Für das Re-Release des 1981er Abenteuer-Thrillers Roar - Die Löwen sind los wählte Drafthouse Films eine geschickte Strategie: Das online veröffentlichte Poster zum Film ist ein GIF, das eine Szene aus dem Film zeigt, in der ein Löwe beinah den Kopf eines Mannes abbeißt. Bei Roar handelt es sich um ein elfjähriges Mammut-Projekt, dessen Produktion vermutlich mehr Schicksalsschläge erleiden musste als Apocalypse Now - und das will was heißen. Was genau sich hinter diesem Film verbirgt, lässt sich nur schwer beschreiben, doch Rope of Silicon zitiert eine wahrhaft interessante Zusammenfassung des Drafthouse-Mitarbeiters Tim League. Hier findet ihr das geniale Poster sowie die Geschichte hinter Roar, bei dessen Produktion 70 Mitarbeiter verletzt wurden.
Roar begann, als Tippi Hedren [Star in Alfred Hitchcocks Die Vögel] und ihr Ehemann/Manager Noel Marshall in Afrika drehten. Nach Beendigung der Produktion tourten sie durch mehrere Safari-Wildnis-Reservate und waren von der Szenerie eines verlassenen Plantagen-Hauses überwältigt, welches von einem Rudel Löwen bewohnt war. Das Bild brannte sich ein und inspirierte die epische, elfjährige Reise um Roar - Die Löwen sind los zu kreieren.
Hedren und Marshall haben sich schnell verpflichtet gefühlt, auf die Überjagung von wilden Löwen, Tigern und Jaguaren, als auch die unmenschliche Behandlung von Großkatzen in Gefangenschaft aufmerksam zu machen. Sie waren überzeugt, Roar würde Aufmerksamkeit für ihr neues Lebensziel erregen. Als sie bei Tiertrainern um Unterstützung baten, wurde ihnen erklärt, ihre Idee sei eine Suizid-Mission und sie wurden als "durchgeknallt" und "vollständig und absolut verrückt" bezeichnet.
Unerschrocken lernten Hedren und Marshall kurz darauf, dass Großkatzen extrem territorial sind und sich nur verbinden, wenn sie gemeinsam großgezogen werden. Daraufhin begannen sie, heimlich Löwen zu adoptieren und in ihrem großen Haus in Beverly Glenn heranzuziehen. Sechs Jahre lang lebten, schliefen und aßen Hedren und ihre Tochter, die damals junge und aufstrebende Schauspielerin Melanie Griffith, zusammen mit Marshall und seinen drei Söhnen in ihrem Haus, Seite an Seite mit einem größer werdenden Rudel Löwen.
Als ihre Großkatzen-Sammlung auf über 100 Tiere wuchs, wurde der Schatten von Beverly Hills zu klein: Die gesamte Hedren-Marshall Familie kreierte Shambala, ein Natur-Reservat 40 Meilen nördlich von Los Angeles, wo der Dreh begann.
Aufgrund ihrer Nähe zu den Tieren bestand der gesamte Cast aus Marshall, Hedren, ihren vier Kindern und ein paar bewährten Tiertrainern. Der aufstrebende europäische Kameramann Jan De Bont (Regisseur von Speed) wurde rekrutiert, um den Film zu drehen - seine erste amerikanische Produktion. Was folgte, waren fünf Jahre in der erschreckendsten und gefährlichsten Film-Produktion, die das menschliche Auge je gesehen hat.
Cast und Crew erlitten unzählige Verletzungen, mit über 70 blutigen Attacken, die dokumentiert wurden. Obwohl niemand starb, gab es mehrere brenzlige Situationen, allen voran De Bont, der von einem Löwen skalpiert wurde und 220 Stiche am Kopf benötigte. Hedren erlitt ein gebrochenes Bein und tiefe Kopfwunden. Griffith wurde von einem Löwen gerissen, das Resultat waren 100 Stiche und rekonstruktive Operationen. Noel wurde so oft von den Löwen verletzt, dass er schlussendlich mit Wundbrand ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Durchgehend die selbe Crew zu behalten wurde zur Unmöglichkeit, da Verletzungen und Sicherheitsrisiken sie vom Set fern hielten. Die Produktion erlitt ebenso mehrere Überschwemmungen, inklusive einer, bei der zahlreiche Großkatzen starben und die ohnehin problematische Finanzierung einen weiteren Schlag erlitt.
Investoren zogen sich zwei Jahre nach Beginn der Produktion zurück, weshalb Hedren und Marshall sich gezwungen sahen, praktisch alles, was sie besaßen, zu verkaufen, um selbstständig das schlussendliche Fünf-Millionen-Dollar-Projekt zu finanzieren. Bevor Marshall bei Roar Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller wurde, war er ausführender Produzent bei Der Exorzist, dessen Einnahmen teilweise die Produktion finanzierten. Nachdem Desaster über Desaster das Set heimsuchten, begann die Crew zu glauben, Roar sei dem "Fluch des Exorzisten" anheim gefallen, welcher auf dessen finanzielle Probleme anspielt.
Doch De Bont, Hedren und Marshall wollten sich dem intensiven Schaden nicht beugen und heilten weiterhin Wunden, bauten Sets neu auf und engagierten Crew für Crew, um die Produktion zu beenden. Die berühmt-desaströsen Produktions-Geschichten über Apocalypse Now und D.N.A. - Experiment des Grauens erblassen im Vergleich zu den Gefahren und dem Chaos, die das Set von Roar heimsuchten.
Als der Film 1981 endlich Premiere feierte, bezeichnete Variety Roar als den "Desaster-geplagtesten Film in der Geschichte von Hollywood". Es war auch ein finanzielles Desaster. Glücklicherweise erlaubt uns die vergangene Zeit, Roar als das zu sehen, was es wirklich ist: der epischste und unglaublichste Tier-Thriller, der je gemacht wurde. Er gibt sich wie der Fieber-Traum eines Disney-Films. Der leichte Slaptstick-Humor maskiert einen der intensivsten und aufregendsten Thriller, der je zu sehen war. Der Cast befindet sich in permanenter Todesgefahr, wenn Dutzende ausgereifte Löwen um sie herum "improvisieren". Mehrfach ist Marshall am Bluten, während er wilde Angriffe von Jaguaren und Tigern abwährt. Melanie Griffiths reale Attacke ist im finalen Cut zu sehen. Ein Jaguar, der Honig von Tippi Hedrens Gesicht leckt, war eine ungetestete Idee, die sehr schnell sehr, sehr böse hätte enden können. Kennt man die Hintergrundgeschichte der Produktion, lässt sich der konstante Terror in den Augen des Casts erkennen, wenn eine Armee tödlicher Jäger sich um sie herum schließt.
Das Re-Release des Films findet zunächst im Frühling in ausgewählten Kinos in den USA statt. Später soll eine Blu-ray- und DVD-Version des Films erscheinen. Neben dem GIF-Poster gibt es natürlich auch eine unbewegte Version, die dennoch Eindruck zu schinden weiß.
Ist euer Interesse an Roar geweckt?