Wir schauen Daredevil - Staffel 1, Folge 11 & 12

20.05.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
The Path of the RighteousNetflix
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Daredevil setzt alles in Bewegung, um das ganz große Finale vorzubereiten. Inmitten von Kämpfen und Explosionen müssen alle Figuren in dieser Stadt mit Verlusten und Schuld umgehen.

Der Pfad der Gerechten ist auf beiden Seiten gesäumt mit Freveleien der Selbstsüchtigen und der Tyrannei böser Männer. Samuel L. Jackson hätte in seiner ikonischen Rolle als Jules Winnfield für Marvel's Daredevil sicherlich einen ganz hervorragenden Off-Kommentator abgegeben. Sein im popkulturellen Allgemeinwissen fest verankerter Monolog hätte innerhalb von Path of the Righteous eine gute Figur gemacht und das nicht nur aufgrund der nahe liegenden Ähnlichkeit im Titel.

Immerhin meint beinahe jede Figur in dieser Serie, den Pfad der Gerechten zu beschreiten. Für den Helden solch einer Serie mag das trotz seiner moralischen Dilemmata auch so üblich sein, doch in Daredevil ist selbst die Gegenseite völlig aufrichtig davon überzeugt, das Richtige zu tun. Im Gegensatz zu den meisten seiner Äquivalente im Comic-Universum möchte Wilson Fisk (Vincent D'Onofrio) gar kein gezieltes Chaos und Verderben mit sich bringen, sondern die Tyrannen seines moralischen Kosmos bekämpfen, um so seiner Stadt die bestmögliche Zukunft zu ermöglichen. Dieser Kampf wird sogar tatsächlich in solch einem Ausmaß greifbar gemacht, dass es einer ausgeprägten Empathielosigkeit bedarf, um nicht mit Fisk im Krankenhaus zumindest ansatzweise mitzufühlen. Denn Fisks Pfad wird nicht nur durch einen maskierten Matt Murdock (Charlie Cox) so steinig gemacht, sondern auch durch diejenigen Parteien, die ihn als stereotypen Bösewicht sehen wollen, denn nur als solcher funktioniert er als Kopf der kriminellen Unterwelt von Hell's Kitchen. Es ist schließlich Fisks Sträuben gegen eine Rolle als gefühlloser Soziopath, das ihn diesen emotional schmerzhaften Krankenhausaufenthalt einbrockt und nicht seine Position als boshafter Endgegner von Matt. Daredevil präsentiert hier eine für Comicverhältnisse erfrischend ambivalente Charakterisierung des Gegenspielers, durch die der Tod von Wesley (Toby Leonard Moore) vielseitigere Gefühle auslöst, als es von einer derartigen Szene zu erwarten wäre.

Auf dem Papier handelt es sich bei seinem Ableben nämlich um einen zutiefst befriedigenden Moment. Auf der einen Seite natürlich, weil er als rechte Hand vom Kingpin eine Lücke hinterlassen wird, die nicht leicht zu schließen sein wird und damit Matt in seinem Kampf gegen Fisk einen großen Schritt nach vorn bringt. Auf der anderen Seite aber auch, weil Karen (Deborah Ann Woll) sich ausnahmsweise nicht von ihren männlichen Kollegen aus der Patsche helfen lassen muss und stattdessen geistesgegenwärtig handelt, die Waffe vom Tisch schnappt, als Wesley für den Bruchteil eines Augenblicks abgelenkt ist, und ihn einfach umbringt. Sie setzt ihn nicht bloß mit einem Schuss außer Gefecht, sondern schiebt gleich des gesamte Magazin hinterher, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen. Trotzdem ist die erste Reaktion auf diesen Schock kein befreiender Jubelschrei, sondern die Frage, wie es jetzt mit Fisk weitergehen soll. Der befindet sich immer noch besorgt an der Seite von Vanessa (Ayelet Zurer) und versucht unentwegt, seinen loyalsten und besten Freund Wesley zu erreichen. Falls dieser Vorfall endgültig Fisks Schicksal besiegelt haben sollte, dann ist das der vielleicht tragischste Niedergang eines Bösewichts, den das Marvel Cinematic Universe bislang gesehen hat. Tragisch, weil er sich nicht den Konventionen des Superbösewichts beugen will und stattdessen emotionale, zwischenmenschliche Beziehungen aufbaut, nur um mit anzusehen, wie sie Stück für Stück zerfallen. Tragisch aber auch, weil er, genau wie alle anderen Charaktere auch, über kurz oder lang an dem Wesen von Hell's Kitchen zugrunde gehen wird: Es kann kein Happy End für ihn geben. Selbst wenn er Matt und seine Mitstreiter los werden würde, bliebe immer noch der Verlust seines besten Freundes und eine durch seine Geschäftspartner verwehrte glückliche Beziehung zu Vanessa.

Der Gegenseite geht es in dieser Hinsicht nicht besser. Die Autoren von Daredevil schaffen kurz vor dem Staffelfinale einen denkbar pessimistischen Ausblick auf die Zukunft ihrer Figuren, was natürlich symptomatisch für das von Gewalt und Hoffnungslosigkeit durchtränkte Hell's Kitchen ist. Karen plagt sich jetzt schon mit ihren Schuldgefühlen herum, einen Menschen getötet zu haben. Diese Schuldgefühle können mit Hinblick darauf, den "Richtigen" in einer Notwehrsituation erwischt zu haben, vielleicht früher oder später eingedämmt werden. Doch sie wird nicht umhin kommen, sich für den Tod von Ben Urich (Vondie Curtis-Hall) mitverantwortlich zu machen. Immerhin hat sie ihn hintergangen, um ihn an Fisks Mutter zu bringen, was ihm diesen gewaltsamen Tod letzten Endes beschert hat. Seine Frau wird nun ohne ihn in einem Hospiz zurecht kommen müssen und nicht zuletzt hat auch Karen selbst eine Vertrauensperson verloren.

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