Der Mann, der mit der Kälte kam

09.10.2009 - 15:40 Uhr
Michael Haneke
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Das weiße Band wurde in diesem Jahr mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet, in Kürze läuft der Film in den deutschen Kinos an. Grund genug, einen Rückblick auf das Werk von Regisseur Michael Haneke zu wagen.

Michael Haneke gilt als Regisseur, der sein Publikum mit kühlen und rätselhaften Filmen herausfordert. Am 15. Oktober kommt sein neues Werk Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte in die deutschen Kinos: In einem Dorf im protestantischen Norden Deutschlands am Vorabend des Ersten Weltkriegs herrschen klassich-patriarchische Strukturen, bis sich eines Tages mysteriöse Unfälle ereignen. Klingt nach einem typischen Haneke.

Hier ist der Trailer zu Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte

Ein kurzer Rüblick auf andere wichtige Filme in der Karriere des Österreichers

Die Klavierspielerin stellt im Vergleich zu anderen Filmen von Michael Haneke so etwas wie einen Blockbuster dar, schließlich sahen sich die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Elfriede Jelinek mehr als 2,5 Millionen Zuschauer im Kino an. Das mag an der stringenten Handlung liegen: Die fast 40-jährige Klavierlehrerin Erika Kohut (Isabelle Huppert) aus Wien lebt noch immer bei ihrer Mutter. Sie ist abweisend, kühl, sadistisch, dennoch versucht einer ihrer Schüler sie zu erobern. Nach anfänglichem Abwehrverhalten gegen den zudringlichen Verehrer gibt Erika Kohut schließlich nach und präsentiert ihm ihre masochistische Seite. Der Klavierschüler ist überfordert und dreht durch. Die Handlung schlägt dabei keine Haken, es wird auch nicht einfach mal zurückgespult wie in Funny Games U.S.. Dennoch lieferte Die Klavierspielerin ein klassisches Verkaufsargument: Skandale. Höhepunkt war die genitale Selbstverstümmelung von Isabelle Huppert alias Erika Kohut.

Die Autoaggression der Klavierspielerin markiert ein Thema, dass sich wie ein blutroter Faden durch alle Filme von Michael Haneke zieht: Gewalt und ihre Darstellung in den Medien. Der österreichische Regisseur drapiert die Handlung von Caché um zwei Szenen voller Brutalität – einen Selbstmord und die Schlachtung eines Hahnes – und verknüpft die Gewaltausbrüche mit der Frage nach einer lebenslang verdrängten Schuld. Anlässlich des Kinostarts von Funny Games U.S., einem Bild-für-Bild-Remake von Funny Games U.S., erklärte Michael Haneke dem Tagesspiegel:

Natürlich ist es notwendig, über Gewalt zu sprechen. Aber audiovisuelle Medien leben von Bewegung und Attraktion. Gewalt unattraktiv darzustellen, aber trotzdem ihr die Wucht zu lassen, die sie nun einmal de facto hat – das ist extrem schwierig. Das Mainstream-Kino entrealisiert, überdreht oder ironisiert Gewalt. Pulp Fiction ist dafür ein Musterbeispiel. Wenn da der Kopf weggeblasen wird, herrscht ein Riesengelächter im Saal. Das ist perfekt gemachter Zynismus im Dienste der Verkaufbarkeit.

Michael Haneke brachte seine Einstellung gegenüber der Darstellbarkeit von Gewalt in Funny Games U.S. auf den Punkt: Zwei junge Männer malträtieren eine Familie, ohne ein ersichtliches Motiv dafür zu besitzen. Auch in Funny Games U.S. wird geballert und gestorben, auch hier zeigt sich Gewalt stellenweise “entrealisiert und überdreht”, jedoch kann der Zuschauer daraus keine Befriedigung ziehen, im Saal herrscht kein Riesengelächter, eher schon Verachtung gegenüber den Machern des Films.

Der größte Vorwurf, der Michael Haneke häufig gemacht wird, lautet dehalb auch, dass er die Zuschauer seiner Filme verachte, dass er sie erziehen, aber um keinen Preis unterhalten wolle. Der Österreicher entgegnet seinen Kritikern:

Wenn ein Moralist aus postmodern-ironischer Sicht einer ist, der den Leuten oberlehrerhaft sagt, wo es langgeht, dann möchte ich keiner sein. Ist der Moralist hingegen einer, der seine Zuschauer ernst nimmt, dann lautet die Antwort: Ja.

Auch in Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte geht es wieder um Gewalt, Erziehung und Unterdrückung. Am Ende bleiben alle Fragen offen, aber das muss so sein, schließlich nimmt Michael Haneke sein Zuschauer ja ernst.

Wie steht Ihr zu Michael Haneke? Fühlt Ihr Euch ernst genommen oder betrogen?

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