American Gods - Unser Recap zu Staffel 1, Folge 2

09.05.2017 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
American Gods - The Secret of the SpoonsStarz
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In der zweiten Episode macht American Gods so ziemlich da weiter, wo es aufgehört hat: Dieses Mal darf ein Vorschlaghammer Blut ejakulieren.

Es sind blutrünstige Götter, die American Gods uns Folge für Folge vorstellt: Im Piloten ist es Odin, der seine Anhänger erst mit ihrem sehnsüchtig erwarteten Wind beschenken will, als sie sich gegenseitig niedermetzeln. Auch Anansi (Orlando Jones) schafft es, seine Anhänger zum Selbstmord zu überreden. Anansi gilt in der westafrikanischen Kultur als Gott der Täuschung, der in der Lage ist, die Menschen mit seiner scharfzüngigen Redegewandtheit in die Irre zu führen. Und tatsächlich ist es seine an Martin Luther King Jr. angelehnte Rede ("A hundred years later!"), die die zur Sklaverei verdammten Gefangenen dazu bringt, das Schiff mitsamt ihrem eigenen Leben untergehen zu lassen.

Anansi mag die Gefangenen zum Kamikaze-Angriff verführt haben, aber man kann ihm eigentlich nicht vorwerfen, sie ausgetrickst zu haben. Er hat die gewünschte Reaktion durch emotionales Geschick erzielt, doch seine Prognose für die Zukunft ist für die Insassen im Jahr 1697 blanke Realität. Sie werden versklavt wie mehrere Generationen nach ihnen, weit über 100 Jahre lang. Es mag ein bisschen harsch formuliert sein, wenn einer der Gefangenen besorgt einwendet, dass die Zerstörung des Schiffes Selbstmord wäre und Anansi ihm lediglich entgegnet: "You are already dead, asshole." Unrecht hat er jedoch nicht, auch wenn es ihm sicherlich in erster Linie darum ging, angemessen vergöttert zu werden. Und angemessen vergöttert werden heißt, Opfer zu bekommen. So sind sie, die Götter in dieser Welt. Die einen wollen ein brennendes Schiff, die anderen eine Einverleibung durch die Vagina.

Die zwei Götter-Mythen (beide fast schon zynisch mit Coming to America betitelt) könnten deshalb kaum amerikanischer sein, weil sie letzten Endes Immigranten-Geschichten sind. Immigranten-Geschichten mit einer düsteren Botschaft: In Amerika erwartet euch nichts als Gewalt. Die Wikinger können keine zehn Schritte auf amerikanischem Boden machen ohne flächendeckend von Pfeilen durchlöchert zu werden, auf dem Sklavenschiff ist erzwungene Migration schon mit Gewalt übersät, die Aussicht auf die Neue Welt sogar schlimm genug, um sich selbst mitsamt allen Insassen den Flammen hinzugeben. Und ihre Götter? Die denken gar nicht daran, irgendwas anderes als ebenso rohe Gewalt einzufordern, fast so, als wollten sie sich den amerikanischen Umständen anpassen. Dort könnte ja vielleicht eine neue Karriere warten: Wenn Anansi sich in Form einer Spinne bis zur Küste treiben lässt, dann scheint er nicht ganz abgeneigt zu sein, mit seinen Methoden vielleicht einmal ein amerikanischer Gott zu werden.

Ein paar Jahrhunderte später: Shadow (Ricky Whittle) wird aus einem digital konstruierten Gefährt rausgeworfen und von einem Lynchmob kurzerhand an den nächsten Baum gehängt. Er überlebt durch einen glücklichen Zufall, doch seine Probleme fangen hier erst an. In seinem Haus wird er beim Abschied von Laura (Emily Browning) von dem erigierten Penis seines besten Freundes verfolgt (Bryan Fuller hat für American Gods jede Menge harte CGI-Schwänze versprochen  - und er liefert) und beinahe in den Wahnsinn getrieben. So viel ist klar: In diesem Ort hat er nichts mehr verloren. Was bleibt ihm anderes übrig, als sich Wednesday anzuschließen und einfach zu schauen, was passiert? Immerhin wird er gut bezahlt. Da kann man sich auch ruhig mal mit übergroßen Kobolden prügeln, sich durch einen Fernseher mit Lauren Bacall (Gillian Anderson) unterhalten und vielleicht einfach mal hinnehmen, dass da noch eine Welt unter der Welt ist. Und daraus schlussfolgern, sein Leben genauso gut bei einer Partie Dame setzen zu können.

Im Aufeinandertreffen mit Czernobog (Peter Stormare) kommt schließlich so einiges zusammen, was American Gods bislang an Themen behandeln wollte. Immigration, Faszination für Gewalt, sexuelle Perversion. Auch Czernobog (ein Gott aus der slawischen Mythologie , dessen Name übersetzt schwarzer Gott lautet) und die anderen Bewohnerinnen der Wohnung kamen nach Amerika, weil sie "milk and honey" erwarteten. Stattdessen vegetieren sie emotional erfroren in einem versifften Apartment und stecken ihre sexuelle Energie in erotische Groschenromane und für die Kuhschlachtung vorgesehene Vorschlaghämmer – die brachiale Waffe dient ziemlich unzweideutig als Phallussymbol, das auf Reibungen offenbar mit Blutejakulationen reagiert und damit ein völlig plausibler Begleiter Czernobogs ist. Auch er scheint sich bei seinen Schlachtungserzählungen bis kurz vor den Orgasmus reden zu können.

In Bryan Fullers Vision eines von Göttern besiedelten Amerikas, die sich bislang selten, aber in sehr angenehmer Weise von der Vision Neil Gaimans unterscheidet, bringen die Immigranten ihre Götter auf den Kontinent, ohne selbst jemals Fuß fassen zu können. Und wenn Czernobog und Anansi einen Hinweis darauf geben, wie es den Göttern selbst ergangen ist, dann bleibt ein schmutziger, desillusionierter Zustand voller Intrigen und Blut, der sich schon längst der Gewaltspirale hingegeben hat. In dieser Welt gibt es keine Tabus mehr, weshalb der konstant sexuelle Touch in der ästhetisierten Gewaltdarstellung - die nach Hannibal wohl kaum jemanden überraschen dürfte - bzw. die allgemein mit ausgestelltem Pathos und Prätention um sich schmeißende Inszenierung den Nagel kaum besser auf den Kopf hätte treffen können.

Sex und Gewalt suhlen sich in dieser Welt von American Gods Seite an Seite mit der Moral im Schlamm: Was ist noch geil, was ist schon krank? So ganz klar ist das schon lange nicht mehr, das wissen auch die Bewohner dieses Universums. Am Esstisch hält Czernobog einen kleinen Monolog über sich und seinen Bruder und ihre Heimat. Bei seinem Bruder handelt es sich um Belobog , ebenfalls ein Name aus der slawischen Mythologie, übersetzt weißer Gott. Damals, in der Heimat, war die Sache für die Leute eindeutig: Der Helle ist der Gute und der Dunkle ist der Böse. Doch Belobog ist nicht mehr weiß und Czernobog ist nicht mehr schwarz. Zuhause vergessen, in den USA "like a bad memory", ist er grau geworden, ebenso wie sein Bruder. Wer gut und wer schlecht ist, wer kann das jetzt noch sagen?

Shadow auf jeden Fall nicht, der sich noch nicht ganz an die Charaktere gewöhnt hat, die er durch Wednesday kennenlernt. Aber dass da etwas im Anmarsch ist, ist ihm nicht entgangen. Wednesday rekrutiert offenbar Stück für Stück ein Team um sich herum, während irgendwo da draußen eine der Virtualität zugewandte Gruppe gegenteilige Pläne - wie auch immer die aussehen mögen - hat und bereit ist, ihre Gegner mit der nötigen Gewalt zu behandeln. Die Götter reiben sich die Hände.

"Let me tell you a story: Once upon a time a man got fucked. Now, how is that for a story? 'Cause that's the story of black people in America."

Notizen am Rande:

  • Die Episode hat die Serie gleich um drei großartig gecastete Charaktere erweitert: Orlando Jones, Peter Stormare und die kaum erkennbare Gillian Anderson haben alle drei offensichtlich ziemlich viel Spaß und dürften den Rest der Staffel im Alleingang sehenswert machen.
  • Dass American Gods stark an Hannibal erinnert, liegt nicht nur an Bryan Fuller: Regisseur David Slade hat zahlreiche Episoden von Hannibal inszeniert und auch sonst hat sich Fuller viele seiner alten Kollegen ins Boot geholt: Brian Reitzell (Musik), Rory Cheyne (Szenenbild), Stephen Philipson und Art Jones (jeweils Schnitt) arbeiteten an beiden Serien. Das Essen in Czernobogs Wohnung wurde von Hannibals Food-Designerin Janice Poon hergerichtet.
  • Orlando Jones verriet in einem Interview , dass seine Rede von Donald Trump beeinflusst wurde. Auch er habe es geschafft, eine Horde von Menschen dazu zu überzeugen, den Weg direkten Weg ins Feuer zu nehmen.

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