Mit Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1 neigt sich die Zaubersage deutlich ihrem endgültigen Ende entgegen. Zeit, sich nochmal zu überlegen, ob wir uns den ganzen Mumpitz nicht von Anfang an hätten schenken können. Oder warum wir zumindest den neuen Film meiden sollten.
1. Getretener Quark wird breit nicht stark
Wenn ich Peter Jackson etwas verübele, dann, dass er mit dem Erfolg der Herr der Ringe-Filme zum Posterboy aller unkontrollierten Regisseure wurde, die nicht in der Lage sind, sich von Material zu trennen. Was für die Ringstory schon in Teilen galt, wird in Harry Potter zur Methode: Die Schinken sind lang! Chris Columbus hatte zwar kein Gespür für die Atmosphäre der Bücher, klebte aber sklavisch an der Vorlage, das sich jegliches Tempo und jede Spannung im Ansatz verflüchtigte. Jeder Nebensatz, jede Nebenfigur wurde ausführlich bebildert – bis Alfonso Cuarón das Zepter übernahm und die ausufernde Handlung auf das Wesentliche einkürzte. Leider haben sich seine Nachfolger daran kein Beispiel genommen und deswegen wird das letzte Buch jetzt sogar auf zwei Filme ausgedehnt – und das, obwohl Harry Potters Camping-Tagebücher schon in der Vorlage ein paar hundert Seiten weniger durchaus vertragen konnten. In der Verfilmung dieser depressiven Wander-Orgie ist dann doch die eine oder andere halbe Stunde zuviel an Nebenhandlungen und Herumgerenne… ;)
2. Digitale Elfen kriegen auf die Zwölf
Dobby war ja schon im zweiten Teil eine nervige Landplage, aber dass die Tricktechniker, die in den anderen Filmen schon glaubhaft Drachen und Hypogreifs zum Leben erweckten, es auch im Jahre 8 nach Gollum nicht hinbekommen, die Hauselfen wirklich realistisch aussehen zu lassen, irritiert dann doch. Denn auch wenn Kreacher noch halbwegs durchgeht: Dobby sieht nach wie vor aus wie eine Kreuzung aus Nacktmull und Puppenkasper und bewegt sich leider auch in den dramatischen Szenen nicht wie irgendetwas das tatsächlich lebt.
3. Now that the magic has gone…
Ganz ehrlich: Die Luft ist genauso raus wie aus jeder Langzeitbeziehung. Galt es früher noch, eine magische Welt voller Wunder zu entdecken, ist sie mittlerweile so realistisch und trostlos geworden wie die Realität. Selbst die Zauberduelle wirken wie simple Ballereien im Krimi, wenn statt Pistolen die Zauberstäbe Tod und Verderben bringen. Und auch wenn die Lage düster ist: Ein klein bisschen Humor würde dem Ganzen gut zu Gesicht stehen. Selbst in Weltkriegen wurde mehr gelacht als im aktuellen Potter-Abenteuer.
4. Können wir bitte mal ein anderes Poster haben?
Warner, ihr wollt doch, dass die Leute in den Film gehen? Ihr wollt doch mit viel Getöse neue Plakate enthüllen! Wenn wir uns irgendwie für die Poster interessieren sollen, dann bitte: Macht mal ein neues Poster. Denn abgesehen davon, dass die Blagen immer älter werden, sieht jedes Poster seit Teil 2 genau gleich aus. Grimmig guckende Kinder mit Nebel in Grau- oder Blaugrün, die ihre Stäbchen nach vorne recken. Es kann doch nicht so schwer sein, sich einmal etwas Neues auszudenken.
5. Wer die Bücher nicht kennt, ist verloren!
Schlimmer noch als bei der letzten Telenovela ist bei den Potter-Filmen jeder verloren, der die Bücher nicht kennt, denn die Filme haben mit der Zeit eine Art Kurzschrift eingeführt, bei der Sachen, die in den Büchern ausführlich behandelt werden, nur angedeutet werden – egal, wie wichtig sie sind. Dadurch funktionieren die Filme für Buchkundige vielleicht ganz gut, lassen aber jeden Neuling absolut im Regen stehen. Was sich gerade im neuen Film bemerkbar macht, der hektisch versucht, die ganzen Erzählstränge noch schnell unter einen Hut zu bekommen und dabei dann mal die Beziehung zwischen Lupin und Tonks in einem Nebensatz abhandelt, weil sie ja irgendwie vorkommen muss…
6. Die Stars steigen aus
Es mag für einige ja ein Schock sein: Aber Eule Hedwig hat diesmal nur einen Gastauftritt, wahrscheinlich weil sie sich für die Hauptrolle in Die Legende der Wächter vorbereiten musste und damit als erster Potter-Star ein eigenes Spin-Off bekommt. Und sie ist nicht die Einzige: Im letzten Film hat sich Dumbledore, alias Michael Gambon verabschiedet und auch der restliche Cast macht sich zunehmend rar. Was schade ist, denn gerade die Lehrer und übrigen Erwachsenen waren immer die Glanzlichter der Filme. Allesamt gestandene englische Schauspiel-Legenden wie Alan Rickman, Richard Griffiths, Julie Walters oder Maggie Smith. Waren sie schon in den früheren Filmen oft nur Garnitur, sind sie jetzt ganz draußen oder nur für Sekunden im Bild. Und überlassen den Film damit Daniel Radcliffe, was uns zu unserem siebten und letzten Punkt bringt:
7. Daniel Radcliffe can’t act
Er mag ja ein sympathisches und sogar ganz intelligentes Kerlchen sein, wenn man diversen Interviews glaubt. Er beweist sicher auch Mut, wenn er als schniedelschwingender Pferdemörder in Equus auf der Bühne steht, aber als Harry Potter war er einfach eine Fehlbesetzung. Statt eines introvertierten, traumatisierten Jungen, der er in den Büchern ist, bekamen wir in Teil 1 einen breit grinsenden Wonneproppen in quietschbunter Kulisse, der alles mit wohligem Giggeln kommentierte und mit seiner braven Kindergarten-Frisur nichtmal optisch aussah wie Potter.
Denn Daniel Radcliffe ist einfach ein sehr mässiger Schauspieler, dessen Auswahl an unterschiedlichen Gesichtsausdrücken von manchem Playmobil-Männchen überboten wird. Angst, Zorn, innerer Tumult- in seinem Gesicht findet sich nichts von all dem wieder und einen Hauch von Leid oder Verwegenheit bekamen die Regisseure nur dann hin, wenn sie ihm kiloweise Blut und Dreck ins Gesicht schmierten.
Dass die unglückseelige Pubertät aus diesem Harry eher einen breitschultrigen Hairy Potter machte, der in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes 1 aussieht als könne er mit Voldemort mal eben vor die Tür gehen und ihm die Zähne in den Rachen schieben, verträgt sich ebenfalls schlecht mit der Buchfigur, in der ein 17jähriger, innerlich zerrissener Junge einen Kampf ausfechten muss, für den er ein jeder Hinsicht unterqualifiziert scheint.
Selbst den Filmemachern scheint das Dilemma bewusst zu sein, sie versuchen gar nicht mehr Harry wie 17 erscheinen zu lassen. Im vorigen Teil sagte Dumbledore: “Du brauchst ne Rasur, Harry” – diesmal möchte man angesichts der behaarten Brust Radcliffes hinzufügen: Und das nicht nur im Gesicht.
Natürlich lasst ihr euch von diesen Gründen sowieso nicht davon abbringen, das vorletzte Potter-Abenteuer zu sehen. Denn die echten Fans werden mit ihren Stars den Weg zuende gehen. Und falls ihr noch ein paar wirklich gute Gründe für den Kinobesuch braucht, dann hat Kollege Orlindo hier sieben Gründe für Harry Potter gesammelt.
Bis dahin, Avada Kedavra ähm Arrivederci!