Der Erfolg des Yellowstone-Universums hat dem Western-Genre in den letzten Jahren zu einem neuen Höhenflug verholfen. Auch Netflix springt auf den Hypezug auf und hat für 2025 gleich vier neue Western-Stoffe in der Pipeline. Als erstes Projekt geht am 9. Januar mit American Primeval eine der härtesten Serien des Streaming-Diensts an den Start. Ob sie sich lohnt, erfahrt ihr hier im Serien-Check.
Brutaler Western-Krieg bei Netflix: Darum geht's in American Primeval
Es ist das Jahr 1857: Das Grenzgebiet von Utah ist einer der gefährlichsten Orte des Wilden Westens, an dem jede Person tagtäglich inmitten von Blut und Dreck ums nackte Überleben kämpft. Denn hier tobt ein grausamer Krieg zwischen mormonischen Milizen, indigenen Stämmen und der United States Army um den Besitzanspruch des Utah Territory.
Mitten in diese gnadenlose Umgebung stolpert die vor dem Gesetz fliehende Sara (Betty Gilpin), die mit ihrem gehbehinderten Sohn vom Osten des Landes nach Crooks Springs reisen will, wo sich ihr Ehemann befindet. Nachdem ihr Guide ums Leben kommt, schließt sich Sara den Mormonen Jacob (Dane DeHaan) und Abish (Saura Lightfoot Leon) als Teil eines großen Siedlertrecks an. Doch es kommt zu einem folgenschweren Angriff, der die Charaktere gewaltsam voneinander trennt und jede Figur in ihre eigene persönliche Hölle schickt.
American Primeval widmet sich damit dem Mountain-Meadows-Massaker von 1857, bei dem über 100 Siedler getötet wurden. Für die Serie wurde diese Geschichte jedoch fiktionalisiert, wobei realhistorische Personen, wie Mormonenführer Brigham Young (Kim Coates) und Fort-Gründer Jim Bridger (Shea Whigham), mit fiktiven Charakteren vermischt werden.
American Primeval ist ein atemloser Western-Survival-Thriller
Wer eine tiefgründige Dramaserie mit komplexen Charakterentwicklungen sehen will, wird mit American Primeval wenig Freude haben. Regisseur Peter Berg will vielmehr ein Gesamtbild des Elends und der Erbarmungslosigkeit zeichnen, mit dem die Siedler:innen zu dieser Zeit konfrontiert wurden. Und das schafft er eindrucksvoll.
Mit oft weitwinkligen Handkameraeinstellungen, deren Look nicht zufällig an den Western-Thriller The Revenant erinnert (für den American Primeval-Autor Mark L. Smith ebenfalls das Drehbuch beisteuerte), haftet sich die Kamera nah an die Charaktere und folgt ihnen unmittelbar durch den Horror des Wilden Westens. In zahlreichen Action-Sequenzen entfesselt sich ein brutaler Überlebenskampf, in dem hinter jeder Ecke der Tod lauert und kaum eine Atempause bleibt.
Die spannende historische Kulisse des Mormonenkriegs in Utah wird dabei zum Auslöser verschiedener und sich teilweise überschneidender Einzelgeschichten des Überlebens, die alle von Brutalität und Grausamkeit gezeichnet sind. American Primeval ist nichts für schwache Nerven, wenn Menschen mit expliziter Gewaltdarstellung skalpiert, erschossen oder mit Beilen erschlagen werden. Wenn in einem besonders schmerzhaften Moment einem kleinen Jungen von einem wildgewordenen Pferd die Knochen zertrampelt werden, trifft einen die Serie mit aller Härte.
Während andere Western-Serien, wie das Yellowstone-Prequel 1883, die unberührte Natur des Wilden Westens in ihrer ganzen Schönheit darstellen, fängt die Netflix-Serie diese stattdessen in depressiven und entsättigten Grautönen ein. Das sieht nicht immer schön aus, aber spiegelt die Trostlosigkeit der Geschichte treffend wider.
Lohnt sich die Netflix-Serie American Primeval?
Spätestens jetzt sollte euch klar sein, dass American Primeval definitiv keine Wohlfühlserie ist. Die insgesamt sechs Episoden sind zwar recht kurzweilig, aber (im besten Sinne) niederschmetternd. Der deprimierende Grundton der Serie, der sich bis zum tragischen Finale der Miniserie durchzieht, lässt inmitten der rauen Kälte und Hoffnungslosigkeit wenig Raum für Wärme. Klar, passt das zur Handlung, erschafft allerdings auch eine gewisse Distanz zu den Charakteren und ihrem Leid.
Ein weiterer kleiner Kritikpunkt: American Primeval wirkt in seinem Ansinnen, möglichst viele thematische Teilaspekte der Western-Erzählwelt abbilden zu wollen, manchmal zu überambitioniert und überfrachtet. So haben wir unter anderem eine Weiße, die in die Kultur der Shoshonen geführt wird; eine Verschwörung der Mormonenmiliz Nauvoo Legion; dem Wahnsinn verfallene Pioniere; die politisch angespannte Situation zwischen Utah-Gouverneur Brigham Young und der US Army sowie die Vorgänge im Handelsposten Fort Bridger.
Vor allem die Geschichte von Sarah und dem von Verlust gezeichneten Einzelkämpfer Isaac (Taylor Kitsch), welche die Serie zu Beginn klar als Hauptfiguren etabliert, hat im späteren Verlauf keine Überschneidungspunkte mehr mit anderen Storylines. Durch ihre dramaturgische (und optische) Isolation könnten ihre Schicksale auch eine eigenständige Serie sein.
Trotz dieser teils zerstückelten Handlungselemente erschafft American Primeval ein faszinierendes Western-Kaleidoskop des Grauens, das sich mit seinem ungewöhnlichen Look, seiner schonungslosen Härte und einer überraschend femininen Perspektive auf den Siedler-Horror des 19. Jahrhunderts aus der Masse durchschnittlicher Netflix-Serien positiv hervorhebt.
Die Miniserie American Primeval steht seit dem 9. Januar 2025 bei Netflix zum Streamen bereit. Grundlage für diesen Serien-Check sind alle 6 Episoden.