Last but not least - vergessene Publikumslieblinge

21.02.2011 - 08:50 Uhr
Olos Diary: Even the Rain & Life in a Day
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Olos Diary: Even the Rain & Life in a Day
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Während die Entscheidungen der Wettbewerbsjury kaum jemand überraschte, ließ sich das Publikum bei der Vergabe des PanoramaPublikumsPreis weniger in die Karten schauen und führte Stefan und mich ganz schön vor.

Das waren sie also, die 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin und gleichzeitig die erste Berlinale, die die Ehre hatte, von mir begleitet zu werden. Stefan hat in seiner Zusammenfassung bereits über das “wie” und “warum” der Vergabe des Goldenen Bären spekuliert. Mein Hauptaugenmerk richtet sich darum auf die drei Gewinner der Panorama-Sektion. Denn die Resonanz war eindeutig: Beim Wettbewerb waren richtige Höhepunkte Mangelware und die eigentlichen Filmentdeckungen fanden in den anderen Sektionen statt.

Die Panorama-Sektion und ihre Gewinner
In dieser Sektion sind neue Filme renommierter Regisseure und Regisseurinnen ebenso anzutreffen wie Debütfilme und spannende Neu-Entdeckungen. Die Filmauswahl versteht sich als ein Ausblick auf die Tendenzen des Arthouse-Kinos und versucht eine Brücke zu schlagen zwischen künstlerischen Visionen und kommerziellen Interessen.

Und dann der Regen – Der PanoramaPublikumsPreis-Gewinner
Ein Filmteam angeführt von einem getriebenen Regisseur – gespielt von Gael García Bernal – will in Uruguay das wahre Leben von Christoph Kolumus verfilmen. Während des Drehs eskaliert die politische Situation im ohnehin bereits gebeutelten Land. Die Regierung privatisierte die Wasserversorgung und lässt sein Volk vor den versiegelten Brunnen verdursten. Das Filmteam erkennt die erschreckenden Parallelen die sich zwischen der Ausbeutung der Eingeborenen zur Zeit der Kolonialisierung und der Gegenwart auftun. Und dann der Regen ist ein beeindruckender Film, der zwischen den verschiedenen Realitäten innerhalb des Films springt und die Wasserkriege der Versklavung der Eingeborenen durch Christoph Kolumbus und seiner Männer gegenüberstellt. Der Film verbindet exzellente dramaturgische Qualitäten mit einer brisanten politischen Aussage, die cineastisch sehr schön mit einer Film-im-Film Inszenierung verknüpft wurde, die eine Brücke in die berühmt-berüchtigte Geschichte des Landes schlägt.

Medianeras – 2. Platz
Medianeras ist eine romantische Betrachtung von zwei verlorenen Existenzen in der Großstadt, die sich nie begegnen, obwohl sie für einander geschaffen sind. Buenoes Aires ist der Schauplatz, in denen sich Mariana und Martin unentwegt knapp verfehlen und nur ein kleiner Schubser wäre nötig, um ihre beiden Leben für immer zu verflechten. Doch das Schicksal hat anderes im Sinn. Kurz und knapp gesagt, darf Medianeras als Argentiniens bodenständige aber auf seine Art verträumte Antwort auf 500 Days of Summer betrachtet werden. Der Film ist keine verkitschte Abhandlung über die Liebesnöten von Großstädtern, sondern eine treffend beobachtete und enorm vergnügliche Studie über Menschen, die sich durch das Internet zwar der Welt näher, aber dem eigenen Leben entfremdet fühlen.

Life in a Day – Ein Tag auf unserer Erde – 3. Platz
Das Konzept ist schnell erklärt: Es handelt sich hierbei um den ersten YouTube-Kinofilm aller Zeiten, bestehend aus Videos, die weltweit am selben Tag von unterschiedlichen YouTube-Usern aufgenommen und von Regisseur Kevin Macdonald (Der letzte König von Schottland – In den Fängen der Macht) zusammengefügt wurden. Entstanden ist – auch ohne Katzen oder niesende Pandas – ein zutiefst berührendes Werk von Menschen über Menschen. Ein Film voller kleiner Geschichten, Montagen, Momentaufnahmen und Gegenüberstellungen. Der Regisseur nutzt das ganze Repertoire der Schnittkunst, um die Clips in einem neuen Licht und einem neuen Kontext zu zeigen. Life in a Day – Ein Tag auf unserer Erde darf als einer der ersten Filme betrachtet werden, der sich die Chancen des Web 2.0 zu nutze machte, fernab von den mittlerweile Alltag gewordenen viralen Filmkampagnen. Kevin Macdonald gelang ein Film über eine bislang noch kaum genannte Generation, keine Youtube-Jugend, sondern wahrhaftige Menschen abseits des virtuellen Rampenlichts. Und ich möchte inhaltlich nur etwas vorweg nehmen: Der Film behandelt den 24. Juli 2010. Also muss sich das deutsche Publikum auf einen besonders nachhaltigen Eindruck gefasst machen.

Temperamentvolles Kino
Wir hatten es bereits während unseres Berlinale Countdowns prophezeit und es sollte sich auch bewahrheiten. Südamerikanische Filme waren dieses Jahr an der Berlinale so präsent wie nie. Sowohl Und dann der Regen, Medianeras als auch der Teddy Award Gewinner Ausente konnten Auszeichnungen mit nach Hause ins heimische Argentinien und Mexiko nehmen. Nur im Wettbewerb wurde dem Filmkontinent die ganz große Ehre verwehrt. Lediglich The Prize wurde für seine Kameraarbeit und das Produktions Design mit einem silbernen Bären ausgezeichnet, wobei diese Juryentscheidung für einiges Stirnrunzeln beim Berlinale-Fachpublikum sorgte.

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