Leben vielen Problemen ausgesetzt ist: der Arbeitslosigkeit, der Alkoholsucht, der Spielsucht, dem Rassismus. Manche Einwohner stammen aus der Mohawk-Reservation, die trifft es noch härter. Weiße geben ihnen keinen Job, hart treffen sie die täglichen Blicke der kleinen Gemeinden. In dieser Welt lebt Ray Eddy (Melissa Leo) mit ihren beiden Söhnen, der Mann hat das Geld in Kasinoa verbrannt und ist auf und davon. Um wenigstens das Essen bezahlen zu können, lässt sie sich auf einen Deal ein, der sie grundauf verändern wird: Sie schmuggelt Menschen über die Grenze mit Kanada.

Winter’s Bone von Debra Granik wiederum erzählt die Geschichte der minderjährigen Ree Dolly (Jennifer Lawrence), die irgendwo in der US-Pampa ihren kriminellen und abwesenden Vater finden muss, damit sie nicht das Haus verliert, in dem sie mit den kleinen Geschwistern und der völlig apathischen Mutter lebt. Nach dem Roman von Daniel Woodrell, der den Stil des Country Noir geprägt hat, erlebt der Zuschauer die hartnäckige und zielgerichtete Suche einer 17jährigen in einem, pardon, recht assozialen Milieu, nach ihrem schäbigen Vater, der die Familie im Stich gelassen hat. Obwohl eigentlich die Story einer Tochter auf der Suche nach ihrem Vater erzählt wird, stellt das wunderschöne Werk der überaus talentierten Debra Granik eigentlich die Kritik an einem Land in den Vordergrund, welches seine Kinder verwahrlosen lässt und ihnen als Ausweg aus der Misere einzig 40.000 Dollar Prämie bei 5-Jahres-Verpflichtung zur Armee in Aussicht stellt. Ree Dolly, weiblich, 17 Jahre alt, Familienoberhaupt, hat überhaupt keine Chance mehr im Leben. Vielleicht wird sie einmal heiraten, vielleicht Kinder bekommen, vielleicht wird ihr Mann auch saufen und sie schlagen, oder alles durch Drogen und illegale Wetteinsätze verhunzen. Für Ree ist niemand da – und gerade das prangert der Film auf so gewalttätige Art und Weise an.

Jennifer Lawrence, die gerade für die Hauptrolle in Die Tribute von Panem – The Hunger Games bestätigt wurde, spielt derart überzeugend, dass sie für den Oscar nominiert wurde. Und ironischerweise gegen Melissa Leo verlor, die ihn aber nicht für Frozen River, sondern für The Fighter gewann. Eins haben beide Schauspielerinnen jedoch gemeinsam erreicht: Sie sind durch ihre Oscar-Nominierungen ins Rampenlicht der Studios und der Zuschauer gerutscht, nachdem sie jahrelang – und, wie im Fall von Melissa Leo, jahrzehntelang -, stark unterschätzt waren. Ein paar Mal hätte Jennifer Lawrence sicher schon die Chance auf den großen Durchbruch gehabt: Fast wäre sie die Bella in Twilight geworden. Diese Ehre ging dann aber (zum Glück) an ihr vorbei und heute steht Jennifer Lawrence dort, wo viele große Charakterdarstellerinnen vielleicht nach zehn Jahren waren.

Winter’s Bone läuft ab heute in den deutschen Kinos. Frozen River gibt es bei amazon für 9,15 Euro zu kaufen.

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