Community

Zwischen Genie und Wahnsinn

19.10.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Bild zu Zwischen Genie und Wahnsinn
20th Century Fox/moviepilot
Bild zu Zwischen Genie und Wahnsinn
0
7
Mitte der 80er-Jahre begab sich Kult-Regisseur David Cronenberg auf eine ungewisse, aber abenteuerliche Reise. Es war ein gewagtes Unterfangen, gleichwohl Remakes damals noch nicht so sehr die Leinwände beherrschten, wie sie es vielleicht heutzutage tun. Und doch schuf er etwas, was man zumindest so schnell nicht wieder vergessen sollte.

Dieser Artikel entstand im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster.

Im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster begebe ich mich mal wieder auf furchteinflößende Pfade, die ebenfalls einen erschreckend ekeligen Beigeschmack für den einen oder anderen Kinogänger gehabt haben müssen. Denn ich kann mir kaum vorstellen, dass man David Cronenberg's Interpretation von der Fliege damals in allen Ecken und Schichten mit einem willkommenden Lächeln begrüßte. So hat sich Cronenberg damals schon ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt, indem er so manchen Zuschauer mit sensiblem Gemüt mit Sicherheit das ein oder andere Stressfältchen auf's Gesicht gezaubert hat.

Wissenschaftler Seth Brundle in seiner eigenen Todesmaschine

Besonders lange habe ich ehrlich gesagt nicht darüber nachgedacht, welches Monster ich für die Aktion Lieblingsmonster nehmen sollte, als ich erfahren habe, dass diese Aktion stattfinden wird. Zuerst kam mir der Gedanke von Godzilla, also wirklich einem echten Monster durch und durch, doch dann habe ich überlegt, wie es wäre, sich mit Col. Hans Landa aus Inglourious Basterds zu beschäftigen, dieser hätte mit Sicherheit auch ziemlich viel Schreib- und Lesestoff bereitgestellt. Doch dann habe ich gedacht: "Was wäre, wenn man das mit dem Monster nicht ganz zu hundert Prozent wörtlich nimmt und dennoch einen mitfühlenden menschlichen Touch hinzufügen würde?". Und da kam mir sofort der Wissenschaftler Seth Brundle in den Sinn, der, in meinen Augen, wie geschaffen war für dieses seltene Konstrukt aus Verachtung und Mitgefühl.
Denn es gibt viele Meinungen zu Seth Brundle. Die einen nennen ihn "vollkommen verrückt und durchgedreht", die anderen nennen ihn "gutherzig" und haben Mitleid mit ihm und seiner Situation. Gleichzeitig finden sie es erstaunlich und beachtenswert, dass er auch in solch einer Lage noch versucht, der Menschheit mit der Wissenschaft etwas Gutes zu tun und versucht, aus seinem Schicksal das Beste herauszuholen. Ich denke, es ist beides in Ordnung. Obwohl ich mehr zu den zweiten Menschen gehöre, denn der Schicksalsschlag, der Seth Brundle hier widerfahren ist, war ja in keinster Weise beabsichtigt und trat durch einen Unfall in das Leben des Wissenschaftlers. Gerade auch die Tatsache, dass man Brundle am Anfang von The Fly noch in reiner menschlicher Form antrifft, und so zu sagen von Anfang an an seinem Werdegang und seinem Schicksal teilnimmt, würde diese Meinung noch einmal unterstreichen. Denn begegnet man der "Brundle-Fliege" und ihrem gezeichnetem Wesen, so ist es auch eine merkwürdige Mischung aus Furcht, nein, vielmehr Ekel, und aber auch Trauer, die einen erfüllt. Denn man kennt den Menschen Brundle, der vor seiner Verwandlung wie besessen versuchte, eine Revolution in der Teleportation zu schaffen und diese dann letztendlich auch schaffte. Deshalb ist es umso trauriger, wenn man dem neuen Äußeren von Seth Brundle gegenübersteht. Gerade diese eine Szene im Badezimmer, die wohl mittlerweile jedem Horrorfan ein Begriff sein müsste, in der Brundle (in seinem Verwandlungsstadium jetzt schon weit fortgeschritten) herausfindet, dass er langsam "zu verwesen" scheint und sich nach und nach die Fingernägel herauszieht, läßt einem immer noch einen regelrechten Schauer den Rücken hinunterlaufen.

Die Verwandlung hinterläßt so langsam ihre Spuren

Doch was soll Seth tun? Sich umbringen, Selbstmord begehen? Das könnte man denken und sich vielleicht auch vorstellen, wenn man an seiner Stelle wäre, doch was er macht ist unglaublich selbstlos und in einem gewissen Blickwinkel auch unglaublich verrückt. Aber er macht es trotzdem. Statt in grenzenlosem Selbstmitleid und Verzweiflung über sein Schicksal zu versinken, macht er weiter. Er analysiert weiter, er probiert und er reflektiert weiter. Ganz ohne Zweifel ist er Wissenschaftler durch und durch, auch in solch dunklen, furchteinflößenden - vielleicht letzten - Momenten seines Lebens.

Und gerade diese Mischung aus Mitleid und Ekel macht für mich die Faszination von Cronenbergs Werk aus. Denn, so hat man es zuvor eigentlich nie gesehen, ist es doch eine sehr einzigartige Mischung, die in seiner Summe den Zuschauer auf eine Achterbahn der Gefühle mitnimmt. Hinzu kommt eine unglaubliche Menge an Drama, wenn die eigentlich verliebte Veronica Quaife sieht, wie sich ihr Verehrer ganz langsam in ein Monstrum verwandelt und dabei vor Erschöpfung zusammenbricht. Besonders dieser Moment, in dem Veronica Seth - oder was von ihm noch da drin ist - erschießen soll, geht mir immer unter die Haut und ist so dramatisch, wie ich es mittlerweile in so manchen Filmen vermisse, bei denen es eigentlich der Fall sein sollte. Denn auch Geena Davis' Darstellung der unschuldigen Veronica ist unglaublich ehrlich und authentisch gespielt, was man spätestens in jenem Moment mehr als spürt.

Veronica muss das Schicksal ihres Geliebten mit ansehen

Diese einzigartige, zwar unglaublich ge­gen­sätz­lich erscheinende, aber dennoch stimmig und harmonisierend umgesetzte Mischung aus Ekelgefühl, Mitleid und Drama ist für mich das, was David Cronenbergs Die Fliege ausmacht und war für mich der Grund, warum ich mich letztendlich für diesen Kultfilm entschieden habe. Denn das Monster, war eben nie schon immer ein Monster, sondern ist unfreiwillig durch einen fatalen Fehler zu einem geworden, und dennoch ist bis zum Ende immer noch, auch wenn vielleicht nicht viel, ein Stückchen Mensch hinter diesem abscheulich aussehenden Wesen, in das sich Jeff Goldblum hier verwandelt. Unglaublich gut inszeniert und sehr gut gespielt, stellt er meiner Meinung nach zu recht einen WAHREN Meilenstein der Filmgeschichte dar.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Sponsoren der Aktion Lieblingsmonster:

Aktion Lieblingsmonster

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News