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Vor 25 Jahren: Schüsse zum "Boyz n the Hood"-Start

12.07.2016 - 00:01 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
"Increase the Peace": zu optimistisch?
Hieronymus Hölzig
"Increase the Peace": zu optimistisch?
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Am 12. Juli 1991 kam "Boyz n the Hood" in die amerikanischen Kinos. Der Film ist ein Aufruf für mehr Frieden unter jungen Afroamerikanern. Doch die Kinosäle wurden auch zum Schauplatz dessen, was täglich auf der Straße geschah.

Die frühen Neunziger waren der Zenit des "New Black Cinema". Afroamerikanische Regisseure wie Mario Van Peebles und Spike Lee drehten Filme, die Schwarze nicht, wie sonst oft üblich, stereotyp einsetzten, sondern sich thematisch zu ihrer eigentlichen gesellschaftlichen Situation begaben. Als im Oktober 1990 die Dreharbeiten zu "Boyz n the Hood", dem vielleicht bekanntesten Werk dieser Strömung begannen, war dessen Regisseur und Drehbuchautor gerade einmal 22 Jahre alt.

Kindheit am Originalschauplatz

John Singleton wuchs im berüchtigten South Central Los Angeles  auf. Geboren 1968, erlebte er von Anfang an mit, wie sich der Bezirk zum Austragungsort für den Kampf "Bloods" gegen "Crips" entwickelte. Die Straßengangs mit ihren roten bzw. blauen Kopftüchern wurden ab 1972  tonangebend. Singleton beteiligte sich nie an einer der Gruppierungen, dennoch bedeutete sein Viertel für ihn Armut, Korrumpierung zum Diebstahl und Begegnungen mit rassistischen Polizisten, die mitunter selbst schwarz waren. Sein Vater nahm ihn oft ins Kino mit, liebte Orson Welles, legte den Grundstein für die spätere Leidenschaft seines Sohns . Während der Highschool begann dieser mit dem Schreiben von Drehbüchern, Columbia Pictures kaufte Anfang der 90er sein Skript mit dem Titel "Boyz n the Hood" und gewährte ein Budget von 7 Millionen US-Dollar . Singletons Buch erzählte vom Aufwachsen einiger Jugendlicher inmitten von South Central LA - Eine Geschichte, aufbauend auf persönlichen Erfahrungen. Und deshalb bestand Singleton auch darauf, selbst Regie zu führen .

"Increase the Peace"

Außer Rapper Ice Cube und "Apocalypse Now"-Darsteller Laurence Fishburne waren die meisten Schauspieler, darunter Cuba Gooding Jr. und Angela Bassett noch weitgehend unbeschriebene Blätter. Viele Mitglieder der zu großen Teilen schwarzen Crew erkannten schnell den Wert dieses Films, denn er erzählte als erstes größeres Projekt vom Leben dieser absturzgefährdeten Jugendlichen der ärmeren Viertel. Die befreundeten Hauptfiguren sind an die Crips angelehnt, ihre Widersacher an die Bloods. Die warmen Farben und das bedrohliche Grollen früher Hip-Hop-Sounds als Umrahmung der ständigen Gegenwart von Gewalt sind das markante Markenzeichen von "Boyz n the Hood". Der Film zeigt seine jungen Figuren zwar als schlichte und mitunter schwer kriminelle Charaktere, doch er vermittelt auch einfühlsam das Potential, die Chance, auf den rechten Weg zu gelangen. Sie haben Hoffnung auf den Ausstieg, sie philosophieren auf ihre Art, sie lieben und sie fürchten. "Tre Styles", "Doughboy", "Ricky" heißen sie - und brennen sich beim Zuschauer ein. "Increase the Peace" - "Erhöht den Frieden" - heißt es im Abspann. Doch die Botschaft kam nicht bei allen an.


Falsche Message?

Als am 12. Juli 1991 "Boyz n the Hood" US-weit startete, kam es zu 25 Fällen  von Gewalt und Schießereien in und um Kinos herum. Zum Teil waren sich Mitglieder verfeindeter Banden in den Sälen begegnet. 33 Verletzte und 1 Toter waren landesweit die Folge. Bei dem Getöteten handelte es sich um den 23-jährigen Michael Booth, der in einem Drive-In der afroamerikanisch dominierten Stadt Riverdale bei Chicago erschossen wurde. Das war in der Nacht auf den 13. Juli kurz nach einer Spätvorstellung passiert, als der 29-jährige Timothy Turner wahllos nach einer Person gesucht haben soll, "die man erschießen könne ". Der Film wurde fortan in einigen Kinos unter erhöhter Sicherheit, in einigen Kinos gar nicht weiter gezeigt . Columbia Pictures und Singleton sahen sich gezwungen, das Werk öffentlich zu verteidigen, welchem viele Gegner gar eine gewaltverherrlichende Haltung attestierten. Entsprechendes ließ auch Regina Booth , eine Schwester des Todesopfers verlauten. Erwartet hatte man so viele Tragödien nicht zwangsläufig, denn als 1989 Spike Lees Do the Right Thing im Kino lief, wurden keinerlei vergleichbare Vorfälle  vermerkt. Der entscheidende Unterschied lag wohl darin, dass "Boyz n the Hood" sehr konkret die Problematik der Bandenrivalität thematisierte. Viele "Bloods" empörten sich  zum Beispiel über ihre Darstellung als Schwächlinge statt als "richtige Gangster". Als Auslöser für die Ausschreitungen schloss Singleton inhaltliche Story-Details dennoch weitgehend aus. Vielmehr habe die Thematik eben schlicht und ergreifend das Interesse gewaltbereiter Personen geweckt und somit Geschehnisse in den Kinosaal verlagert, die sich sonst draußen abspielten. Viele Kritiker waren ohnehin begeistert und 1992 wurde John Singleton für den Drechbuch- und Regie-Oscar nominiert. In der Auswahl zur "Besten Regie" hatte bis dato noch nie ein Afroamerikaner gestanden. Mit 24 Jahren war er zudem der jüngste Kandidat  in dieser Kategorie - und brach damit einen Rekord von Orson Welles.

Wirklich erschreckend und erschreckend wirklich

Wie real die Misstände auf der Leinwand waren, zeigte sich an vielen Ereignissen im Nachgang. Der Freispruch von vier Polizisten, die im März 1991 den Schwarzen Rodney King misshandelt hatten, löste 1992 in Los Angeles Unruhen mit 53 Todesopfern  aus. Dedrick Gobert, der im Film den Schnuller-tragenden "Dooky" spielt, wurde 1994 im Alter von 22 Jahren nach einem illegalen Straßenrennen zusammen mit einem Freund ermordet . Sonny Enraca wurde für die Tat 1999 zum Tode verurteilt. Lloyd Avery II  war im Film als Mörder mit rotem Basecap zu sehen. Tatsächlich wurde er später Mitglied der "Bloods", erhielt wegen zweifachen Mordes  eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und wurde 2005 von seinem Zellgenossen umgebracht.

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