Lars von Trier ist einer der großen Ausnahmeregisseure unserer Zeit. Seine Werke sorgen immer wieder für Kontroversen. Seine Person steht für den fleischgewordenen Skandal. Fast scheint es so, als habe sich diese mediale (Re)präsentation über das Werk wie ein dunkler Schatten gelegt, der den eigentlichen Zugang zu ihm versperrt. Den frauenfeindlichen Äußerungen des Regisseurs kann nur ein frauenfeindlicher Film folgen, so war eine Grundthese in der Rezeption des Meisterwerks Antichrist. Doch ist das wirklich so? Haben wir es hier mit einem chauvinistischen Werk zu tun? Geht es hier vorrangig um eine gescheiterte Therapie?
Antichrist selbst spricht eine andere Sprache, die enorm emanzipatorisch ist und an eine über hundert Jahre währende Tradition des Feminismus anknüpft. Bei all den mythischen und mystischen Elementen des Films, spricht die Textur die klare Sprache der Revolution.
Nachdem Lars von Trier in den 90ern noch eine weitgehend linksliberale Botschaft mit seinen Filmen transportierte, ist spätestens seit Dogville die Stoßrichtung eine andere. Der an die Lehrstücke Brechts gemahnende Film zeigt das Scheitern von Reformen und die Notwendigkeit von Revolutionen auf. Auch in Melancholia geht es um nichts anderes als um die Befreiung des Menschen.
Dieser Tendenz bleibt Antichrist in noch konzentrierterer Form treu. Ein Mann und eine Frau, beide namenlos, tragen stellvertretend den Kampf der Geschlechter aus. Daß eine Revolution durchaus blutig sein kann, wird durch die Splatter-Elemente unterstützt. Die Widmung am Ende des Films für Tarkowskij ist keineswegs als leere Provokation gedacht. Wie ist das Verhältnis von Natur und Materialismus – das ist eine Grundfrage in Tarkowskijs Werk, mit der sich Lars von Trier auf seine Weise auseinandersetzt.