CALVAIRE verlegte das Kettensägenmassaker in die belgische Provinz, schob Backwood zurück ins Hier und Jetzt, VINYAN schubste ein Pärchen auf der Suche nach ihrem Kind ins "Herz der Finsternis" , dichtete APOCALYPSE NOW zum Survival-Grusler um.
So unterschiedlich beide Werke waren, so ähnliche war ihr Tonfall, der so einzig und mit einer solchen Freude an Schräglage daherkam, das sich Fabrice du Walz quasi aus dem Stand damit eine eigene Nische geschaffen hat.
Seine visuelle Herangehensweise ruft oftmals Namen wie Refn oder gar Lynch auf den Zettel, sein Humor, der sich oftmals kaum als solcher enttarnen lässt, erinnere an Todd Solondz oder gar Trier.
Vergleiche die nur bedingt greifen, und in solcher Anhäufung immer nur zeigen, wie schwer es ist, sich einem Stil anzunähern, der sich zwar hier und da was ausleiht, aber in sich ganz eigen ist.
ALLELUIA bietet alle bisher bekannten Trademarks seines Autors und Regiesseurs, baut darauf auf und diese weiter aus.
Mit der Mär vom mordenden Pärchen, eine Archetyperzählung die seit BONNIE&CLYDE auf der Leinwand geistert, findet Walz schonmal genau den richtige Nagel um den misanthrophischen Spott, den galligen Humor der sich schon in CALVAIRE vorfand, an die große Leinwand zu hängen, sein Regiestil, der sich dieser Erzählung über fehlgeleitete Leidenschaft nähert, sorgt in seiner wahnhaften Inszenierung zudem dafür, das man sich von ähnlichen Mörderprächen , wie zuletzt zb. in Ben Wheatleys SIGHTSEERS, deutlich abgrenzt.
Auch sonst bleibt natürlich alles anders bei du Walz. Der Vorspann kommt erst am Ende, die Gewalt unerwartet, eine Katharsis gibt es in Form einer Gesangseinlage, die Erinnerungen an die schräge Tanznummer aus CALVAIRE aufkommen lässt, Humprey Bogart wird referenziert und überhaupt Kino als großer Verfremder und ALLELUIA damit als sich selbst bewusst dargestellt.
Über allem die Lüge der Liebe.
Liebe im Film als religiöse Epiphanie, der wir dann im wahren Leben so blindlings suchend hinterherrennen, bis jeder zu einem Mr. Right, einer Ms. Wrong werden kann, bis der Druck der Erwartungshaltungen sich in Einsamkeit, bestenfallls Leid und Abhänhigkeiten, nicht in etwas schönes und wirklich bedeutungsvolles entlädt.
Liebe als schamanischer Hexentanz, dessen Bilder übergestülpt oder am anderen Ende schmerzhaft exerziert werden müssen.
Dazwischen ätzende Randbemerkungen.
Über lustgreise Damen, die alles für den Sugardady ihrer Wahl tun würden, und über scheinreligiöse Menschen, denen der Klingelbeutel als Ablass zur göttlichen Liebe genügt.
Im Hier und Jetzt wird nicht geliebt. Es wird gefickt.
Alles so zweideutig gefimt, das ALLELUIA jederzeit von Drama zu Horror, von Liebesfilm zu Terror, von Satire zu Krimi kippen kann und das auch oftmals genauso durchspielt.
Das daraus entstehende Spannungsfeld ist ALLELUIAS größte Stärke, lässt den Zuschauer ob seines Verlaufes lange im Unklaren, und wird am Ende, wenn sich Du Walz den Storybeats seiner Mördermär letztendlich beugen muss, leider auch zu seiner größten Schwäche.
Wie bei einer herbeigesehneten Liebelei verpufft alle Antizipation, alles Herbeigesehnte an der letzten Realität, die so aufgeladen mit Wünschen und Erwartungen, sich selbst in einer Wolke aus "That´s it folks" verabschiedet.
Der beißende Spot, die bizarrste Einstellung und plötzliche Volte kann nicht darüber hinwegtäuschen, das ALLELUIA eine im Kern höchst konservative, zehntausend Mal durchgenudelte Geschichte erzählt.
Wenn auch in Du Welz ureigenem Tonfall.
Das reicht immernoch für ein komplett verspultes, zeitweise wirklich enervierendes Sehvergnügen, verpufft aber nach seinem Ab/Vorspann schneller, als die letzte Sommerromanze.
Von dem Nachhall den noch CALVAIRE hinlegte, ist ALLELUIA meilenweit entfernt. Zwar besser gespielt und gefilmt, klüger inszeniert und griffiger geschnitten, aber mit seinem Dreh zur Realität hin dem Phantastischen beraubt, aus dem Walz Erstling noch seine große Faszination bezog. Dort konnte nicht nur alles mögliche passieren, dort passierte auch alles mögliche.
Selbst VINYAN zerbrach fast an Walz Bereitschaft HEART OF DARKNESS im letzten Drittel zur Dschungel-Variante von HILLS HAVE EYES umzubiegen, koste es was es wolle. ALLELUIA fehlt am Ende genau dieser wahnwitzige Schneid, das Blueprint des mordenden Pärchens wird nicht verlassen.
Es bleibt ein unterhaltsamer Abend "at the movies", eine Feststellung die ALLELUIA mit Augenzwinkern selbst referenziert, aber auch die leicht ernüchternde Feststellung, das hiermit zwar handwerklich und stilistisch , aber auch leider inhaltlich bis jetzt Fabrice du Walz "sicherster" Film vorliegt.

Community-Meinung zu Alleluia - Ein mörderisches Paar